Himmlisches Musical »Sister Act« mit ansteckender Fröhlichkeit bei den Burgfestspielen Bad Vilbel

Sister Act ~ Burgfestspiele Bad Vilbel ~ Schwester Mary Lazarus (Annette Lubosch), Schwester Mary Clarence (Tamara Wörner), Schwester Mary Patrick (Theresa Christahl) ~ © Eugen Sommer

Nicht immer versetzt ein Stück das Publikum von Anfang an in helle Begeisterung. Bei der Premiere des Musicals Sister Act bei den Burgfestspielen Bad Vilbel war dies jedoch der Fall. Es wurde als Ersatz für das ursprünglich angekündigte Musical Hairspray in den Spielplan aufgenommen. Die Wahl stellt zweifelsohne einen Glücksfall dar: Das Premierenpublikum zollte begeisterten Zwischen- und Schlussapplaus, bei vielen Nummern wurde herzhaft mitgeklatscht. Ein großer Erfolg, nicht zuletzt dank Tamara Wörner in der Hauptrolle als Nachtklubsängerin Deloris van Cartier / Schwester Mary Clarence.

Musik von Koryphäe Alan Menken

Das temporeiche Musical profitiert von dem gleichnamigen Kinofilm aus 1992 (mit Whoopi Goldberg in der Hauptrolle), dem es in der Handlung weitestgehend folgt. Film und Musical erzählen die Geschichte einer Sängerin aus zwielichtigen Kreisen, die als Zeugin eines Mordes zu ihrer eigenen Sicherheit bis zum Prozessbeginn in einem katholischen Nonnenkloster untergebracht wird und dort die Schwesternschaft und den Chor ordentlich auf Touren bringt.
Die Musik des Musicals stammt von Koryphäe Alan Menken (* 1949). Er komponierte bereits u. a. die Musik für die Musicals Der kleine Horrorladen, Disneys Die Schöne und das Biest, Der Glöckner von Notre Dame und Aladdin, sowie für viele große Filme (für die er acht Oscars erhielt). Zwar hat seine Musik keinen Bezug zur Musik des Films. Es gibt also beispielsweise kein „I Will Follow Him“. Dafür treffen bei ihm emotionsvoller Soul und mitreißender Gospel auf klassischen liturgischen Chorgesang.

Sister Act
Burgfestspiele Bad Vilbel
Ensemble
© Eugen Sommer

Bewährtes Inszenierungsteam adaptiert »Sister Act« hervorragend

In den Sommern 2018 und 2019 begeisterte die Komödie mit sehr viel Musik Maria, ihm schmeckt’s nicht! bei den Burgfestspielen Bad Vilbel das Publikum. Dasselbe Inszenierungsteam sorgte nun auch bei Sister Act für einen Erfolg.
Regisseur Christian H. Voss führt mit sicherer Hand und vielen Ideen durch die actionreiche Geschichte. Das Live-Orchester spielt unter der musikalischen Leitung von Philipp Polzin einen mitreißenden Sound. Choreografin Kerstin Ried lässt keine Gelegenheit aus, Szenen schwungvoll mit sexy und/oder lustigen Posen umzusetzen. Beherrschende Elemente von Claus Stumps Bühne sind sechs ovale bewegbare Bögen. Sie können als Nachtklub-Separees und als sakrale Andachtsräume gesehen werden. Im Zentrum befindet sich ein großer ovaler Bogen, mit einem angedeuteten Auge, dessen Linse ein Herz darstellt. Gottes Liebe wacht sozusagen über allem. Die weltlichen Kostüme orientieren sich an den 1970er, der Handlungszeit des Musicals. Die schwarzen Trachten der Nonnen erhalten für das Finale glitzernde Überwürfe (Kostüm: Monika Seidl).

