„I Can’t Breathe“ ~ »American Son« am English Theatre Frankfurt

American Son ~ English Theatre Frankfurt ~ Kendra Ellis-Connor (Tracey A. Leigh), Scott Connor (Jamison Jones) ~ © Martin Kaufhold
kulturfreak Bewertung: 4 von 5

Die Todesfälle von Tamir Rice (2014), Eric Garner (2014), Philando Castile (2016) und George Floyd (2020) sind die bekanntesten im Rahmen der „Black lives Matters“-Bewegung. Traurigerweise gibt es sehr viel mehr Tote durch Gewalt von Polizisten. Nicht nur in den USA. Erst vor wenigen Tagen starb in Mannheim ein 47-jähriger Mann kroatischer Herkunft beim Versuch von Polizisten, ihn zu beruhigen. Von der NSU 2.0 Thematik und rechtsradikalen Strömungen innerhalb der deutschen Polizei ganz zu schweigen.

Christopher Demos-Brown greift in seinem Drama American Son die Themen Identität und Rassismus auf. Darin schildert er kammerspielartig wenige Stunden in einer Polizeistation in Miami, wo ein Elternpaar hofft, Informationen über den Verbleib ihres kürzlich verschwundenen 18-jährigen Sohns zu erhalten. Sehr vielschichtig werden die Nuancen von Identität, Rassismus und (eigenen) Vorurteilen ausgelotet.

US-Generalkonsul Norman Thatcher Scharp:
Freiheit und Gerechtigkeit sind keine Selbstverständlichkeit

Die jetzt im English Theatre Frankfurt gezeigte Produktion entstand in Partnerschaft mit The Theater Ensemble Company aus dem kalifornischen Santa Barbara. Ursprünglich für 2020 geplant, dann auf 2021 verschoben, kann sie nun im dritten Anlauf gezeigt werden. Sie steht unter der Schirmherrschaft von Norman Thatcher Scharpf, U.S. Generalkonsul der Vereinigten Staaten von Amerika in Frankfurt/M. Vor der besuchten Premierenvorstellung wies er, dabei u. a. auch Adorno zitierend, auf die Bedeutung von Freiheit und Gerechtigkeit hin und ermahnte, für die Demokratie einzutreten: „We must stay vigilant when our democracies are under attack and work together relentlessly to advance justice and, as the U.S. Constitution exhorts, to ‘form a more perfect union.’”.

American Son
English Theatre Frankfurt
Kendra Ellis-Connor (Tracey A. Leigh), Lieutenant John Stokes (Alex A. Morris), Officer Paul Larkin (Toby Tropper), Scott Connor (Jamison Jones
© Martin Kaufhold

US-Schauspieler zu Gast in Frankfurt

Die Bühne von Charlie Corcoran zeigt den öffentlichen Wartebereich einer Polizeistation in Florida. Regen schlägt immer wieder von hinten gegen ein großes Fenster, es ist draußen dunkel und windig. Unheil liegt schon rein äußerlich in der Luft.
Regisseur Jonathan Fox, der am English Theatre Frankfurt bereits Stücke wie Who’s Afraid of Virginia Woolf und Cat on a Hot Tin Roof inszeniert hat, zeigt auch hier wieder ein gutes Gespür für Dramatik. Durch die Zusammenarbeit mit The Theater Ensemble Company sind auch erstmals seit Langem wieder US-Schauspieler zu Gast am English-Theatre Frankfurt. Im Mittelpunkt steht die Afroamerikanerin Kendra, die als Professorin für Psychologie arbeitet. Hier ist sie als Mutter stark gefordert. Tracey A. Leigh zeigt sie packend in all ihrer Verzweiflung, Widersprüchlichkeit und Zerrissenheit. Jamison Jones wirkt als ihr geschiedener Ehemann und FBI-Agent Scott zunächst besonnen, bis auch ihm der Kragen platzt. Als unerfahrener aber dienstbeflissener Officer Paul Larkin bringt Toby Tropper das Publikum zum Schmunzeln. Einen konträren Standpunkt zur Position von Afroamerikanern vertritt der erst zur Frühschicht erscheinende Lieutenant John Stokes des Alex A. Morris.
Die Textverständlichkeit ist während der 90-minütigen, pausenlosen Aufführung sehr gut.
Wenn beim jähen Ende von Scott die letzten Worte „I Can’t Breathe“ ausgesprochen werden, stockt vielen im Publikum der Atem. Und das Nachdenken über den Umgang mit den eigenen Vorurteilen begleitet die Zuschauer:Innen auch jenseits der Vorstellung.

Markus Gründig, Mai 22


American Son

An American tragedy ripped from the headlines

Von: Christopher Demos-Brown

Uraufführung: 4. November 2018 (New York, Booth Theatre)

Premiere am English Theatre Frankfurt: Freitag, 6. April 22 (Deutsche Erstaufführung)
In Partnerschaft mit: The Theater Ensemble Company, Santa Barbara, USA
Unter der Schirmherrschaft von: Norman Thatcher Scharpf, U.S. Generalkonsul der Vereinigten Staaten von Amerika
Spielzeit bis: 3. Juni 22

Regie: Jonathan Fox
Bühne: Charlie Corcoran
Kostüme: Dianne K. Graebner
Licht: Michael Rathburn
Ton: Randall Robert Tico

Besetzung:

Scott Connor: Jamison Jones
Kendra Ellis-Connor: Tracey A. Leigh
Lieutenant John Stokes: Alex A. Morris
Officer Paul Larkin: Toby Tropper

english-theatre.de