Mit nunmehr drei Ausgaben tanzmainz festival und mit den zusätzlichen beiden Plattformen tanzmainz festival UPDATE kann, wie Intendant Markus Müller in seiner Eröffnungsrede zum tanzmainz festival #3 anmerkte, durchaus von einer guten Tradition gesprochen werden. Gemeinsam mit Tanzdirektor Honne Dohrmann begrüßte Müller am Welttag des Theaters das Publikum im ausverkauften Großen Haus des Staatstheater Mainz zu einem Festival, das bei weitem keine Selbstverständlichkeit ist. Neben der Unterstützung durch die Sponsoren (wie Kulturfons Peter E. Eckes, Mainzer Volksbank, Lotto und Lotto Stiftung) ist es Verdienst der Mitarbeiter des Staatstheater Mainz, die dieses Festival zusätzlich zum regulären Programm stemmen. Schon aufgrund des rasanten Ticketverkaufs zum Vorverkaufsstart kann erneut von einem Erfolg gesprochen werden. Bis zum 6. April sind auf kleinen und großen Bühnen viele unterschiedliche zeitgemäße Tanzformate zu erleben.
Eröffnet wurde das alle zwei Jahre stattfindende Festival mit dem 2017 uraufgeführten Stück Autobiography des Briten Wayne McGregor. Der international tätige Starchoreograf mit eigener Compagnie (Company Wayne McGregor) wurde bereits viele Male ausgezeichnet, seit 2006 ist er Resident Choreographer am Royal Ballet in London.
Für Autobiography ließ der wissenschafts- und technikaffine McGregor sein Genom entschlüsseln und schuf 23, seinen Chromosomenpaaren entsprechende, Szenen. Was natürlich nur abstrakt zu verstehen ist. In jeder Vorstellung werden 15 Szenen gezeigt, die Auswahl und Reihenfolge bestimmt ein Algorithmus (vom Software-Ingenieur, Komponist und Künstler Nick Rothwell). Die kurzen Szenentitel, wie „not I“, „nature“, „instinct“ oder „choosing“, werden kurz als Übertitel eingeblendet und bieten nur vage Bezüge zum Getanzten, das von Wayne McGregor in Zusammenarbeit mit seinen Tänzer*innen erarbeitet wurde.
Innerhalb von 80-Minuten gestalteten 10 Tänzer*innen, davon sechs Tänzer und vier Tänzerinnen, ein faszinierendes Spektrum an exaltierten Posen. Die Bewegungen sind oft weit ausladend. Sie zeigen unterschiedliche Lebenswege, drücken dabei intensiv Rivalität, Verlust, Intimität und Gemeinschaft aus. Viele von Ihnen sind außergewöhnlich beweglich. Sind die Frauen auch ausdruckstark, hinterlassen die Männer doch einen nachhaltigeren Eindruck. Allen voran Jacob O’Connell, der in vielen Szenen beteiligt ist.
Das Grundtempo ist überwiegend schnell. Getanzt wird zu sehr unterschiedlichen, minimalistisch geprägten, elektronischen Beats, mit dunkler Grundnote (Musik: Elektronik-Futuristin Jlin). Zwischendurch klingen lose Bezüge zu Fernost und der Karibik an. Brachial anmutende Töne fehlen nicht, dazu gibt es kontrastierend Naturklänge wie Vogelgezwitscher und besänftigend wirkend, bei „7 ~ traces“, Barockmusik.
Die Bühne ist im Prinzip leer. Von der Decke hängt eine große Röhrenkonstruktion mit Lampen herab, an den Seiten stehen kleine Lichtspots. Licht (und etwas Nebel) sind ein wichtiges gestalterisches Element. Für sphärische Momente sorgen Laserstrahlen, die die Bühne in verschiedene Bereiche aufteilen. Die Männer tanzen viele Szenen oberkörperfrei, bei „choosing“ tragen alle nur kurze schwarze Höschen (die Frauen zusätzlich BHs; Bühne, Projektionen: Ben Cullen Williams; Lichtdesign: Lucy Carter; Kostüm: Aitor Throup).
Lang anhaltender Applaus für die Company Wayne McGregor und das Gesamtkunstwerk Autobiography.
Markus Gründig, März 19