Aktuelles von den Bregenzer Festspielen (06.08.)

Bregenzer Festspiele 2025 ~ Frauke Gose ~ © Bregenzer Festspiele / Lisa Mathis


Meisterhaftes Handwerk und präzise Planung in der Maskenabteilung

Büffelhaare, Teufelshörner und sieben Perücken für Agathe

Wenn Perücken Haar für Haar geknüpft und Kopfbedeckungen passgenau gefertigt werden, steckt dahinter die gebündelte Expertise der Maskenabteilung. Damit all das auf der Bühne perfekt wirkt und dennoch wie selbstverständlich erscheint, braucht es vorausschauende Planung, viel Geduld – und präzises Handwerk.

In der Regel fällt Zuschauer:innen einer Opernaufführung die Arbeit der Maskenbildner:innen selten direkt auf. Wenn Frisuren, Make-up und Bärte sitzen, entsteht ein Gesamteindruck, der die Figuren lebendig erscheinen lässt. Aber gerade auf der Seebühne der Bregenzer Festspiele müssen einige Herausforderungen gemeistert werden, damit die Maske hält.

Schon ab dem ersten Tag der Planung einer Produktion am See ist Frauke Gose, Chefmaskenbildnerin der Bregenzer Festspiele, mit dabei. Neben dem Bühnenbild und den Kostümen ist das Maskenbild ein wesentlicher Teil des Gesamtkonzepts einer Opernproduktion und wird in enger Absprache mit den anderen Abteilungen entwickelt. Denn es sind Perücken, Bärte und Make-up die den Figuren Charakter und Tiefe verleihen. Planung, Beschaffung von Materialien und Koordination zählen also ebenso wie die handwerkliche Arbeit und die intensiven Probenphasen zu den Aufgaben der Maskenabteilung.

Eine Woche Knüpfarbeit

Damit nach der genauen Planung alle Perücken, Bärte und Kopfbedeckungen auch wirklich passen und realistisch aussehen, werden in einem ersten Schritt Abdrücke von Kopf und Gesicht der Darsteller:innen gemacht. Jedes Teil wird als Unikat auf die individuellen Gesichts- und Kopfformen sowie die Bewegungen der Darsteller:innen angepasst. Nach den Abdrücken beginnt die Knüpfarbeit.

Eine ganze Woche, acht Arbeitsstunden pro Tag, braucht es, um eine einzige Perücke aus Echthaar herzustellen. Bei der Produktion des Freischütz wurden für bestimmte Perücken aber auch Büffelhaare verwendet – jenes Material, aus dem auch die klassischen Perücken der Barockzeit gefertigt wurden. Dadurch erhalten sie ihren authentisch historischen Look und wirken besonders realistisch. Die Mätressen des Fürsten und seine Pagen, die am Ende des Stücks in einem Schlitten auf die Bühne kommen, tragen diese speziell aus Büffelhaar gefertigten Perücken.

Wichtig ist auch immer der sorgsame Umgang mit den besonderen Arbeitsstücken. „Wir gehen sehr gewissenhaft mit unseren Stücken um. Man weiß nie, wann man all diese wertvollen, handgemachten Einzelanfertigungen wieder brauchen kann“, betont Frauke Gose. Deshalb wird auch der Pflege und dem Transport der Arbeitsstücke viel Aufmerksamkeit gewidmet. Die Perücken werden täglich frisiert, einige auch geflochten, und mit einem eigenen Wagen vor der Vorstellung zur Hinterbühne transportiert, wo sich ein Teil der Garderoben befindet.

Haarpracht für Solistinnen und Stunt-Doubles

Wegen der Mehrfachbesetzung des Spiels auf dem See gibt es für viele Rollen nicht nur eine, sondern gleich mehrere Perücken. Die größte Anzahl an Perücken – ganze sieben Stück – hat die Maskenabteilung für die Figur der Agathe hergestellt, nicht nur für die Sängerinnen, sondern auch für die Stunt-Doubles. Bei den teils actionreichen Szenen macht Agathes Haarpracht einiges mit und muss, wie alle anderen Perücken auch, den unterschiedlichsten Witterungen standhalten.

Teuflische Hörner mit Charakter

Ein weiteres besonderes Stück aus der Maskenabteilung, das bei jeder Aufführung des Freischütz zum Einsatz kommt, ist teuflischer Natur: die Hörner von Samiel, dem listigen Erzähler. „Samiels Hörner sind keine Requisiten, sondern eine organische Erweiterung der Figur“, erklärt Frauke. Neben der ästhetischen Wirkung muss auch die Funktionalität passen – die Teufelshörner sollen sicher sitzen und dürfen weder drücken noch das Spiel oder die Mimik beeinflussen.

