Schauspiel Frankfurt blickt auf »Yvonne, die Burgunderprinzessin« von Witold Gombrowicz

Yvonne, die Burgunderprinzessin ~ Schauspiel Frankfurt ~ Ensemble ~ Foto: Birgit Hupfeld
kulturfreak Bewertung: 4 von 5

Bereits zum Auftakt der Spielzeit 2019/20 sollte am Schauspiel Frankfurt Witold Gombrowicz´ Stück Yvonne, die Burgunderprinzessin im Schauspielhaus gezeigt werden. Wegen schwerer Krankheit der slowenischen Regisseurin Mateja Koležnik, die 2018 den österreichischen NESTROY-Theaterpreis erhielt, wurde die Inszenierung auf Januar 21 verschoben. Dann kam aber Corona und die Theater mussten über sieben Monate schließen. Im dritten Anlauf hat es mit Mateja Koležniks erster Arbeit in Frankfurt jetzt endlich geklappt. Sicherlich für alle Beteiligte eine Erleichterung, haben sie sich doch drei Jahre darauf vorbereitet.

Wie wird mit Minderheiten umgegangen?

Witold Gombrowicz zählt zu den bedeutendsten polnischen Schriftstellern. Er schrieb vier Romane, drei Schauspiele, Novellen und vieles mehr. Immer wieder geht es bei ihm um die Unreife, so auch bei Yvonne, die Burgunderprinzessin. Das surreale Traumspiel ist eine Groteske, die die Macht und Willkür des Begehrens thematisiert. Boris Blacher hat die Geschichte 1973 zu einer Oper vertont.

Eine unschuldige Person wird Opfer einer ihren Status Quo sichernden, mordenden Gemeinschaft. Der Mord wird mit einer perfiden Idee durchgeführt, sodass er wie ein Unglück ausschaut.
Gombrowicz (1904 – 1969) lehnte stets eine gesellschaftspolitische Interpretation ab. In unserer heutigen Zeit drängt sich aber die Frage gerade zu auf, wie mit Minderheiten umgegangen wird. Beispiel Migranten: An welchem Punkt hört die Bereitschaft zur Unterstützung auf, wenn diese sich einer Integration nach unseren Vorstellungen verweigern? Auch die Diskussion auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse um die Präsenz eines rechten Verlags (der innerhalb der gesetzlich zulässigen Weise arbeitet), weckt die Frage, wo (politische) Toleranz ihre Grenze hat.

Yvonne, die Burgunderprinzessin
Schauspiel Frankfurt
Prinz Philipp (Torsten Flassig), König Ignaz (Peter Schröder), Kammerherr (Christoph Pütthoff)
Foto: Birgit Hupfeld

Ein Auge als Bühnenbild

Mit dem Stück Yvonne, die Burgunderprinzessin stellte sich Mateja Koležnik 2012 am Theater Chemnitz erstmals in Deutschland vor. Ihre Neuinszenierung am Schauspiel Frankfurt ist ein deutliches Plädoyer für eine empathische Gesellschaft, verpackt in ein unbeschwert wirkendes Spiel und herausragender optischer Eindrücke.
Parklandschaften und Schlossgemächer sucht man in Raimund Orfeo Voigts Bühne vergeblich. Diese verzichtet auf eine konkrete Verortung und besticht mit einer kühlen, schlichten Ästhetik (womit sie entfernt an den Stil von Robert Wilson erinnert). Beherrschendes Element ist ein frei stehender großer, begehbarer Ring mit einer Scheibe in der Mitte, die sich nach oben und unten bewegt. Darüber schwebt ein ellipsenförmiger Leuchtkörper, der als Linse gesehen werden kann. Die Scheibe und den Ring kann man sich sehr gut als überdimensionales Auge vorstellen. So spiegelt Koležnik das Ich des Zuschauers schon im Blick auf die Bühne.

Yvonne, die Burgunderprinzessin
Schauspiel Frankfurt
Prinz Philipp (Torsten Flassig), Isa (Sarah Grunert)
Foto: Birgit Hupfeld

Unisonoer, illustrer Hofstaat

Der Hofstaat ist ein illustres Völkchen, dass man schon vom Äußeren nicht wirklich ernst nehmen kann. Alle tragen weite, bis zu den Knien reichende unifarbene Roben mit viel Tüll, dazu Halskrausen und Turmfrisuren, nur die Gesichtspartien sind zu sehen. Wenn die Stimmung gegen die neue Geliebte des Prinzen zu kippen beginnt, erscheinen sie ohne Roben ganz in schwarz, ihrer Seele entsprechend. Zum Finale, wenn das Übel beseitigt ist, nehmen sie in ihren bunten Roben respektvoll Abschied von ihr (Kostüme und Choreographie: Matija Ferlin). Sie ist die Einzige, die optisch mit bräunlicher Hose und dünnem Pullover aus der Rolle fällt. Die sie begleitenden beiden Tanten wurden hier gestrichen (wie auch Bettler und Würdenträger). So steht Manja Kuhl, seit dieser Spielzeit festes Ensemblemitglied am Schauspiel Frankfurt, ganz alleine als Yvonne im Zentrum aller Blicke. Trotz aller in der Figur liegenden Zurückhaltung und Verschwiegenheit, ist sie sehr präsent. Was auch auf die sieben Mitglieder des Hofstaats gilt. Peter Schröder als zunächst gutgläubiger König Ignaz, Katharina Linder als dessen dichtende Frau Margarethe. Forsch tritt der Prinz Philipp des Torsten Flassig in Erscheinung. Etwas besonnener zeigen sich der Kammerherr (Christoph Pütthoff), der Freund vom Prinzen, Cyrill, (Stefan Graf) und der Diener Valentin (Max Böttcher). Verführerisch gibt sich die Hofdame Isa der Sarah Grunert.

Markus Gründig, Oktober 21


Yvonne, die Burgunderprinzessin

(Iwona, księżniczka Burgunda)

Komödie in 4 Akten

Von: Witold Gombrowicz
Entstanden: 1935
Deutsch von: Heinrich Kunstmann

Uraufführung: 9. September 1957 (Warschau, Dramatyczny-Theater)
Deutschsprachige Erstaufführung: 17. Dezember 1964 (Dortmund, Städtische Bühnen Dortmund)

Premiere am Schauspiel Frankfurt: 22. Oktober 21 (Schauspielhaus)
Besuchte Vorstellung: 23 Oktober 21

Regie: Mateja Koležnik
Bühne: Raimund Orfeo Voigt
Mitarbeit Bühne: Andrej Rutar
Kostüme und Choreographie: Matija Ferlin
Musik: Malte Preuss
Dramaturgie: Alexander Leiffheidt

Besetzung:

Yvonne: Manja Kuhl
König Ignaz: Peter Schröder
Königin Margarethe: Katharina Linder
Prinz Philipp: Torsten Flassig
Kammerherr: Christoph Pütthoff
Isa: Sarah Grunert
Cyrill: Stefan Graf
Valentin: Max Böttcher

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