Staatstheater Mainz entdeckt Johann Christian Bachs »Zanaida« wieder

Zanaida ~ Staatstheater Mainz ~ Zanaida (Alexandra Samouilidou), Mädchenchor ~ © Andreas Etter
kulturfreak Bewertung: 4 von 5

Anders als der bekannte Johann Sebastian Bach, hat dessen jüngster Sohn Johann Christian Bach (1735-1782) Musik für fast alle Gattungen komponiert. Vom zum Katholizismus konvertierten Johann Christian Bach gibt es neben geistlicher Musik, Kammer- und sinfonischer Musik auch ein Oratorium. Als einziger in der Familie Bach komponierte er 11 Opern. Zu seiner Zeit war er sehr beliebt und wird noch heute als der »Londoner« oder »Mailänder Bach« bezeichnet (Städte, in denen er jeweils lange wirkte). Er starb verarmt in Paris.


Zanaida
Staatstheater Mainz
Tamasse (Alin Deleanu), Cisseo (Philipp Mathmann)
© Andreas Etter

Streichungen, Erweiterungen und Übertragung ins Deutsche

In London wurde seine dreiaktige Oper Zanaida 1763 uraufgeführt, die dann lange Zeit ungespielt blieb, nicht zuletzt, weil viele Teile verschollen waren. Erst 2011 wurde sie im Rahmen des Leipziger Bachfestes wieder szenisch, in einer nunmehr neu erschlossenen Fassung, aufgeführt. Die Inszenierung des Staatstheater Mainz ist erst die dritte szenische Aufführung. Und sie weist schon formal einige Besonderheiten auf. Für eine bessere Bühnentauglichkeit und heutige Sichtweisen hat der vom Schauspiel kommende Regisseur Max Hopp eine eigene Fassung erstellt. So wurden Nebenrollen gestrichen, Hauptrollen erweitert und neue Konflikte eingebaut. Die in italienischer Sprache verfasste Oper wurde für die Mainzer Aufführungen von der Saxophonistin, Sängerin und Textdichterin Doris Decker ins Deutsche übertragen, in einer sehr flüssigen und zeitgemäßen Sprache. Das hat natürlich auch Auswirkung auf die Musik. So wurde von ihr u. a. die Rezitative der gestrichenen Nebenrollen für den Chor, den es eigentlich nicht gibt, umgedichtet und in enger Zusammenarbeit mit dem musikalischen Leiter, dem gebürtigen US-Amerikaner Adam Benzwi, auch einige Arienvorspiele gekürzt oder auch gestrichen. Wie für die neapolitanischen Opern üblich, zu denen Zanaida zählt, gibt es eine Vielzahl an Arien und wenig Ensemblesätzen. Wobei Johann Christian Bach die oft ausschweifenden Da-capo-arien bereits modifizierte und mit viel Melos ausstattete. Herausgekommen ist eine kurzweilige Fassung (2,5 Stunden, inklusive einer Pause).


Zanaida
Staatstheater Mainz
Gianguir (David Bennent)
Andreas Etter

Gesangszauber und mahnende Worte

Inhaltlich verwendete Bach ein historisch-mythologisches Sujet. Nach langen, ermüdenden Kämpfen mit herben Verlusten auf beiden Seiten, soll, mittels einer arrangierten Hochzeit, zwischen den Punischen und den Numidischen Völkern Frieden geschlossen werden. Eine Intrige droht dies zu verhindern, doch am Ende sorgt die ob ihrer reinen Seele schon fast ins Überirdische entrückte Titelheldin dafür, dass sich alles zum Guten wendet.

Im Kleinen Haus des Staatstheater Mainz wurde die Handlung in eine ferne Zukunft oder auch in ein Paralleluniversum verlegt, eine genaue Verortung gibt es nicht. Die Bühne ist karg gehalten, weitestgehend leer, durch den Einsatz der Hubpodien entstehen verschiedene Ebenen, ein Halbrundtransparent im Hintergrund vermittelt zugleich Ferne und Wärme. Vieles schwebt vom Schnürboden herab: Planeten in Form von Lichtspielen, eine Schaukel und ein Plateau, während anderes, wie der an eine Guillotine anmutende Thron von König Tamasse eingeschoben wird. Dafür ragen die Kostüme deutlich stärker hervor. Prachtvolle Kleider für die königlichen Damen, elegante, eng sitzende farbige Anzüge für die königlichen Herren. Zur leichteren Unterscheidung haben die weisen Punier ein drittes Auge auf der Stirn, die Numidier haben große, skulpturhafte Hörner als Zeugnis ihres ehemaligen Reichtums (Ausstattung: der Estländer Madis Nurms). Der Zanaida als treuer Freund begleitende Mädchenchor, athletische Musen, trägt reines Weiß. Hierbei handelt es sich um Mitglieder des Mädchenchors am Mainzer Dom und St. Quintin (Einstudierung: Jutta Hörl und Michael Kaltenbach), der sich mit sehr schönem Klang einbringt. Zur Visualisierung des archaischen Konflikts sind alle barfüßig. Nur aus dem Programmheft (oder der Einführungsveranstaltung) erschließt sich, dass es sich im Konflikt zwischen Punier und Numidier auch um einen Kampf um Ressourcen handelt.

In der Titelrolle glänzt Sopranistin Alexandra Samouilidou mit stimmlicher Reinheit. Ihre Schwester und Widersacherin Osira verkörpert mit Biss Dorin Rahardja. Hege Gustava Tjønn gibt sehr präsent die intrigante Königsmutter Roselane. Zu Beginn als indisponiert angekündigt, konnte Philipp Mathmann den zum Königsbruder aufgewerteten Cisseo dennoch souverän geben. Countertenor Alin Deleanu gibt einen kämpferischen König Tamasse, Brett Carter den Vater Mustafá. Schließlich gibt es weitere Besonderheiten. Die Rolle des Gianguir wurde stark erweitert: David Bennent sorgt als mahnender Sprecher für intensive Momente. Ein Tanzpaar (Ageliki Gouvi und Yuya Fujinami) untermalt das Geschehen.
Viel freundlicher Applaus.

Markus Gründig, November 19


Zanaida

Dramma per musica in 3 Akten

Von: Johann Christian Bach (1763)
Libretto: nach Giovanni Bottarelli, deutsche Neudichtung von Doris Decker
Uraufführung: 7. Mai 1763 (London, King’s Theatre)

Premiere am Staatstheater Mainz: 7. November 19
Besuchte Vorstellung: 9. November 19

Musikalische Leitung: Adam Benzwi
Nachdirigat: Paul-Johannes Kirschner
Inszenierung: Max Hopp
Ausstattung: Madis Nurms
Licht: René Zensen
Choreografie: Martina Borroni
Video: Christoph Schödel
Dramaturgie: Christin Hagemann

Besetzung:

Zanaida: Alexandra Samouilidou
Roselane: Hege Gustava Tjønn
Mustafá: Brett Carter
Tamasse: Alin Deleanu/Zvi Emanuel-Marial
Osira: Dorin Rahardja
Cisseo: Philipp Mathmann
Gianguir: David Bennent
Tänzerin: Ageliki Gouvi / Martina Borroni (20.11.)
Tänzer: Yuya Fujinami

Mädchenchor am Dom und St. Quintin (Einstudierung: Jutta Hörl und Michael Kaltenbach)
Philharmonisches Staatsorchester Mainz


staatstheater-mainz.de