Englische Posse »Die Piraten von Penzance« setzt das Publikum am Staatstheater Mainz in Hochstimmung

Die Piraten von Penzance ~ Staatstheater Mainz ~ Frederic (Mark Watson Williams), Piratenkönig (Brett Carter), Samuel (Dennis Sörös) und Opernchor ~ © Andreas Etter

Die Namen William Schwenck Gilbert und Arthur Sullivan sind manch einem vielleicht schon einmal begegnet. Werke der beiden Briten wahrscheinlich sehr viel weniger. In England und den USA sind sie seit dem 19. Jahrhundert bekannt und populär. Immerhin ihre Operette Die Piraten von Penzance taucht dann doch ab und an auf deutschen Spielplänen auf. Wie zuletzt in Nürnberg und Wuppertal/Leipzig. Am Staatstheater Mainz hat nun der leitende Regisseur des Hauses, K.D. Schmidt, das ausgesprochen heitere Werk schwungvoll im Großen Haus umgesetzt. Das Premierenpublikum zeigte sich beim Schlussapplaus überaus begeistert.

Abstruses satt bei diesem beschwingten Singspiel

Seit 1871 bildeten der Komponist Sir Arthur Seymour Sullivan (1842 – 1900) und der Librettist William Schwenck Gilbert (1836 – 1911) ein Erfolgsduo. Ihre Namen wurden schnell zur Marke „Gilbert und Sullivan“. Die Stilrichtung ihrer Operetten sind am ehesten mit dem deutschen Singspiel zu vergleichen. Sie behandeln exotische und aktuelle Themen der damaligen Zeit, die in Teilen auch heute noch relevant sind. Ein stringentes Libretto darf man bei Gilbert nicht unbedingt erwarten. Eher das Gegenteil. Er wirkt wie ein Vorbote der Komikergruppe Monty Python. Auch die Geschichte von Die Piraten von Penzance steht abseits üblicher Libretti. Sie wartet mit zahlreichen Abstrusen und Unglaubwürdigen auf. Herzstück sind die Wortspielereien Gilberts. In der deutschen Übersetzung von Inge Greiffenhagen und Bettina von Leoprechting kommen diese zwar nicht so stark wie im Original zur Geltung. Allerdings wäre eine Aufführung im englischen Original vermutlich nur für Muttersprachler vollends verständlich.
Sullivans Musik zeichnet sich durch eine farbige Instrumentation und unkonventionelle Rhythmisierung der Gesangsmelodien aus. Der waschechte Brite Samuel Hogarth am Pult und das Philharmonische Staatsorchester Mainz sorgen genüsslich für einen typisch britischen Klang und versetzen das Publikum schon rein musikalisch in eine besondere Atmosphäre.

Die Piraten von Penzance
Staatstheater Mainz
Ensemble
© Andreas Etter

Paradoxa durchziehen nicht nur das Werk, sondern auch die Inszenierung

Regisseur K.D. Schmidt erzählt die wundersame Geschichte des Piratenlehrlings Frederic nah am Original und verzichtet weitestgehend auf eine Aktualisierung. So ist seine Umsetzung überraschend konventionell. Dafür hat er sie mit vielen ausgefallenen und heiteren Ideen versehen. Das fängt schon bei der Ouvertüre an. Ein junger Mann tritt währenddessen vor den Bühnenprospekt, der eine Schatzkarte andeutet und begleitet mit seinen Körperbewegungen die Musik. Wobei es keine Karte ist, befindet sich doch nur in großen Lettern der Stücktitel, Linien, die das Meer andeuten, eine schwimmende Flasche und eine Segelschiffminiatur sowie ein aufgemalter Schalter („Licht“) darauf. Imposant und mehrdeutig ist dann das erste Bild: Ein großes Segelschiff ist in Penzance angekommen – inmitten eines Raums, quasi wie ein Auto, das eine Hausmauer durchbrochen hat. Dass dies ein Schiff tut, kommt nun wirklich sehr selten vor. Aber Paradoxa durchziehen nicht nur das Werk, sondern auch die Inszenierung. Ob es sich bei diesem Raum um einen Innen- oder Außenraum handelt, ist nicht eindeutig zu erkennen. Die Wandleisten deuten auf einen Innenraum hin, die Wände mit ihren blauen Himmelmotiven eher auf einen Außenbereich. Hoch darüber sitzt ein munterer Vogel auf einer Straßenlampe und gibt von da seine Kommentare ab (und brüllt auch mal wie ein Löwe). Entscheidend ist, die Piraten sind an Cornwalls Küste (an der Penzance liegt) angekommen.

