Enormer Spaß bei der Musical-Comedy »Something Rotten!« am English Theatre Frankfurt

Something Rotten! ~ English Theatre Frankfurt ~ Ensemble ~ © Martin Kaufhold

Noch ist die Mietsituation für das English Theatre Frankfurt (ETF) ungeklärt. Die Räumungsklage läuft noch. Doch zeichnet sich inzwischen eine Lösung für die Zukunft ab. Die Europäische Zentralbank, ein langjähriger Sponsor des Theaters, will das gesamte Haus (Galileo-Tower) anmieten. Die Stadt Frankfurt will sodann die Flächen für das Theater von der EZB anmieten und an das English Theatre untervermieten. Das 2003 eröffnete Gebäude soll aber zunächst saniert werden. Für den Sanierungszeitraum muss dann noch eine Ausweichspielstätte für das ETF gefunden werden.

Während im Hintergrund die Verhandlungen laufen, fand jetzt die Premiere des Musicals Something Rotten! statt. Es steht bis Ende März 2024 auf dem Spielplan. Das ETF zeigt es als Deutsche Erstaufführung. Zur Premiere waren auch wieder zahlreiche Generalkonsule erschienen, darunter Norman Thatcher Scharpf, der seit August 2021 das US-Generalkonsulat Frankfurt leitet. Mit seiner Frau hat er seit seinem Dienstbeginn in Frankfurt keine Produktion des ETF versäumt. Angesichts der aktuellen Krisen (wie Israel/Palästina ~ Ukraine/Russland) verwies er in seiner kurzen Begrüßungsrede, dass Theater Orte sind, die Menschen zusammenbringt.

Something Rotten!
English Theatre Frankfurt
Shakespeare (Matt Beveridge)
© Martin Kaufhold

Omelette statt Hamlet

Seine umjubelte Broadway-Premiere hatte Something Rotten! 2015. Drei Jahre später folgte die europäische Erstaufführung an der Wermland Opera im schwedischen Karlstad. Selbst das Londoner Westend wartet noch auf eine Aufführung. Dabei gehört es eigentlich unbedingt dorthin. Denn es spielt in London. Dort blühte 1595 das Elisabethanische Theater. Der wichtigste Vertreter davon: William Shakespeare. Doch es gibt neben ihm auch viele andere Dramatiker, meist zweitrangige. Wie die Brüder Nigel und Nick Bottom (benannt nach dem Weber Bottom aus Shakespeares Ein Sommernachtstraum). Sie brauchen unbedingt einen Erfolg. Auf ihrer verzweifelten Suche erhält Nick vom Wahrsager Nostradamus den Tipp, ein Musical zu schaffen. So etwas hat es noch nie gegeben. Als Stoff sieht Thomas Nostradamus visionär den größten Erfolg Shakespeares: Omelette. Also machen die beiden sich dran, das Musical zu verwirklichen. Dass es floppt, ist kein Wunder, schließlich ist es nicht die wahre Rachetragödie um den dänischen Prinzen Hamlet und Thomas ist nur der Neffe des großen Sehers Michel Nostradamus. Shakespeare bleibt somit der unumstrittene „The Bard of Avon“. Der Stücktitel spielt unmittelbar auf Hamlet an („Something is rotten in the state of Denmark“).

Something Rotten!
English Theatre Frankfurt
Nigel Bottom (Sami Kedar), Portia (Briana Kelly)
© Martin Kaufhold

Ein rasantes Musical

Die Autoren John O’Farrell, Wayne und Karey Kirkpatrick haben mit Something Rotten! ein rasantes Musical geschaffen, dass unaufhörlich Referenzen zu etlichen anderen Musicals bietet. In den Songs, den Texten, dem Bühnenbild und der Choreografie gib es Anspielungen zu Musicals (wie zu A Chorus Line, Cats, Cabaret, Fiddler on the Roof und vielen mehr). Dabei ist die Musik von Something Rotten! kein Eklektizísmus. Die schmissigen und eingängigen Songs (wie „Welcome to the Renaissance“, „God, I Hate Shakespeare“ oder „A Musical“) sind originell und vielseitig. Wie auch verschiedene Musikstile anklingen.

Für den Regisseur und Choreografen Ewan Jones ist dies die zweite Arbeit für das ETF. In der vergangenen Spielzeit inszenierte er hier das Musical Sister Act. Die Besetzung ist groß: 14 Darsteller:innnen sind auf der Bühne. Es gibt große Ensemblenummern mit schönen Tanzszenen.

