Neuigkeiten von den Bregenzer Festspielen (2. Juli)

Pressetag bei den Bregenzer Festspielen (© Bregenzer Festspiele / Anja Köhler)


Pressetag – Schicksalhafter Œdipe, schauriger Freischütz

Zwei kontrastreiche Opern eröffnen Lilli Paasikivis ersten Festspielsommer

In zwei Wochen starten die Bregenzer Festspiele am Bodensee in ihren 79. Festivalsommer, der ganz im Zeichen der neuen Intendantin Lilli Paasikivi stehen wird. Neben den beiden großen Opernproduktionen Œdipe von George Enescu im Festspielhaus und Der Freischütz von Carl Maria von Weber auf der Seebühne erwarten das Publikum im Sommer 2025 nahezu 80 Veranstaltungen.

Fünf Sommerwochen lang lädt das Festival am Bodensee vom 16. Juli bis zum 17. August 2025 zu einem spannenden und facettenreichen Kulturerlebnis ein. Auf dem Spielplan stehen sechs Musiktheaterproduktionen, darunter die Uraufführung Emily – No Prisoner Be. Auch das Burgtheater ist mit einer Uraufführung zu Gast in Bregenz: bumm tschak oder der letzte henker, das neueste Werk des vielfach preisgekrönten österreichischen Dramatikers Ferdinand Schmalz. Ergänzt wird das Programm durch das Opernstudio, außergewöhnliche Orchesterkonzerte, facettenreiche Kammermusik und vielfältige Beiträge bei den Jungen Festspielen.

Pressetag bei den Bregenzer Festspielen
v. l. n. r. : Babette Karner (Pressesprecherin), Lilli Paasikivi (Intendantin der Bregenzer Festspiele), Phillip Stölzl (Regisseur „Der Freischütz”), Patrik Ringborg (Musikalische Leitung „Der Freischütz”), Katharina Ruckgaber (Ännchen), Wendy Hesketh-Ogilvie (Künstlerische Leiterin des Wired Aerial Theatre)

© Bregenzer Festspiele / Anja Köhler

Insgesamt sind für die kommende Festspielsaison (inklusive Generalprobe von Der Freischütz) nahezu 220.500 Tickets aufgelegt. Der Freischütz wird 2025 auf der Seebühne an 27 Abenden gezeigt, rund 192.000 Tickets sind aufgelegt (inkl. Generalprobe und Young People’s Night). 80 Prozent davon sind bereits gebucht.

Der Teufel als Strippenzieher: Publikumsliebling Freischütz ist zurück am See

Nur noch zwei Wochen sind es, bevor Samiel der Teufel wieder die Wolfschlucht heimsucht, Max in Verzweiflung Freikugeln gießt und Agathe sehnsuchtsvoll die Ankunft ihres Geliebten erwartet: Seit dem 18. Juni wird auf der Seebühne mehrmals täglich für Der Freischütz geprobt, der ab dem 17. Juli am Bodensee in seine zweite Saison geht. Am Wochenende werden auch die Wiener Symphoniker in Bregenz erwartet, und die Bühnenorchesterproben können beginnen.

Knapp 200.000 Menschen strömten im Sommer 2024 zum Freischütz an den Bregenzer Bodensee. Alle 28 Vorstellungen waren restlos ausverkauft und die Besucher:innen hingerissen von Philipp Stölzls Interpretation der Oper. Ganz nah am Zuschauerraum liegt die schaurig-poetische Welt, die der deutsche Regisseur und Bühnenbildner für Carl Maria von Webers romantische Schauergeschichte rund um die Liebe der Erbförstertochter Agathe zum jungen Amtsschreiber Max geschaffen hat.

„Die Schauergeschichte umarmen“

Frösteln trotz Sommerhitze sollen die Besucher:innen ob der unheimlichen Atmosphäre des halb im Wasser versunkenen Dorfes, so wünschte es sich der Regisseur, und so kämpft Max in einer kahlen Winterlandschaft, zwischen windschiefen, halb im Wasser versunkenen Häusern, Baumgerippen und Pferdeskeletten unter den Augen der argwöhnischen Dorfgesellschaft um die Hand seiner Geliebten.

