

Mit seinen Opern La Bohème, Tosca und Madama Butterfly hat sich Giacomo Puccini unsterblich gemacht. Zu seinen frühen Werken zählt die 1893 uraufgeführte Manon Lescaut (Dramma lirico in vier Akten). Dass diese Oper für das heute viele aktuelle Bezüge hat, zeigte der katalanische Regisseur Àlex Ollé im Jahr 2019. Vier Jahre nach der großen Flüchtlingskrise hatte in diesem Jahr seine Neuinszenierung an der Oper Frankfurt Premiere (Besprechung der 2. Vorstellung).
Von ihrem Vater in ein Kloster geschickt, steht Manon Lescaut hier als eine freiheitsliebende Geflüchtete vor großen Herausforderungen. Sie steht im Spannungsfeld zwischen einem Leben im Wohlstand und ihrer erfüllten, tiefen, aber auch tragischen Liebe zum Studenten Chevalier Renato Des Grieux.
Für die vier Akte gestaltete Bühnenbilder Alfons Flores realistisch anmutende Räume. Sie sind allesamt durch vier große Lettern („LOVE“) verbunden. Nachdem Ende August bereits Puccini Tosca wieder in den Spielplan aufgenommen wurde (Besprechung), folgte jetzt mit der dritten Wiederaufnahme von Manon Lescaut eine weitere Oper Puccinis.

Oper Frankfurt
v. l. n. r. Lescaut (Mikołaj Trąbka, Manon Lescaut (Ghiulnara Raileanu) und Chevalier Renato Des Grieux (Matteo Lippi)
© Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de
Dabei wurde mit Spannung vor allem die gesangliche Seite erwartet. Für alle beteiligte Sängerinnen und Sänger (außer Chor) stellt diese Wiederaufnahme ein Debüt dar. Sei es ein Debüt an der Oper Frankfurt oder ein Rollendebüt.
Erstmals an der Oper Frankfurt ist bei dieser Wiederaufnahmeserie die aus Moldawien stammende Sopranistin Ghiulnara Raileanu zu erleben. Der Titelpartie verleiht sie eine hohe Authentizität und besticht mit lyrischem Schönklang. Bei ein paar wenigen Momenten wirkt sie etwas zurückhaltend (auch stimmlich), was sie gar nicht nötig hat. In dem in einer Tabledancebar spielenden 2. Akt zeigt sie nur leicht bekleidet auf High Heels zudem ihre Topfigur.
Der Tenor Matteo Lippi überzeugte bereits vor einem dreiviertel Jahr als Macduff in Verdis Macbeth (Besprechung). Als Chevalier Renato Des Grieux ist er schlicht eine Wucht. Er begeistert das Publikum mit einer ungeheuren Bühnenpräsenz und seiner tief grundierten und kräftigen Tenorstimme. Einen starken Eindruck hinterlässt auch Bariton Mikołaj Trąbka als Manons zwielichtiger Bruder Lescaut.
Ein vital wirkender Geronte de Ravoir vermittelt Bariton Erik van Heyningen. Tenor Kudaibergen Abildin einen besorgten studentischen Freund Edmondo. Souveränität strahlt Bassbariton Aleksander Myrling als Wirt/Kapitän aus.
Die Mezzosopranistin Ruby Dibble macht als Musiker im zweiten Akt auf sich aufmerksam. Sie gibt hierbei ebenfalls ihr Hausdebüt und zählt seit Spielzeitbeginn zu den Stipendiat:innen des Opernstudios der Oper Frankfurt. Ein (viel zu kurzes) Wiedersehen gibt es mit dem Tenor Abraham Bretón (Tanzmeister/Laternenanzünder). Bassbariton Pete Thanapat gefällt als Sergeant. Der von Álvaro Corral Matute einstudierte Chor der Oper Frankfurt ist vor allem im ersten Akt stark eingebunden und präsentiert sich sehr spielfreudig und klangstark.
Puccinis Musik mit ihrem hohen melodischen Gehalt verführt die Sinne immer wieder. Kapellmeister Simone Di Felice und das Frankfurter Opern- und Museumsorchester geben dem Melos breiten Raum und setzen kraftvolle Akzente.
Am Ende große Beifallsbekundungen.
Markus Gründig, September 25
Manon Lescaut
Dramma lirico in vier Akten
Von: Giacomo Puccini (1858 – 1924)
Libretto: Giacomo Puccini, Ruggero Leoncavallo, Marco Praga, Domenico Oliva, Luigi Illica, Giuseppe Giacosa, Giulio Ricordi, Giuseppe Adami
Uraufführung: Februar 1893 (Turin, Teatro Regio)
Premiere: 6. Oktober 19 (Besprechung der 2. Vorstellung)
3. Wiederaufnahme: 26. September 25 (Opernhaus)
Musikalische Leitung: Simone Di Felice
Inszenierung: Àlex Ollé
Szenische Leitung der Wiederaufnahme: Nina Brazier
Regiemitarbeit: Valentina Carrasco
Bühnenbild: Alfons Flores
Kostüme: Lluc Castells
Video: Emmanuel Carlier
Licht: Joachim Klein
Chor: Álvaro Corral Matute
Dramaturgie: Stephanie Schulze
Besetzung:
Manon Lescaut: Ghiulnara Raileanu
Des Grieux: Matteo Lippi
Lescaut: Mikołaj Trąbka / Domen Križaj (16., 26. Oktober 25)
Geronte de Ravoir: Erik van Heyningen / Alfred Reiter (16., 26. Oktober 25)
Edmondo: Kudaibergen Abildin
Wirt / Kapitän: Aleksander Myrling
Musiker: Ruby Dibble°
Tanzmeister / Laternenanzünder: Abraham Bretón / Jihun Hong (16., 26. Oktober 25)
Sergeant: Pete Thanapat
Chor der Oper Frankfurt
Frankfurter Opern- und Museumsorchester
°Mitglied des Opernstudios