Saisonstart am Schauspiel Stuttgart

Schauspielhaus Stuttgart (Foto: Björn Klein)

Uraufführung Eine runde Sache
Premiere: Die Welt im Rücken


Uraufführung Eine runde Sache ~ „Absurd ist besser als tot.“

„Ein Schriftsteller ist jemand, der Schwierigkeiten hat mit die Sprache“: Tomer Gardi erzählt eine Schelmengeschichte, frech, mit sprachlichen Kapriolen in „Broken German“, einer Kunstsprache mit ungewöhnlicher Rechtschreibung, eigenwilligem Satzbau und in nicht lupenreinem Hochdeutsch. Hier wird komisch und slapstickartig mit Sprache gespielt, mit den Konventionen des Erzählens gebrochen und die Möglichkeit von Verständigung befragt: Wie kann sie gelingen, wenn Wörter, Gedanken, Menschen und selbst Hunde plötzlich in ganz anderen kulturellen Kontexten aufeinandertreffen?

Dies ist der Beginn einer absurden Odyssee, bei der Tomers Wege sich immer sagenhafter winden – eine Höllenfahrt durch die deutsche Kultur, gemeinsam mit Goethes Erlkönig und einem Deutschen Schäferhund namens Rex, die sich auf einer ziemlich schiefgegangenen Jagd kennenlernen. Dieses düstere, von Gewalt geprägte und auf den Kopf gestellte Märchen spiegelt sich in der Geschichte des im 19. Jahrhundert lebenden indonesischen Malers Raden Saleh, der von Java nach Europa reist. Was bleibt vom alten Tomer, von Rex und Raden am Ende übrig? Eine runde Sache erzählt Alltägliches neu und zeigt ganz nebenbei, wie radikale Aneignung von Sprache zur Rebellion werden kann.

Noam Brusilovskys Inszenierung verschränkt vermeintlichen Realismus mit Groteske, lässt Figuren und Zeiten ineinanderfließen und schafft so einen Bühnenraum, in dem Verständigung zur offenen Frage wird. Im zweiten Teil der Inszenierung nutzt Brusilovsky Videoprojektionen, die z. B. Raden Salehs tropische Landschaften und exotisierende Tierdarstellungen zum Leben erwecken. So macht er auch formal auf der Bühne die Unterschiedlichkeit der beiden Romanteile sichtbar, während zugleich die Wechselbeziehungen zwischen Tomer Gardis moderner Odyssee und Raden Salehs kolonialhistorischer Biografie, zwischen Vergangenheit und Gegenwart erfahrbar werden.

Eine runde Sache

Von: Tomer Gardi (* 1974)
Bühnenfassung: Noam Brusilovsky (* 1989)
Uraufführung: Samstag, 20. September 25 (Kammertheater)

Inszenierung: Noam Brusilovsky
Bühne & Kostüme: Maria Magdalena Emmerig
Musik & Video: Florian Schaumberger
Licht: Marc Döbelin
Dramaturgie: Benjamin Große

Mit: Vernesa Berbo, Sebastian Röhrle, Reinhard Mahlberg, Marietta Meguid, Marco Massafra

Weitere Vorstellungen:
25. / 26. / 27. Sep 25, 19:30
10. / 11. / 23. / 24. Okt 25, 19:30
08. Nov 25, 19:30 / 09. Nov 25, 15:00
weitere Termine in Planung


Premiere: Die Welt im Rücken

„Die Zeit war tatsächlich aus den Fugen, und ich war auch noch aus ihr rausgefallen, aus der Zeit, zwischen die Fugen.“

Der renommierte Autor Thomas Melle, der auch regelmäßig für das Theater schreibt, erzählt in seinem Roman Die Welt im Rücken die Geschichte seiner bipolaren Erkrankung.

Es ist das fesselnde und atemberaubende Manifest eines schreibenden Ichs. Die Welt im Rücken ist eine literarische Wucht, poetisch, hochkomisch, dramatisch und schonungslos: Ein Leben als Rausch, als Party, als Superstar mit Höhenflügen, Allmachtfantasien und dem Absturz ins Bodenlose, in die Stille, in die Leere, und das Nichts. Und dann wieder der Versuch in die Normalität als ein zaghafter Neubeginn. Wie kann man das, was einem passiert, in Sprache festzuhalten, das Ungeheuerlichen begreifen und es in ein Verhältnis zu setzen?

Thomas Melle gelingt das in einer zutiefst berührenden Weise. Der Roman wurde mit Literaturpreis des Landes Sachsen-Anhalt 2017 ausgezeichnet und war auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2016.

Die Regisseurin Lucia Bihler, die zuletzt am Burgtheater Wien Die Verwandlung von Franz Kafka inszeniert hat und mit Die Eingeborenen von Maria Blut von Maria Lazar, ebenfalls eine Burgtheater-Inszenierung, zum Berliner Theatertreffen eingeladen wurde, gehört zu den spannendsten und eigenwilligsten Regiestimmen der jüngeren Generation. Sie nähert sich dieser Geschichte oder eher: diesem literarischen Manifest spielerisch-sinnlich, choreografisch-körperlich, poetisch und bildstark und setzt sie in eine fantastische Welt.

Für das Staatstheater-Magazin Reihe 5 (Ausgabe 25/26, Nr. 1) hat Ralf Konersmann einen Essay unter dem Titel „Totales Außenvor“ geschrieben. Außerdem erscheint dort ein Interview von Sarah-Maria Deckert mit dem Psychotherapeuten Jens Tiedemann zum Thema „Scham ist der sozialste aller Affekte“ und ein Porträt der Regisseurin Lucia Bihler von Gabriela Herpell. Diese Ausgabe erscheint am 21. September.

Die Welt im Rücken

Von: Thomas Melle (* 1975)
Premiere: Samstag, 27. September 25 (Schauspielhaus)

Inszenierung: Lucia Bihler
Bühne: Paula Wellmann
Kostüme: Victoria Behr
Musik: Sixtus Preiss
Choreografie: Björn Leese, Outside Eye
Choreografische Beratung: Mats Süthoff
Licht: Felix Dreyer
Dramaturgie: Gwendolyne Melchinger

Mit: Paulina Alpen, Tim Bülow, Pauline Großmann, Felix Jordan, Mina Pecik, Karl Leven Schroeder, Silvia Schwinger

Weitere Vorstellungen:
28. Sep 25, 19:30
09. / 12. / 20. / 26. Okt 25, 19:30
12. / 14. Nov 25, 19:30
weitere Termine in Planung


Karten:

Online: schauspiel-stuttgart.de
Telefonisch: 0711 – 20 20 90 (Montag bis Samstag 10 bis 18 Uhr)
Tageskasse im Foyer des Schauspielhauses: Montag bis Freitag 10 bis 18 Uhr, Samstag 10 bis 14 Uhr (ohne Abo)