„Bei der Entwicklung der Hörner haben wir mit Livecasts gearbeitet. Das sind spezielle Gipsabdrücke der Gesichter, um die Hörner später präzise an die Physiognomie der beiden Samiel-Darsteller anpassen zu können.“ Auch die Firma Kryolan, welche sich auf professionelle Theater-, Film- und Spezialeffektschminke spezialisiert hat, war an der Erstellung dieser besonderen Einzelstücke beteiligt. Durch das Ausprobieren mit unterschiedlichen Materialien und Formen ist es gelungen, die beiden Samiel-Darsteller, Moritz von Treuenfels und Niklas Wetzel, mit einem optimalen Maskenstück auszustatten, welches der Figur mehr Tiefe und Authentizität schenkt.

Eine ausgereifte Planung und individuelle Arbeit mit den Darsteller:innen ist also ebenso wie das Mitdenken der Bewegungsbedingungen wesentlich, um die Arbeit der Maskenbildner:innen auf der Seebühne der Bregenzer Festspiele unbemerkt erscheinen zu lassen und den einzelnen Figuren Tiefe und Charakter zu verleihen.


Finnische Leidenschaft ~ „Tango am See“ auf der Werkstattbühne

Seit dieser Saison haben die Bregenzer Festspiele mit Lilli Paasikivi eine neue Intendantin. Der ehemaligen Opernsängerin und Leiterin der finnischen Nationaloper war es auch wichtig, eine andere typische musikalische Farbe ihrer Heimat an den Bodensee zu bringen: den Tango. Wer nicht schon den einen oder anderen – stets empfehlenswerten – Film ihres Landsmanns Aki Kaurismäki gesehen hat, mag sich wundern, wie die scheinbaren Gegensätze Finnland und Tango zusammenpassen.

Roman Schatz
(© Lea Pekkala)

Ein ausgewiesener Experte moderiert

Ich rufe Roman Schatz an, der seit seinem Umzug nach Helsinki im Jahr 1986 unter anderem das Buch Gebrauchsanweisung für Finnland geschrieben hat. Für deutschsprachige Medien gilt er als der Finnland-Erklärer schlechthin. Es gibt aber noch einen weiteren Grund, warum er für Tango am See der ideale Gesprächspartner ist: Er moderiert dieses besondere Konzert in der Montagehalle des Festspielhauses am 11. August – eine Veranstaltung, die einer typischen und in Finnland sehr beliebten Tango-Tanznacht nachempfunden ist.

„Der Unterschied zwischen dem argentinischen und dem finnischen Tango liegt darin, dass es beim argentinischen eine Dur-Phase gibt – also eine Phase der Hoffnung. Der finnische bleibt komplett in Moll“, erklärt Schatz. „Das ist vermutlich der Grund, warum er wie vertonte Melancholie klingt.“ Dazu passt auch der Name des hochklassigen finnisch-britischen Alakulo Ensembles, das in Bregenz zu hören sein wird: „Alakulo“ bedeutet auf Finnisch nämlich Melancholie.

Ein König und eine Königin treten auf

In der finnischen Stadt Seinäjoki wird jedes Jahr ein Tango-Gesangskönig und eine -Königin gekürt. Bei Tango am See singen Johannes Vatjus, der König aus dem Jahr 2019, und seine „Kollegin“ aus dem Jahr 1989 Arja Koriseva. Aki Kaurismäki setzt in seinen Filmen (unter anderem Der Mann ohne Eigenschaften und Le Havre) bewusst finnischen Tango ein. Er soll ihn sogar einmal als Nationalmusik seiner Heimat bezeichnet haben.

Annäherung

Entstanden ist der Tanz jenseits des Atlantiks und einige Breitengrade südlicher: in Argentinien. Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts wurde er auch in Europa sehr populär. Was argentinische Tangotänzer und finnische Tangotänzerinnen vereint, ist zweifellos: Leidenschaft. „Stell Dir vor, Dein nächster Nachbar wohnt 20 Kilometer entfernt und Du siehst ihn nur einmal in der Woche. Beim Tangotanzen hat man also die seltene Möglichkeit, einander näherzukommen“, erzählt Schatz augenzwinkernd. Dazu muss man wissen: Finnland hat 5,5 Millionen Einwohner:innen und Österreich 9,2 Millionen – dabei ist die Fläche Finnlands viermal so groß. Mit einem gängigen Klischee räumt er auf, dem des schweigsamen Finnen. Das habe seiner Einschätzung nach vielmehr mit der Grammatik zu tun, die ihresgleichen sucht. Zum Bespiel? Für den zehn Wörter langen deutschen Satz „Es sieht so aus, als ob er sich schlafen stellt“ benötigt man im Finnischen nur zwei.