Der Form, die Stölzl für den Freischütz gewählt hat, lag eine ganz bewusste Entscheidung zugrunde: „Wir wollten die romantische Schauergeschichte, auf der diese Oper basiert, hier am Bodensee durch und durch umarmen.“ Und tatsächlich: Eine feuerspeiende Schlange gewährt dem Teufel Samiel einen Ritt nach oben, geisterhafte, unheimliche Wesen winden sich im schwarzen Wasser der Lagune, gespenstisch bleich tanzt Agathe auf ihrem Bett. Die Wolfsschluchtszene bildet den optischen und dramatischen Höhepunkt des Bregenzer Freischütz: Webers düstere Klänge und die bedrohliche Orchestrierung, gepaart mit eindrucksvollen Lichteffekten, dichten Nebelschwaden, heulenden Wölfen und krachendem Donner verwandeln die Bühne in einen surrealen, albtraumhaften Ort. Wenn Kaspar inmitten eines Flammenmeeres Freikugeln gießt, herrscht Gänsehaut auf den Rängen.

Den Sprechszenen widmete Stölzl in seiner Inszenierung besondere Aufmerksamkeit, denn: „Die Oper besteht schließlich fast zur Hälfte aus Sprechtheater.“ Zusammen mit dem Autor Jan Dvořák hat er die Sprechszenen neu gefasst und ergänzt. Samiel, den Teufel, hat Stölzl zum Erzähler, Conférencier und Strippenzieher aufgewertet. Zur Faszination des Publikums wechseln sich im Bregenzer Freischütz die eingängigen Melodien und Arien Carl Maria von Webers mit zahlreichen Dialogen ab – und mit den beißenden Kommentaren des Teufels.

Ab 17. Juli wieder auf der Seebühne zu sehen

Carl Maria von Webers Der Freischütz ist ab dem 17. Juli 2025 wieder auf der Bregenzer Seebühne zu sehen. Für Regie, Bühnenbild und Lichtdesign zeichnet der Münchner Philipp Stölzl verantwortlich, der nach seinem gefeierten Rigoletto, dem Spiel auf dem See 2019/21, an den Bodensee zurückgekehrt ist. Die Kostüme stammen von Gesine Völlm. Die musikalische Leitung liegt in diesem Jahr bei Patrik Ringborg und Christoph Altstaedt.

Unentrinnbares Schicksal: George Enescus Œdipe als Oper im Festspielhaus

Er tötet seinen Vater, heiratet seine Mutter und ahnt zu keinem Zeitpunkt, was er da tut: Das unheilvolle Leben des Ödipus, der schuldlos schuldig wird und sich immer tiefer in sein vorherbestimmtes Schicksal verstrickt, bewegt die Menschen seit der Antike. Die monumentale Tragédie lyrique Œdipe des 1881 im heutigen Rumänien geborenen Komponisten George Enescu eröffnet am 16. Juli 2025 als erste Oper im Festspielhaus der neuen Intendantin Lilli Paasikivis die Bregenzer Festspiele.

Für die Bregenzer Produktion zeichnet der international renommierte Regisseur Andreas Kriegenburg verantwortlich, der gemeinsam mit Bühnenbildner Harald B. Thor und Kostümbildnerin Tanja Hofmann jedem der vier unabhängig erzählten Akte ein Element widmet: Feuer, Wasser, Luft und Erde, kombiniert mit archaischen Materialien wie Holz, Ton und einfachem Stoff, aber auch mit blanker Haut. Die musikalische Leitung übernimmt der finnische Dirigent Hannu Lintu.

Pressetag bei den Bregenzer Festspielen: Paul Gay (Oedipe)
© Bregenzer Festspiele / Anja Köhler

1909 wohnte George Enescu einer Aufführung der Tragödie König Ödipus des griechischen Dichters Sophokles an der Comédie-Française bei und war davon tief berührt. Die 1936 uraufgeführte Adaption dieses Stoffs in Form der monumentalen Choroper Œdipe gilt heute als Enescus Meisterwerk. Sie verbindet französischen Impressionismus mit rumänischer Volksmusik und besticht durch farbenreiche Klänge, kraftvolle Rhythmen und liedhafte Melodien.

Enescu setzt das Orchester äußerst differenziert ein – mit kammermusikalischer Transparenz ebenso wie mit kraftvollen, monumentalen Klangballungen. Durch den gezielten Einsatz ungewöhnlicher Instrumentalfarben erzeugt er eine suggestive und atmosphärisch dichte Klangwelt. Ein Harmonium, zwei Harfen, eine Wind- und Donnermaschine sowie eine singende Säge erweitern das Instrumentarium und verleihen der Musik zusätzlichen dramatischen Charakter.

