Trost im Strudel des Lebens: Joseph Roths »Hiob« am Schauspiel Frankfurt

Hiob ~ Schauspiel Frankfurt ~ Heidi Ecks, Caroline Dietrich, Matthias Redlhammer, Christoph Pütthoff, Agnes Kammerer ~ Foto: Birgit Hupfeld

Der österreichische Schriftsteller und Journalist Joseph Roth (1894-1939) ist vor allem durch seine Romane Hiob und Radetzkymarsch bekannt. In Hiob erzählt er vom armen und bescheidenen Lehrer Mendel Singer aus einem russisch-polnischen Dorf zu Beginn des 20. Jahrhunderts, der schwere familiäre Schicksalsschläge erlebt, deshalb nah daran ist, seinen Glauben aufzugeben und am Ende dann doch ein Wunder Gottes erlebt.

Für das Schauspiel Frankfurt hat die Literatur-affine Regisseurin Johanna Wehner (in Frankfurt zuletzt mit Geschlossene Gesellschaft) eine eigene, sehr spezielle, Bühnenfassung erarbeitet.
Das Besondere an dieser Fassung ist, dass sie sich zwar streng an das Original des Romans hält, auf Dialogisches aber weitestgehend verzichtet. Bezüge zur Gegenwart werden sehr dezent und kurz gezogen, etwa zum Ukraine-Krieg.
Roths Erzählsprache wird durch den Vortrag des Ensembles lebendig und anschaulich. Es gibt eine untergeordnete Rollenzuordnung auf die Familienmitglieder, überwiegend wird der Text universell verwendet. Er wird viel von allen gesprochen, gemeinsam und gegeneinander, somit ist er losgelöst von der jeweiligen Figur. Diejenigen, die mit einer szenischen Nacherzählung in das Theater gekommen sind, werden daher enttäuscht sein. Wer sich auf das sorgsam gestaltete und für das Ensemble herausfordernde dramatische Erzählereignis einlässt, erlebt einen großen Theaterabend.

Hiob
Schauspiel Frankfurt
Nils Kreutinger, Stefan Graf, Agnes Kammerer, Heidi Ecks, Matthias Redlhammer, Christoph Pütthoff, Caroline Dietrich
Foto: Birgit Hupfeld

Publikum darf Antworten geben

Im Mittelpunkt stehen existenzielle Fragen: „Was ist das Leben?“, „Was wollen Sie vom Leben?“, „Wie wollen Sie leben?“, „Worauf hoffen Sie?“, „Warten Sie auf irgendwas bestimmtes?“ und „Was tröstet Sie?“. Diese werden schon zu Beginn und auch mittendrin immer wieder direkt an das Publikum gestellt. Konkreten Antworten aus dem Publikum („Freiheit“, „Frieden“, etc) stehen stockende Antworten („Ich will…“, „ich will…“, „Ja?“, „naja, also…“) auf der Bühne gegenüber. Allein der Vater ist weise und desillusioniert: „Das Leben rinnt dahin, wie ein Bach, wie ein kleiner Bach.“
Caroline Dietrich, Heidi Ecks, Stefan Graf, Agnes Kammerer, Nils Kreutinger, Christoph Pütthoff und Matthias Redlhammer treiben die Geschichte wortgewandt voran. Matthias Redlhammer spricht als Mendel Singer zu Beginn der zweiten Hälfte einen größeren Monolog. Frisch in New York angekommen, drückt er darin seine Verwunderung über die Neue Welt aus. Während die anderen Familienmitglieder in der alten und in der neuen Welt unterschiedlich gekleidet sind, trägt er stets seinen zu großen Anzug (Kostüme: Ellen Hofmann).
Der Bühnenraum ist weit geöffnet und beinhaltet eine schwarze Holzkonstruktion, die kein Haus, kein Wohnraum ist. Sie ist eher ein Ort für Schutzsuchende. Im zweiten Teil der insgesamt zweieinhalbstündigen Aufführung (inklusive einer Pause), ist im Hintergrund eine dunkel gehaltene Nachbildung der Fackel der New Yorker Freiheitsstatue zu erkennen (Bühne: Volker Hintermeier). Für emotionale Verstärkung sorgt den Abend über eingespielte Klezmermusik (Musik: Daniel Kahn und Christian Dawid), die zwischen klagendem und fröhlichen Rhythmen schwankt.

Am Ende trifft der in der Heimat zurückgelassene Sohn Menuchim (= „der Tröster“) seinen leidgeplagten Vater. Ein bewegender Moment, obwohl Menuchum physisch gar nicht vor Ort ist, sondern nur durch die Kraft der Sprache zum Leben erweckt wird. Viel Applaus für Darsteller: Innen und für das Inszenierungsteam.

Markus Gründig, Mai 22

Am 1. Oktober 22 hat Henriette Hörnigks Inszenierung von »Hiob« Premiere am Staatstheater Wiesbaden.


Hiob

Roman von Joseph Roth (1930)
Für die Bühne bearbeitet von: Johanna Wehner

Premiere am Schauspiel Frankfurt: Samstag, 7. Mai 22 (Schauspielhaus)

Regie: Johanna Wehner
Bühne: Volker Hintermeier
Kostüme: Ellen Hofmann
Musik: Daniel Kahn und Christian Dawid
Dramaturgie: Katrin Spira
Licht: Ellen Jaeger

Mit: Caroline Dietrich, Heidi Ecks, Stefan Graf,, Nils Kreutinger, Christoph Pütthoff, Matthias Redlhammer

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