Kurzzeitige Rückkehr in heimische Gefilde

Roman Schatz stammt praktischerweise selbst vom Bodensee: Geboren in Überlingen und aufgewachsen in Konstanz, freut er sich entsprechend auf seine Rückkehr – und darauf, seinen Halbbruder wiederzusehen. Auch selbst wird Schatz das eine oder andere Lied singen – mit Blick auf die untergehende Sonne am See.

In der Montagehalle entsteht ein typisch finnischer Land-Tanzboden mit Ausschank, ein sogenannter Lavatanssi: „Richtig schön altmodisch“ – und zuletzt wieder sehr beliebt. Zwischendurch erzählt Schatz immer wieder interessante und skurrile Anekdoten aus seiner Wahlheimat, die laut Statistik seit Jahren als das glücklichste Land der Welt gilt. Schon jetzt ist er überzeugt: „Das wird beileibe kein steifes Konzert – je mehr getanzt wird, desto besser.“

Tango am See: Montag, 11. August in der Montagehalle der Werkstattbühne
Mit dem Alakulo Ensemble sowie als Solist:in Johannes Vatjus bzw. Arja Koriseva


Brass Amore

Von der Liebe zur Musik und dem Zauber des gemeinsamen Musizierens

Bereits zum siebten Mal findet in Vorarlberg das Internationale Blasmusik-Camp unter dem Namen Brass Amore statt. Dabei kommen junge Musiker:innen aus unterschiedlichen Ländern zusammen, um ein symphonisches Blasorchester zu bilden. Gemeinsam mit dem Vorarlberger Blasmusikverband und Dozent:innen der Wiener Symphoniker werden Werke von Gioachino Rossini über Carl Maria von Weber bis hin zu John Philip Sousa einstudiert.

Brass Appassionato 2023
6. Internationale Blasmusik-Camp

© Bregenzer Festspiele / Anja Koehler

Geleitet wird das Projekt von Martin Kerschbaum, Dirigent und Schlagzeuger der Wiener Symphoniker. Das Besondere an Brass Amore für ihn ist, dass in kurzer Zeit – es wird nur fünf Tage lang geprobt – ein anspruchsvolles Programm konzertreif einstudiert wird. „Dies gelingt, weil die Besten der Besten aus der Blasmusikszene zusammenkommen“, erklärt er. Für die Musiker:innen bietet das Projekt die einzigartige Chance, Stücke spielen zu können, die in einer Musikkapelle aufgrund der Größe der Besetzungen nicht spielbar wären. Auch die einzigartige Verbindung zweier musikalischer Genres machen das Internationale Blasmusik-Camp zu etwas Besonderem: Die Kombination aus Klassik und symphonischer Blasmusik verbindet ehrenamtliche Blasmusiker:innen und professionelle Dozent:innen. Es entsteht ein einzigartiger Raum für kreativen Austausch und neue musikalische Wege: nicht nur zwischen den Genres, sondern auch über Altersgrenzen hinweg.

Aber der Reihe nach: Vor zehn Jahren hatte Christoph Indrist– einst Teilnehmer eines Schlagzeugworkshops bei Martin Kerschbaum – die Idee, aus der später Brass Amore entstanden ist. Gemeinsam erarbeiteten die beiden ein Kopzept. Martin Kerschbaums schönster Moment bei Brass Amore? – „Als wir das letzte Mal die Schallmauer von 100 Musiker:innen auf der Bühne durchbrochen haben!“

Über die Blasmusik zur Oper

Jana Linzmeier, Leiterin der Jungen Festspiele bei den Bregenzer Festspielen, erkennt in dem Projekt das Besondere am gemeinsamen, altersübergreifenden Musizieren. Wie nebenbei eröffnet sich jungen Menschen auch ein Zugang zur Oper – über die vertraute Welt der Blasmusik. „Es ist uns als Junge Festspiele ein Anliegen, den Jugendlichen einerseits das für sie meist unbekannte Genre Oper näherzubringen, sie gleichzeitig aber in ihrer Realität abzuholen. Das passiert bei Brass Amore: Wir zeigen den jungen Musiker:innen die Oper in einer Art und Weise, in der sie sich wiederfinden“, erzählt Jana Linzmeier. Ihr schönster Moment bei Brass Amore: „Die Begeisterung der jüngsten Musikerin im Konzert 2023, die voller Stolz und Ehrfurcht live bei der Begrüßung im Konzert etwas sagen durfte.“ In solchen Momenten zeige sich die Bedeutung des Projekts in seiner ganzen Größe.