Die Szene auf dem Friedhof im zweiten Akt zeigt dann Fragmente der Vertäfelungen aus dem ersten Akt und zahlreiche skurrile Statuen (Menschen und Tiere; Bühne: Künstler, Zeichner und Illustrator Peter Engel). Lucia Vonrheins Kostüme könnten aus dem Karnevalsfundus stammen. Die Piratenschar ist entsprechend bunt ausgestattet.

Die Piraten von Penzance
Staatstheater Mainz
Mabel (Alexandra Samouilidou), Frederic (Mark Watson Williams)
© Andreas Etter

Sänger:innen sind darstellerisch stark gefordert

Die maßlos übertrieben dargestellte Geschichte lässt so manche(n) Zuschauer:in denken, man sei schon bei der Fastnachtsposse des Mainzer Carneval-Vereins. Es gibt mehr plakative Typen als Charakterstudien. Dabei sind die Sänger:innen darstellerisch stark gefordert.

Allen voran steht der Piratenkönig des Brett Carter. Ein nicht allzu heller Anführer, der gerne mit stolzer Brust Siegerposen einnimmt. Mehr Facetten kann Katja Ladentin als gealterte Ruth zeigen, die Verschmähte entwickelt sich, auch stimmlich, zur selbstbewussten Kämpferin. Alexander Spemann gibt den schlauen und sodann reumütigen Generalmajor, der mit seiner schnellen Arie „Ich bin der typisch englische moderne Generalmajor“ das Publikum begeistert. Ein ruhender Pol in dieser turbulenten Geschichte ist der 21-jährige, pflichtbewusste Pirat Frederic (Mark Watson Williams), der von seiner Mabel (mit hohen Spitzentönen: Alexandra Samouilidou) eine überaus lange Treuezeit fordert. Mit viel Witz und Charme bringen sich auch alle weiteren Figuren in dieses hitzige Spiel ein, nicht zuletzt auch der von Sebastian Hernandez-Laverny einstudierte Chor des Staatstheaters Mainz.

Markus Gründig, November 23


Die Piraten von Penzance

(Pirates of Penzance)
Komische Oper in zwei Akten

Musik: Arthur Sullivan
Libretto: William Schwenck Gilbert
Uraufführung: 29. Dezember 1879 (Paignton, Royal Bijou Theatre)
Deutsche Übersetzung: Inge Greiffenhagen, Bettina von Leoprechting

Premiere am Staatstheater Mainz: 25. November (Großes Haus)

Musikalische Leitung: Samuel Hogarth
Inszenierung: K.D. Schmidt
Bühne: Peter Engel
Kostüme: Lucia Vonrhein
Choreografie: Richard Weber
Licht: Ulrich Schneider
Chor: Sebastian Hernandez-Laverny
Fechtchoreografie: Dannie Lennertz
Dramaturgie: Theresa Steinacker, Sonja Westerbeck

Besetzung:

Piratenkönig: Brett Carter
Generalmajor: Alexander Spemann
Frederic: Mark Watson Williams
Ruth: Katja Ladentin
Mabel: Alexandra Samouilidou
Edith: Maren Schwier
Kate: Verena Tönjes
Isabel: Anke Trittin
Samuel: Dennis Sörös
Polizeisergeant: Scott Ingham
Fechter: Robin Haug, Paul Ziehmer

Chor des Staatstheaters Mainz
Philharmonisches Staatsorchester Mainz


staatstheater-mainz.de