Sister Act
Burgfestspiele Bad Vilbel
Deloris van Cartier (Tamara Wörner) und Ensemble
© Eugen Sommer

Tamara Wörner und das Ensemble glänzen in allen Szenen

Sei es im roten Glitzerkleidchen (nebst roten Stiefeln mit hohen Absätzen) oder in nüchterner schwarzer Nonnentracht: Tamara Wörner gibt die Hauptfigur mit viel Herz und Charisma. Ihre ausdrucksstarke und dunkel gefärbte Stimme passt ideal (u. a. bei „Zeig mir den Himmel“).
Die überwiegend noch recht jungen Nonnen sind mit großer Hingabe dabei, weshalb der Funken zum Publikum sofort überspringt. Herausragend insbesondere Sonja Hermann als besorgte und verantwortungsvolle Mutter Oberin („Hier an diesem Ort“), Annette Lubosch als strenge und eigenwillige Schwester Mary Lazarus („Zeig mir den Himmel“) und Janice Rudelsberger als Postulantin Schwester Mary Robert („Die Welt, die ich nie sah“). Corona-bedingt ist die Besetzung des Chores dieses Jahr reduziert. Der die Schwesternschaft bereichernde belVoce Chor singt bei drei Ensemble-Nummern würdevoll von der Empore.

Raphael Köb verleiht dem schmierigen und unter Druck stehenden Nachtklubeigentümer Curtis viel Biss („Ich mach sie kalt“), Boris Böhringer gibt mit Leidenschaft den Chef der Polizeistation („Fabelhaft Baby“). Der gebürtige farbige US-Amerikaner Julius Williams ist nicht nur als Gangster Ernie und Taxifahrer, sondern auch als Papst zu erleben. Eines von vielen Merkmalen der auf Diversität und Pluralismus setzenden Inszenierung. Monsignore O´Hara (spaßig: Theodor Reichardt) hat teilweise einen Umhang an, den eine große AIDS-Schleife ziert. Am Ende strahlt der Himmel in den Farben des Regenbogens und das Publikum jubelt.

Markus Gründig, Juni 21


Sister Act – Ein himmlisches Musical-Vergnügen

Musik: Alan Menken
Gesangstexte: Glenn Slater
Buch: Cheri Steinkellner & Bill Steinkellner
Mitarbeit am Buch: Douglas Carter Beane
Buch-Übersetzung: Werner Sobotka und Michaela Ronzoni
Deutsche Liedtexte: Kevin Schroeder und Heiko Wohlgemuth

Uraufführung: 24. Oktober 2006 (Pasadena/USA, Pasadena Playhouse)
Westend-Premiere: 2. Juni 2009 (London, Palladium Theatre)
Broadway-Spielzeit: 20. April 2011 – 26. August 2012 (Broadway Theatre)
Deutschsprachige Erstaufführung: 2. Dezember 2010 (Hamburg, Stage Operettenhaus)

Premiere bei den Burgfestspielen Bad Vilbel: 18. Juni 21

Regie: Christian H. Voss
Musikalische Leitung: Philipp Polzin
Choreographie: Kerstin Ried
Bühne: Claus Stump
Kostüm: Monika Seidl
Dramaturgie: Angelika Zwack
Regieassistenz: Sonja Geiger

Besetzung:

Deloris van Cartier (Nachtclubsängerin); inkognito als Schwester Mary Clarence: Tamara Wörner
Mutter Oberin: Sonja Hermann
Schwester Mary Robert: Janice Rudelsberger
Schwester Mary Patrick: Theresa Christahl
Schwester Mary Lazarus: Annette Lubosch
Schwester Mary Nirvana; Michelle (Backgroundsängerin): Lorena Mazuera Grisales
Schwester Mary Theresa; Tina (Backgroundsängerin): Ruth Fuchs
Monsignore O’Hara; Polizist: Theodor Reichardt
Curtis (Nachtclubeigentümer, Gangster und Deloris‘ Freund): Raphael Köb
Eddie Souther (Chef der Polizeistation und Schulfreund von Deloris): Boris Böhringer
TJ (Curtis‘ Neffe und Gangster): Krisha Dalke
Joey (Gangster): Lukas Schwedeck
Pablo (Gangster): Tobias Georg Biermann
Ernie (Gangster und Polizeispitzel); Taxifahrer: Julius Williams
Ensemble: Lisa Radl | Vanessa Weiskopf
Chor: belVoce

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