Oboen die wie Enten klingen

Paul Kaiser, Teilnehmer bei Brass Amore, betont das Besondere dieses Projekts auf den Punkt: „Gemeinsam Spaß an der Musik haben, neue Erfahrungen sammeln und neue Leute kennen lernen. Und das alles in einer wunderbaren Umgebung und inmitten des Flairs der Bregenzer Festspiele!“ Der Oboist, den ein missglücktes Blockflöten-Vorspiel zu seinem jetzigen Instrument geführt hat, betont die vielen kleinen schönen Momente des Musizierens. Das Besondere an seinem Instrument: „Dass es wie kein anderes Instrument wie eine Ente klingen kann – aber nicht muss!“ Was die Oboe für Paul Kaiser außerdem interessant macht, ist das Rohrblatt. Es sei Fluch und Segen zugleich, sagt er liebevoll: „Fluch, wenn man eines braucht und keines zur Hand ist. Segen, weil es musikalische Ideen um eine handwerkliche Dimension bereichert.“

Brass Amore ist für alle Beteiligten – ob jung oder alt – ein spannendes Projekt, das die unterschiedlichsten Menschen zusammenbringt und ein vielseitiges Programm auf die Beine stellt. Was sie alle, Teilnehmende wie Dozierende, gemeinsam haben ist die Liebe zur Musik und die Freude am gemeinsamen Musizieren.

Das Abschlusskonzert von Brass Amore findet am 10. August 2025 um 11:00 Uhr im Festspielhaus statt. Karten können online, telefonisch (+43 5574 4076) oder per Mail (ticket@bregenzerfestspiele.com) erworben werden.


Sag mal, Joyce DiDonato…

Vom Vertrauen in sich selbst, Afrika und der Liebe

Die US-amerikanische Mezzosopranistin Joyce DiDonato gehört zu den faszinierendsten Künstlerinnen unserer Zeit. In dem neuen Musiktheaterwerk Emily — No Prisoner Be setzt sie sich gemeinsam mit Komponist Kevin Puts und dem Ensemble Time for Three intensiv mit dem Werk der US-amerikanischen Dichterin Emily Dickinson auseinander. Premiere ist am 14. August 2025 auf der Werkstattbühne.

Was ist deine Lieblingsbeschäftigung?

Das lässt sich unmöglich eingrenzen, aber wenn ich ganz allgemein antworten soll: vollkommen präsent zu sein.

Was ist einer deiner stärksten Charakterzüge?

Mein kämpferischer Optimismus.

Was ist deine größte Schwäche?

Meine Unfähigkeit „Nein“ zu sagen.

Was inspiriert dich am meisten?

Menschen und Institutionen, die für Menschenrechte kämpfen.

Welche Fehler entschuldigst du am ehesten?

Ich kann fast jeden Fehler verzeihen – aber Verrat wiegt schwer und lässt sich kaum überwinden.

Wenn du in eine andere Zeit reisen könntest, wohin würde es gehen?

Ich würde gerne in die Zukunft reisen, wo das Pendel wieder in Richtung Frieden ausschlägt.

Welches Talent würdest du gerne haben?

Ich würde gerne wie ein Adler fliegen können.

Was ist dein Motto?

„Die Liebe siegt“ zusammen mit „Nutze den Tag“.

Wann bist du vollkommen du selbst?

„Ich bemühe mich, immer ganz ich selbst zu sein – aber das gelingt mir vor allem, wenn ich vollkommen in Musik, Liebe oder Natur versinke.

Welchen Rat würdest du deinem jüngeren Ich geben?

Erkenne dein Wesen und vertraue auf deine Stärke.

Welche Person (lebendig oder tot) würdest du gerne auf einen Kaffee treffen?

Ich würde sehr gerne noch einmal mit meinem Vater zusammensitzen. Aber für ein richtiges Essen – nicht nur auf einen Kaffee.

Gibt es einen Traum, den du dir unbedingt noch erfüllen möchtest?

Ich habe das Gefühl, dass ich meinen Traum in vielerlei Hinsicht bereits lebe, aber ich würde gerne bald wieder einmal nach Afrika zurückkehren!

An welche Aufführung denkst du heute noch gerne zurück?

Die letzte Aufführung von EDEN in Warschau.

Was hilft deiner Stimme am besten für eine erfolgreiche Aufführung?

Ruhe!

Was ist für dich ein besonderer Moment, wenn du auf der Bühne stehst?

Die mystische Stille am Ende eines Liedes, in der niemand der Anwesenden den Zauber brechen möchte.

Was ist dein Ritual vor einem Auftritt?

Ich versuche immer, mich mit dem „Göttlichen“ zu verbinden, bevor ich die Bühne betrete.

Gibt es bestimmte Themen, die dir in deiner Arbeit besonders wichtig sind?

LIEBE! Basta!

In diesem Fragebogen verraten Menschen der Bregenzer Festspiele allwöchentlich Gedanken rund ums Leben – und sich selbst.


Die Bregenzer Festspiele 2025 finden von 16. Juli bis 17. August statt.
Tickets und Infos unter bregenzerfestspiele.com und Telefon 0043 5574 4076.