Mit dem derzeitigen Gastspiel des Teatro Petruzzelli di Bari machen die Internationalen Maifestspiele Wiesbaden ihrem Namen alle Ehre. An drei Abenden zeigt das Opernhaus Giuseppe Verdis Klassiker Aida und dazu konzertant dessen Messa da Requiem. Dabei sind nicht nur die Sänger:Innen des Hauses, sondern auch der Chor, das Orchester und Tänzer:Innen. Sie alle bieten große Oper in großer Besetzung, große Stimmen. Die opulente Inszenierung mit vielen dekorativen Tableaus versetzt das Publikum zauberhaft in eine der ergreifendsten Liebesgeschichten der Opernliteratur.
Inszenierung fern vom deutschen Regietheater
Das Gastspiel des Teatro Petruzzelli di Bari zeigt den Opernklassiker Aida so, wie er gerne in Italien aufgeführt wird. Regisseur Mariano Bauduin konzentriert das Geschehen auf das Libretto von Antonio Ghislanzoni und demgemäß in die Zeit der Pharaonen. Allerdings nicht komplett. Es gibt lose Bezüge zu Frankreich (z. B. in Form einer Trikolore auf einem der Prospekte), schließlich war Ägypten zeitweise von Napoléon besetzt worden und auch der für den Bau des Suezkanal zuständige Unternehmer Ferdinand de Lesseps war Franzose.
Das Einheitsbühnenbild von Pier Paolo Bisleri zeigt in warmen Tönen den Königspalast zu Memphis und den Tempel des Vulcan. An den Seiten befinden sich hohe Kolonnaden, in der Mitte eine Felsanlage die multifunktional als Thron, Altar, Ruhebereich und als Gefängnishöhle genutzt wird. Szenen vor den Toren Thebens und am Nil werden durch herabgelassene Transparente vermittelt. Dazu gibt es eine großzügige Ausstattung (Feuerschale, Palmenblätter, einem Pfau im Käfig und vieles mehr). Zusätzlich sorgen die Kostüme und Kopfbedeckungen von Marianna Carbone für historische Bezüge. So kann man sich diese Inszenierung auch gut in der Arena von Verona oder an der Met-Oper vorstellen.
Großes Aufgebot an Stimmen und Musikern
Großartig, dass in der aktuell schwierigen Zeit durch Corona und den Ukraine-Krieg, auch der Chor und das Orchester des Teatro Petruzzelli di Bari bei den Internationalen Maifestspielen Wiesbaden dabei sind, sowie ein kleines Tanzensemble. Generalmusikdirektor Giampaolo Bisanti vermittelt viele Orchesterfarben und spornt sein Orchester immer wieder zu kraftvollen, impulsiven und sehr leidenschaftlichen Ausbrüchen an. Exponiert sind sechs Musiker, die zum Triumphmarsch im zweiten Akt aus den Proszeniumslogen im 1. Rang auf den speziell für diese Oper gebauten „Aida-Trompeten“ (Fanfarentrompeten mit nur einem Ganztonventil) spielen. Das zweite Bild im zweiten Akt ist dann auch der optische Höhepunkt der Inszenierung. Mit einem Großaufgebot an Beteiligten. Der von Fabrizio Cassi einstudierte Chor des Teatro Petruzzelli di Bari bringt sich dabei groß in Szene. Chorsänger:Innen, wie auch Tänzer:Innen und die Musiker:Innen (wo möglich) tragen Gesichtsmasken. Dagegen wirkt die Lockerheit des Wiesbadener Publikums, bei dem man gezielt nach Maskenträgern suchen muss, als wäre das Thema Covid-19 komplett Ad Acta gelegt, befremdlich.
In der Titelrolle der äthiopischen Königstochter und Sklavin am ägyptischen Königshof, gefällt die Sopranistin Saioa Hernánde. Sie verkörpert die Rolle mit vornehmer Zurückhaltung. Die Mezzosopranistin Carmen Topciu kann als ihre Gegenspielerin Amneris viele Facetten zeigen. Als nicht nur großer ägyptischer Feldherr, sondern auch als profunder Sänger mit kraftvoller Stimme begeistert der Tenor Roberto Aronica in der Figur des Radames. Herausragend ist auch Bariton Vladimir Stoyanov als Amonasro, König von Äthiopien und Vater von Aida.
Verzichtet Regisseur Mariano Bauduin auch darauf, Bezüge zu Heute zu vermitteln und lässt er auch sehr viel von der Rampe frontal zum Publikum singen, gefällt seine Inszenierung schon ob ihrer Unmittelbarkeit. Was sich auch am starken Publikumszuspruch bestätigte: Kräftiger, lang anhaltender Applaus und Standing Ovations von fast allen Zuschauern.
MArkus Gründig, Mai 22
Aida
Oper in vier Akten
Von: Giuseppe Verdi (1813—1901)
Libretto: Antonio Ghislanzoni (nach einem Entwurf von Auguste Mariette Bey und einem Szenarium von Camille Du Locle)
Uraufführung: 24. Dezember 1871 (Kairo, Khedivial-Opernhaus)
Deutschsprachige Erstaufführung: 20. April 1874 (Berlin, Königliches Opernhaus)
Gastspiel des Teatro Petruzzelli di Bari bei den Internationalen Maifestspielen Wiesbaden: 5., 7. und 8. Mai2022 (Großes Haus)
Besuchte Vorstellung: 5. Mai 2022
Musikalische Leitung: Giampaolo Bisanti
Inszenierung: Mariano Bauduin
Bühne: Pier Paolo Bisleri
Kostüm: Marianna Carbone
Chor: Fabrizio Cassi
Besetzung:
Aida: Saioa Hernández / Maria Teresa Leva*
Radames: Roberto Aronica / Dario Di Vietri*
Amneris: Carmen Topciu / Rossana Rinaldi*
Amonasro: Vladimir Stoyanov / Elia Fabbian*
Ramphis: Alessandro Spina / Ramaz Chikviladze*
Der König: Romano Dal Zovo
Oberpriesterin: Nikolina Janevska
Ein Bote: Saverio Fiore
Chor & Orchester des Teatro Petruzzelli di Bari
* Vorstellung am 7. Mai 2022
staatstheater-wiesbaden.de / fondazionepetruzzelli.it