Something Rotten!
English Theatre Frankfurt
Ensemble
© Martin Kaufhold

Verfremdete Musicaltitel

Eine kreisrund angeordnete Fachwerkhausfront versetzt schnell in zurückliegende Zeiten. Zugleich verweist die Bühne von Stewart J. Charlesworth auch dezent auf das Globe Theater am Südufer der Themse. Und auch im Bühnenbild wird die Musicalwelt gespiegelt. Für die große Ensemblenummer „Make an Omelette“ leuchten in der Häuserfassade ganz im Stil von 42nd Street die Namen bekannter Musical auf, natürlich leicht verfremdet (wie „Yolk La Homa!“, „Scrambelelot“, „Caroshell“ oder „Lay Miserables“).
Selbst die Vorhänge wurden detailverliebt gestaltet. Die aufwendig erstellten Kostüme stellen ebenfalls einen Bezug zum Mittelalter her. Sie ähneln denen der Broadway-Produktion (Kostüme: auch Stewart J. Charlesworth). Hier fallen besonders die Hosen der Männer mit ihren auf Schamkapseln anspielenden Aufsätzen auf.

Something Rotten!
English Theatre Frankfurt
Nick Bottom (Greg Miller Burns)
© Martin Kaufhold

Starke Ensembleleistung und charismatischer Greg Miller Burns als Nick Bottom

Von den kleinen bis zu den großen Rollen: Die von Marc Frankum in London gecasteten Musicaldarsteller:innen sprühen nur so vor Energie und Leidenschaft. Überaus präsent und stimmlich sicher reißen sie das Publikum mit. Dafür sorgt auch Mal Hall als Leiter der Live-Band (die leider hinter der Bühne spielt).

Im Mittelpunkt der Handlung steht der ehrgeizige Nick Bottom. Greg Miller Burns gibt ihn charismatisch und facettenreich. Nicks für die damalige Zeit überaus modern eingestellte Ehefrau Bea verleiht Rachael Archer ein authentisch wirkendes Profil. Sie ist die Einzige aus der Besetzung, die bereits einmal im English Theatre Frankfurt zu erleben war (2006 in City of Angels). Bea kämpft für die Rechte der Frauen, weiß trotz kleinem Budget ein Essen auf den Tisch zu stellen und sorgt für den Unterhalt. Den zweifelnden und Shakespeare verehrenden Nigel Bottom gibt Sami Kedar mit viel Sympathie. Seine große Liebe Portia verkörpert Briana Kelly voller Hingabe. Ihr Vater, der strenge Puritaner Brother Jeremiah (vehement: Bradley Adams) ist natürlich gegen diese Verbindung, wie auch gegen Vergnügen und Singen. Den erfolgsverwöhnten Superstar Shakespeare gibt selbstsicher Matt Beveridge. Sehr einnehmend ist der agile Nostradamus des Tom Watson. Die Figur des Shylock, entlehnt aus Shakespeares Drama Der Kaufmann von Venedig, ist auch hier ein Geldverleiher. Aber er ist auch ein besessener Theaterfreak, der gerne Nick Bottom und seine Truppe finanziell unterstützt und nur zu willig darin mitwirkt (enthusiastisch: Jonathan Norman). Dazu in weiteren Rollen strahlend dabei: Bethany Amber-Wilde (Viola), William Beckerleg (Tom Snout), Estelle Denison-French (Rosalind; auch Dance Captain), Liam Huband (Robin Starveling), Chris Tarsey (Lord Clapham) und Myles Waby (Peter Quince).

Am Ende lang anhaltender und kräftiger Applaus (mitsamt stehenden Ovationen) für ein Stück, dass man sich gerne auch ein zweites Mal anschauen kann.

Markus Gründig, November 23


Something Rotten!

Musik: Karey Kirkpatrick / Wayne Kirkpatrick
Liedtexte: Karey Kirkpatrick / Wayne Kirkpatrick
Buch: Karey Kirkpatrick / John O’Farrell

Broadway-Premiere: 22. April 2015 (St. James Theater)
Deutsche Erstaufführung: 17. November 2023 (Frankfurt/M, English Theatre)

Premiere am English Theatre Frankfurt: 17. November 23
Spielzeit bis 31. März 24

Director / Choreographer: Ewan Jones
Musical Director: Mal Hall
Set & Costume Designer: Stewart J. Charlesworth
Lighting Designer: Jamie Platt
Sound Design: David Sidnev
Casting Director: Marc Frankum CDG

Cast (in alphabetical order):

Brother Jeremiah / Resident Director: Bradley Adams
Viola: Bethany Amber-Wilde
Bea: Rachael Archer
Tom Snout: William Beckerleg
Shakespeare: Matt Beveridge
Rosalind / Dance Captain: Estelle Denison-French
Robin Starveling: Liam Huband
Nigel Bottom: Sami Kedar
Portia: Briana Kelly
Nick Bottom: Greg Miller Burns
Shylock: Jonathan Norman
Lord Clapham: Chris Tarsey
Peter Quince: Myles Waby
Nostradamus: Tom Watson

english-theatre.de