„Ich bewege mich entlang der Musik.“„Das Bitter-Faszinierende an der Ödipus-Geschichte ist die Frage, ob es überhaupt eine Chance gibt, dem eigenen Schicksal zu entkommen und nicht sehenden Auges in die Katastrophe zu schlittern“, sagt Regisseur Andreas Kriegenburg. „Müssen wir uns mit dem Unausweichlichen abfinden? Obwohl man sich manchmal durchaus wünscht, man wüsste über sein Schicksal Bescheid, versteht man mit Ödipus auch den Satz: ‚Gesegnet sind die Unwissenden.‘“

Kriegenburg, der auch ein renommierter Theaterregisseur ist, sieht seine Aufgabe bei Operninszenierungen darin, eine szenische Umsetzung zu finden, die eine Art Unbedingtheit zur Musik herstellt: „Musik und Szene sollen miteinander verwoben sein, sollen unmerklich miteinander korrelieren, sodass man es sich gar nicht anders vorstellen kann. Ich bin kein Regisseur, der versucht, sich dissonant zur Musik zu bewegen oder Opern neu zu interpretieren. Ich bewege mich entlang der Musik.“


Wer singt wann und warum?

Traditionell verpflichten die Bregenzer Festspiele beim Spiel auf dem See mehrere Sänger:innen für einzelne Rollen. Bis zu drei Mitwirkende wechseln sich in einem Rotationssystem ab. Das schützt die Stimme vor Überbelastung und gewährt damit höchste Gesangsqualität.

Insgesamt 27 Mal steht die romantische Oper von Carl Maria von Weber bei den Bregenzer Festspielen in diesem Jahr auf dem Programm. Das ist nur mit Mehrfachbesetzungen zu bewerkstelligen. Wer aber singt wann, und wer entscheidet nach welchen Kriterien? 

So außergewöhnlich wie das Spiel auf dem See selbst sind auch die besonderen Anforderungen, die die Durchführung des Aushängeschildes der Bregenzer Festspiele mit sich bringt. Weil in kurzer Zeit sehr viele Aufführungen über die Bühne gehen, sind es beim Freischütz gleich drei große Rollen, die dreifach besetzt werden: „Die Partien sind nicht nur stimmlich extrem anspruchsvoll, auch körperlich verlangen wir unseren Sänger:innen einiges ab“, erklärt der künstlerische Betriebsdirektor der Bregenzer Festspiele, Jaakko Kortekangas. „Wind und Wetter, die enormen Dimensionen der Seebühne und ein Regiekonzept, bei dem die Darsteller:innen am, im und manchmal sogar unter Wasser spielen – all das ist mit einer normalen Opernbühne kaum vergleichbar.“

Auch wenn jeder topfit ist, gegen Krankheit ist niemand gefeit. Es reicht eine Verkühlung, um pausieren zu müssen. Bei einer Dreifachbesetzung der großen Partien und doppelter Besetzung der übrigen Partien arbeitet das Leading Team mit mehr Ruhe und Sicherheit. „Man weiß, es ist immer jemand da, der eventuelle Ausfälle abdecken kann. Die Mehrfachbesetzungen sind – bei rund 7000 Besucher:innen pro Vorstellung – auch betriebswirtschaftlich sinnvoll, um mögliche Risiken zu reduzieren.

Alle zwei Jahre ist eine neue Operninszenierung auf der Seebühne zu sehen. In einem ersten Jahr bleiben nach Probenbeginn rund drei Wochen Zeit, um herauszufinden, wer mit wem optimal harmoniert – sowohl musikalisch als auch szenisch. „Es werden alle Konstellationen durchgespielt“, sagt Jaakko Kortekangas, „und am Ende gibt es keine bessere oder schlechtere Besetzung, sondern drei sehr gut aufeinander abgestimmte Kombinationen, bei denen Klang und Chemie stimmen“. Zu den Kriterien gehört auch die Einschätzung, ob sich jemand auf der riesigen Seebühne bis zum Anschlag gefordert fühlt oder tiefenentspannt mit der Gesamtsituation zurechtkommt. Das kann das Regieteam aus der Nähe am besten beurteilen. Vergangenes Jahr wurde diese Entscheidung in sehr enger Abstimmung zwischen Intendanz, Musikalischer Leitung und dem Regieteam etwa zwei Wochen vor der Premiere gefällt.

In einem zweiten Spieljahr am See nutzt man die Erfahrungswerte der ersten Saison. Da bereits unterschiedliche Kombinationen durchgespielt wurden, „basiert die Einteilung der Besetzungen im zweiten Jahr doch eher auf den Erfahrungen vom Vorjahr“, erklärt Jaakko Kortekangas.

Premierenbesetzung 17. Juli 2025:

Agathe: Irina Simmes
Ännchen: Katharina Ruckgaber
Max: Attilio Glaser
Kaspar: Oliver Zwarg
Samiel:
Moritz vonTreuenfels

Das gesamte Premieren-Ensemble sowie die Besetzungen der weiteren Vorstellungen 2025 finden sich demnächst auf der Webseite der Bregenzer Festspiele.


