Speziell: »So langsam, so leise« am Schauspiel Frankfurt

So langsam, so leise ~ Schauspiel Frankfurt ~ Harald (Matthias Redlhammer), Karen (Amelle Schwerk) Foto: Jessica Schäfer
kulturfreak Bewertung: 4 von 5

Große Themen behandelt der Dramatiker Björn SC Deigner in seinem jetzt in den Kammerspielen des Schauspiel Frankfurt uraufgeführten Stück „So langsam, so leise“: Klimakatastrophe, Mensch-Tier-Beziehung und Demenz. Es entstand in enger Zusammenarbeit mit der Regisseurin Luise Voigt. Dabei handelt es sich um eine sehr spezielle Theaterarbeit, denn als weitere Ebenen sind „So etwas wie Regen“ und „Vielleicht ein Hund“ hier in Persona eingebunden.

Gleich zu Beginn legt die, einen Hut im Stil einer Wolke und mit langen Perlschnüren tragende Figur „So etwas wie Regen“ eine knapp 15-minütige, vom Butoh-Tanzstil geprägte Soloperformance hin (mit starker Präsenz: Nina Wolf; Choreografie: Minako Seki). Sie ist von einer düsteren Soundkulisse unterlegt, denn schwere und nicht enden wollende Unwetter ziehen durch die Gegend (Musik: Nicolas Hausmann), die von ihr visualisiert werden. Eine mindestens ebenso große Besonderheit ist, dass in der 100-minütigen Aufführung die Mehrheit des Textes zugespielt wird. Dabei ertönt überwiegend die Originalstimme der Figuren. Dies führt zu einem intensiveren Betrachten des Geschehens.

So langsam, so leise
Schauspiel Frankfurt
So etwas wie Regen (Nina Wolf)
Foto: Jessica Schäfer

Mit Behutsamkeit und Feingefühl

Die Geschichte des ehemaligen Historiker-Professors Harald mit Faible für die ehemaligen Donau-Völker (tiefgehend: Matthias Redlhammer), dessen Demenz sich von Szene zu Szene steigert, wird mit Behutsamkeit und Feingefühl erzählt. Er hat für ein paar Tage seine erwachsene Tochter Karen (emphatisch: Amelle Schwerk) zu Besuch. Ihre Beziehung zueinander ist angespannt, wie ihre beider persönlichen Leben ebenso. Wie ein Ablenker/Erlöser springt die Figur „Vielleicht ein Hund“ (lebhaft tanzend: Max Levy; Stimme: Melanie Straub) ab und an durch die Szenerie.

So langsam, so leise
Schauspiel Frankfurt
Vielleicht ein Hund (Max Levy), Harald (Matthias Redlhammer), Karen (Amelle Schwerk)
Foto: Jessica Schäfer

Die Bühne zeigt einen Wohnraum mit Kochnische und Büro im Haus von Harald, das er einst selbst an einem Hang in einem kleinen Dorf gebaut hat. Nun droht der Dauerregen, das Fundament des Hauses zu unterspülen. Das ist gleichzeitig auch bildlich zu verstehen: Ob der Katastrophen unserer Zeit wird der Welt der Boden unter den Füßen weggezogen.

Der Raum verjüngt sich perspektivisch nach hinten, er wirkt klaustrophobisch und depressiv. Der Zahn der Zeit nagt an dem Haus, die grauen Tapeten beginnen sich bereits durch die eindringende Feuchtigkeit von den Wänden zu lösen. Der Dauerregen im Dorf lässt nicht erkennen, ob es Morgen, Mittag oder Abend ist. So ist der Raum mit nur einem Fenster die ganze Zeit über karg ausgeleuchtet. Super-8-Filmprojektionen laufen im Hintergrund, sie zeigen assoziative Bilder der Figuren zu früheren Zeiten (Ausstattung: Maria Strauch; Video und Musik: Nicolas Haumann; Licht: Jan Walther).

Der Abend stimmt nachdenklich: Wo kommen wir her, wo gehen wir hin? Klar ist nur: Wir wissen viel weniger, als wir denken.

Intensiver, lang anhaltender Beifall.

Markus Gründig, September 25


So langsam, so leise

Von: Björn SC Deigner
Premiere / Uraufführung: 13. September 25 (Kammerspiele)

Regie: Luise Voigt
Ausstattung: Maria Strauch
Video und Musik: Nicolas Haumann
Choreographie: Minako Seki
Dramaturgie: Lukas Schmelmer
Licht: Jan Walther

Besetzung:

Die Tochter, Karen: Amelle Schwerk
Der Vater, Harald: Matthias Redlhammer
So etwas wie Regen: Nina Wolf
Vielleicht ein Hund: Max Levy (Tanz), Melanie Straub (Stimme)

Die nächsten Vorstellungen: 14./20./22./27. September

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