Die Oper Frankfurt nimmt mit ihren überdurchschnittlich vielen Opern außerhalb des gängigen Repertoires eine Sonderstellung ein. Nicht ohne Grund wird sie u. a. deshalb regelmäßig als „Opernhaus des Jahres“ ausgezeichnet. Dennoch muss das Publikum nicht auf Klassiker verzichten. So wird es nach der Neuinszenierung von Mozarts Le nozze di Figaro zur Spielzeiteröffnung im Dezember eine Neuinszenierung von Verdis Aida geben. Mit der zweiten Wiederaufnahme von Friedrich von Flotows melodienseliger Oper Martha am Eröffnungstag der Fastnachtszeit, zeigt die Oper Frankfurt nunmehr auch wieder ihre romantisch-komische Seite. Die Inszenierung von Katharina Thoma hatte 2016 Premiere (Besprechung) und zieht weiterhin viel Publikum an. Gründe dafür liegen in der gefühlvollen Musik (allen voran dem Hit „Letzte Rose“) und in der gelungenen und stilvollen Umsetzung.
Thomas Inszenierung ist klassisch gehalten, ebenso die Kostüme von Irina Bartels. Die Bezüge zur Gegenwart sind plakativ, fügen sich aber harmonisch ein (s. a. Besprechung von 2016).
In der Titelrolle verführt die Sopranistin Monika Buczkowska den Pflegebruder Lyonel, wie auch das Publikum. Dazu reichen ihr stets wenige Gesten. Wenn Sie von der letzten Rose singt, hält das Publikum fast den Atem an. Hohe Spitzentöne meistert sie mühelos. Insgesamt gab sie ein glänzendes Rollendebüt!
Tenor AJ Glueckert ist bereits seit 2016 mit der Partie vertraut. Seine durchdringende Stimme füllt mühelos das Haus. Den unglücklich verliebten Romantiker Lyonel gibt er ausdrucksstark (lyrisch intensiv z. B. bei „Ach, so fromm“ im 3. Akt, dem zweiten Hit der Oper) .
Bei der aktuellen Wiederaufnahmepremiere übernahm die strahlende Mezzosopranistin Anna-Katharina Tonauer die Partie von Lady Harriets Vertrauter Nancy (sonst: Katharina Magiera). Sie ist Ensemblemitglied am Münchner Staatstheater am Gärtnerplatz. An ihrer Seite gibt Bariton Erik van Heyningen den reichen Pächter Plumkett ein markantes Profil (edles Herz in einer harten Schale). Bariton Sebastian Geyer hat sichtbar Spaß als in bunt Anzüge tragender snobistischer und hilfsfreudiger Lord Tristan Mickelford. An diesem Abend gestaltete Stephan Hübner die Figur des Richters szenisch (während aus dem Off gesungen wurde). Es ist aber auch wieder die Gesamtleistung, die hier stimmt. Die Duette, Terzette, Quartette und Ensembleszenen bilden stets eine harmonische Einheit.
Sein Debüt gab an diesem Abend auch der im französischen Lille aufgewachsene Dirigent Victorien Vanoosten. Er ist seit 2019 Künstlerischer Leiter des Ensemble Symphonique de Neuchâtel in der Schweiz. Schon während der Ouvertüre führte er das Frankfurter Opern- und Museumsorchester mit viel Drive. Trotz gelegentlicher hoher Lautstärke, bildeten Bühne und Orchestergraben eine musikalische Einheit.
Mit vokaler und szenischer Stärke bringt sich hier auch wieder der Chor des Jahres, der Chor der Oper Frankfurt, ein (Einstudierung Tilmann Michael). Dabei kann er sich als bunte und diverse Community geben.
Am Ende viel Applaus für eine sentimentale und stilvolle Darbietung mit Happy End.
Markus Gründig, November 23
Für die kommende Vorstellung am Sonntagnachmittag (19.11.23) gibt es nur noch Restkarten, für die fünf Termine im Dezember sieht es hinsichtlich Kartenverfügbarkeit, zumindest aktuell, noch gut aus.
Martha oder der Markt zu Richmond
Romantisch-komische Oper in vier Akten
Von: Friedrich von Flotow
Premiere: 16. Oktober 2016
Zweite Wiederaufnahme: Freitag, 11. November 23
Musikalische Leitung: Victorien Vanoosten
Inszenierung: Katharina Thoma
Szenische Leitung der Wiederaufnahme: Caterina Panti Liberovici
Bühnenbild: Etienne Pluss
Kostüme: Irina Bartels
Licht: Olaf Winter
Choreografie: Michael Schmieder
Chor: Tilman Michael
Dramaturgie: Konrad Kuhn
Besetzung:
Lady Harriet Durham: Monika Buczkowska
Nancy: Katharina Magiera / Anna-Katharina Tonauer (11.11.)
Lord Tristan Mickelford: Sebastian Geyer
Lyonel: AJ Glueckert
Plumkett: Erik van Heyningen
Der Richter: Franz Mayer / Stephan Hübner (11.11. szenisch)
Drei Mägde: Nicolai Klawa / Svea Verfürth / Julia Katharina Heße
Zwei Pächter: Eui Kyung Kim / Gerhard Singer
Drei Diener: Cheol Kang / Thomas Charrois / Johannes Lehner
Ein Schlagzeuger: Georg Hromadka
Chor der Oper Frankfurt
Frankfurter Opern- und Museumsorchester