»Der nackte Wahnsinn« bei den Burgfestspielen Bad Vilbel

Der nackte Wahnsinn ~ Burgfestspiele Bad Vilbel ~ Poppy (Alice von Lindenau), Garry (Steffen Weixler), Belinda (Silke Buchholz), Frederick (Weidlich) ~ © Eugen Sommer
kulturfreak Bewertung: 4 von 5

Angesichts hoher Inzidenzwerte war im Frühjahr eine solide Planung für die Burgfestspiele Bad Vilbel unmöglich. Schließlich wurde vom RKI noch Anfang Mai ein Absinken der 7-Tages Inzidenz auf einen Wert von 50 erst für Ende Juni prognostiziert. Doch dann purzelten die Zahlen stärker als angenommen und machten vieles schneller wieder möglich bzw. einfacher. Innerhalb kurzer Zeit schafften die Burgfestspiele Bad Vilbel für den Sommer ein vielseitiges und volles Programm zusamenzustellen.

Anders als im vergangenen Corona-Sommer konnte im Hof der Vilbeler Burg wieder die große überdachte Zuschauertribüne errichtet werden. Diese ist gegenwärtig mit deutlich weniger Sitzplätzen ausgestattet. Die Sitzverhältnisse sind großzügiger als üblich (zusätzlich gibt es Trennwände aus Glas und mehr Abstand). Es gelten die AHA-Regeln, ein Test wird lediglich empfohlen.

Der nackte Wahnsinn
Burgfestspiele Bad Vilbel
Belinda (Silke Buchholz), Selsdon (Andreas Krämer), Poppy (Alice von Lindenau), Dotty (Britta Hübel), Lloyd (Andreas Krämer
© Eugen Sommer

Ein Frauentrio setzt die Farce energetisch um

Den Comedian Harmonists folgte jetzt Michael Frayns Farce Der nackte Wahnsinn. Die populäre Komödie war bereits 2003 bei den Burgfestspielen zu sehen. Für die neue Inszenierung zeichnet ein reines Frauentrio verantwortlich: Adelheid Müther (Regie), Kathrin Kegler (Bühne) und Marie-Therese Cramer (Kostüme).

Sie zeigen das Chaos einer Generalprobe und die nachfolgenden Aufführungen einer Theatergruppe mit einem auftrumpfenden Ensemble mit dem notwendigen rasanten Tempo. Letzteres steigert sich von Szene zu Szene. Der Clou des Stücks ist, dass die sich wiederholenden Aufführungen aus mehreren Perspektiven gezeigt werden. Dabei geht es stets um den 1. Akt der fiktiven Komödie „Nackte Tatsachen“. Mit Ansicht auf die Bühne (Wohnzimmer, Innentreppe und eine Galerie mit vier Türen) und mit einem Blick hinter die Fassade/Kulisse, funktioniert dieser Wechsel dank Drehbühne rasch. Die meisten Darsteller sind dementsprechend doppelt zu erleben. In ihren Rollen als Schauspieler der Komödie und als „normale“ Menschen hinter den Kulissen. Sein und Schein der Theaterwelt und viel zwischenmenschlichen Gefühle werden bei diesem Stück mit viel Humor zur Schau gestellt.

Herausragender Steffen Weixler

All dies ist für die DarstelerInnnen eine große Herausforderung, wechseln sie doch ständig zwischen ihren Rollen hin und her. Britta Hübel besticht als leicht verschrobene und vergessliche Dotty/Haushälterin Mrs. Clackett (die alle mit Schätzchen anspricht), Friederike Nölting als pflichtbewusste und sexy Finanzbeamtin Vicki mit Piepsstimme, die zugleich immer wieder ihre Kontaktlinsen verliert und dann nichts mehr sehen kann.

Mit trockenem Humor kontert der Steuerflüchtling und Hausherr Philip Brent des Volker Weidlich, bei dem die Konfrontierung mit Gewalt zu Nasenbluten führt. Großes Einfühlungsvermögen zeigt die unaffektierte und klatschfreudige Favia Brent der Silke Buchholz. Selsdons Trunkenheit wird hier mehr angedeutet, als von Andreas Krämer tatsächlich gegeben, dafür sorgt er mit seinem schlechten Timing für große .

Den anspruchsvollen und entnervten Regisseur Lloyd, der lieber Shakespeare inszenieren würde und gleichzeitig mit Poppy und Vicki ein Verhältnis hat, gibt voller Elan Julian Keck. Alice von Lindenau kann sich als Regieassistentin Poppy von Szene zu Szene steigern, ebenso Peter Alsbers als Regieasistent Tim. Den größten Einsatz zeigt, nicht zuletzt auch körperlich, Steffen Weixler als Chaos stiftender Immobilienmakler Roger und als mega eifersüchtiger Garry.
Am Ende ist das Chaos perfekt, die letzte Vorstellung gerät vollkommen aus dem Ruder. Am Ende viel Applaus für diesen großen Slapstick-Abend, in dem natürlich mehr wie ein Funke Wahrheit schlummert.

Markus Gründig, Juni 21


Der nackte Wahnsinn

(Noises Off)

Komödie von: Michael Frayn
Uraufführung: Februar 1982 (London, Lyric Theatre Hammersmith)
Deutsche Erstaufführung: Oktober 1983 (Wiesbaden, Hessisches Staatstheater Wiesbaden)

Premiere bei den Burgfestsielen Bad Vilbel: 10. Juni 21
An ausgewählten Termine weitere Vorstellungen bis zum 29. August 2021

Regie: Adelheid Müther
Bühne: Kathrin Kegler
Kostüme: Marie-Therese Cramer
Dramaturgie: Angelika Zwack
Regieassistenz: Clemens Miersch

Besetzung:

Dotty Otley / Mrs. Clackett: Britta Hübel
Garry Lejeune / Roger Tramplemain: Steffen Weixler
Brooke Ashton / Vicki: Friederike Nölting
Frederick Fellowes / Philip Brent/Scheich: Volker Weidlich
Belinda Blair / Flavia Brent: Silke Buchholz
Selsdon Mowbray / Einbrecher: Andreas Krämer
Lloyd Dallas, Regisseur: Julian Keck
Poppy Norton-Taylor , Regieassistentin: Alice von Lindenau
Tim Allgood, Inspizient: Peter Albers

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