»Antigone« imponiert am Schauspiel Frankfurt

Antigone ~ Schauspiel Frankfurt ~ Antigone (Annie Nowak) ~ Foto: Birgit Hupfeld

Zuletzt gab es „Antigone“ am Schauspiel Frankfurt nur im Doppelpack. 2009 zeigte Michael Thalheimer das Stück gemeinsam mit „Ödipus“, 2014 Ulrich Rasche zusammen mit „Sieben gegen Theben“ (im Bockenheimer Depot).
Die aktuelle Neuinszenierung von Selen Kara (Co-Intendantin des Schauspiel Essen) verzichtet auf eine derartige Ergänzung. Sie fokussiert sich auf eine kompakte 75-minütige Fassung (in der Übersetzung von Simon Werle). Für ihren Blick auf den antiken Stoff hat sie jedoch noch Texte aus dem im vergangenen Jahr am Staatstheater Mainz uraufgeführten Drama „Ich, Antigone“ von Anna Gschnitzer eingebunden. Nicht viel, aber beispielsweise die Begegnung der Antigone mit ihrer Mutter Iokaste, die dabei u. a. die nicht leicht zu überschauende Familiensituation verdeutlicht.

Erhabene Optik und doch schlicht

Antigone ist kein leichter Stoff. Dabei geht es im Kern um einen Disput zwischen göttlichem und menschlichem Gesetz, um die Frage nach dem eigenen Gewissen und die Konsequenzen des eigenen Handelns. Verhandelt werden diese Fragen in mystisch anmutenden Bildern, mit viel Dunkelheit und Rauchschwaden. Die Bühne wurde dafür bis in die ersten Zuschauerreihen hinein verlängert.

Antigone
Schauspiel Frankfurt
Iokaste (Katharina Linder), Kreon (Arash Nayebbandi), Haimon (Miguel Klein Medina), Ismene (Viktoria Miknevich)
Foto: Birgit Hupfeld

Ein großes quadratisches Podest dient als Spielfläche, mit fest umrissenen Grenzen in Form von LED-Bändern. Im Hintergrund befindet sich ein großer quadratischer Rahmen. Ist es Kreons Königspalast der für Recht und Ordnung steht? Im Laufe des Abends rückt er in den Hintergrund, um dann gekippt die Figuren fast zu erdrücken. Eine gelungene Umsetzung eines bildlichen Ausdrucks, wie Menschen vom System erledigt werden (Bühne: Lydia Merkel).

Antigone
Schauspiel Frankfurt
Iokaste (Katharina Linder), Haimon (Miguel Klein Medina), Teresias (Michael Schütz), Ismene (Viktoria Miknevich), Antigone (Annie Nowak), Kreon (Arash Nayebbandi)
Foto: Birgit Hupfeld

Trotz geringer Stilmittel wirkt der Raum monumental und vermittelt dennoch eine kammerspielartige Nähe. Schwarz ist die Bühne, schwarz sind auch die Kostüme von Anna Maria Schories: bis knapp unter die Brüste reichende Röcke und Blusen im Mesh-/Spitze-Style. Dazu tragen alle lange blonde Haare, wodurch sie schon äußerlich den Figuren eine Einheitlichkeit verleihen.

Jugendliche Antigone

Nahbar wird das Stück nicht nur durch die hinzugefügten Texte Gschnitzers, sondern auch durch die hervorragenden Darsteller:innen. Die Titelpartie wurde mit Annie Nowak jung besetzt. Ihre die moralische Integrität wahrende Antigone hat eine renitente Attitüde mit Tiefe. Erhabenheit und eine prägnante Aussprache bietet Katharina Linder als Iokaste. Aufbrausend ist der die unbeugsame Staatsgewalt repräsentierende Kreon des Arash Nayebbandi. Diplomatisch gibt sich Kreons Sohn Haimon (Miguel Klein Medina), der versucht die Situation zu entschärfen. Aufrichtig und mahnend der Seher Teresias des Michael Schütz. Viktoria Miknevich ist eine auf Distanz zu Antigone gehende Ismene.
Sehr subtil untermalen Sounds das Geschehen (Musik: Torsten Kindermann, Uğur Köse), Spots fokussieren die Figuren (Licht: Marcel Heyde).

Für den gelungenen Transfer der Antike in die Gegenwart gab es bei der besuchten zweiten Vorstellung am Ende lang anhaltenden und kräftigen Beifall.

Markus Gründig, September 25


Antigone

Von: Sophokles

Premiere am Schauspiel Frankfurt: 20. September 25 (Schauspielhaus)
Besuchte Vorstellung: 21. September 25

In der Übersetzung von Simon Werle mit Texten aus dem Drama »Ich, Antigone« von Anna Gschnitzer

Regie: Selen Kara
Bühne: Lydia Merkel
Kostüme: Anna Maria Schories
Musik: Torsten Kindermann, Uğur Köse
Dramaturgie: Alexander Leiffheidt
Licht: Marcel Heyde

Besetzung:

Antigone: Annie Nowak
Ismene / Chor: Viktoria Miknevich
Kreon: Arash Nayebbandi
Haimon / Chor: Miguel Klein Medina
Teresias / Wächter / Chor: Michael Schütz
Iokaste / Chor: Katharina Linder

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