Sag mal, Ferdinand Schmalz…

Die Kraft der Sprache, Notizbücher und der Tod

In der diesjährigen Koproduktion mit dem Burgtheater wird das Stück bumm tschak oder der letzte henker von Ferdinand Schmalz im Rahmen der Bregenzer Festspiele uraufgeführt.

Was ist deine Lieblingsbeschäftigung?
Fotografieren, ich habe ein, zwei alte Analogkameras, mit denen ich ganz gern hobbymäßig am Fotografieren bin. Das lenkt ganz gut ab. Ich nenn’s mal Augenyoga.

Welche Fehler entschuldigst du am ehesten?
In der Kunst gibt es keine Fehler!

Was ist einer deiner stärksten Charakterzüge?
Dass ich einen kleinen Rangierbahnhof für Charakterzüge habe, da fährt immer nur der aus, den ich gerade brauche.

Was schätzt du bei deinen Freund:innen am meisten?
Dass sie mit konstruktiver Kritik nicht hinterm Berg halten.

Welches Talent würdest du gerne haben?
Ich würde gern gut Zeichnen können.

Was ist dein Motto?
Ausgeruht wird am Friedhof.

Welchen Rat würdest du deinem jüngeren Ich geben?
Sieh zu, dass du deine Fehler machst.

Gibt es einen Traum, den du dir unbedingt noch erfüllen möchtest?
Ich würde gerne noch ein bisschen mehr von der Welt sehen.

Welche Person (tot oder lebendig) würdest du gerne auf einen Kaffee treffen?
Josef Lang, der letzte Henker der K&K Monarchie.

Wie sieht für dich ein perfekter Tag aus?
Schwimmen, Schreiben, Schlafen, Schlemmern.

Wenn du in eine andere Zeit reisen könntest, wohin würde es gehen?
Ins Hochmittelalter. Viele von den Dingen, die wir heute als selbstverständlich erachten sind damals erst in den Kinderschuhen gesteckt.

Wann bist du vollkommen du selbst?
Wenn ich mich spiele.

Was inspiriert dich am meisten?
Bilder. Ich lege zu jedem Stück ganze Ordnerlandschaften mit Bildern an. Kunstgeschichtliches, aber auch ganz Alltägliches.

Wer ist dein:e Held:in der Kindheit?
Als Kind hab‘ ich viel Austropop gehört. EAV rauf und runter. Reinhard Fendrich. Später Attwenger. Sprachlich sind die alle toll!

Was ist deine größte Schwäche?
Bei gutem Kaffee werde ich schwach.

Was kann Sprache?
Das Unsagbare umschreiben und das Nichts hinter hohlen Phrasen freilegen.

Theater oder Literatur?
Schließt sich nicht aus, würde ich sagen!

Deine liebste Schreibumgebung?
In einem Pinienhain am Meer.

Gibt es ein Thema, das dich in deiner künstlerischen Arbeit immer wieder beschäftigt?
Ich habe mich schon sehr viel mit dem Tod beschäftigt, vielleicht weil es die Leerstelle ist, um die sich alles dreht.

Wie recherchierst du?
Viel lesen, auf Archive gehe, Aufzeichnungen von Inszenierungen anschauen. Alles notieren was einem unterkommt. Ich führe schon seit Jahren Notizbücher, die ich „Hirnprothesen I-VII“ betitelt habe.

Was unterscheidet das Schreiben für das Theater vom Prosaschreiben?
Für Prosa braucht man einen anderen Atem.

Wie chronologisch ist deine Art zu schreiben?
Das ist von Projekt zu Projekt unterschiedlich. Manchmal ist der Schluss als erstes da. Dann eine Schlüsselszene in der Mitte. Der Titel oft erst ganz zum Schluss.

In diesem Fragebogen verraten Menschen der Bregenzer Festspiele allwöchentlich Gedanken rund ums Leben – und sich selbst.

  • In einem Interview spricht Ferdinand Schmalz über sein Richtspiel bumm tschak oder der letzte henker: bregenzerfestspiele.com.
  • Unter bregenzerfestspiele.com erzählt Ferdinand Schmalz über seine Sprachkunst und wie es ist, wenn man als Schriftsteller darum gebeten wird, selbst etwas über seine Stücke zu schreiben.
  • Am Sonntag den 20.07. findet um 09:30 Uhr ein Festspielfrühstück mit Ferdinand Schmalz statt. Mehr Informationen finden sich unter bregenzerfestspiele.com.

Die Bregenzer Festspiele 2025 finden von 16. Juli bis 17. August statt.
Tickets und Infos unter bregenzerfestspiele.com und Telefon 0043 5574 4076.