Über 230 Jahre ist die Uraufführung von Wolfgang Amadeus Mozarts Oper Così fan tutte ossia La scuola degli amanti (So machen´s alle oder Die Schule der Liebenden) her. Ihre Popularität ist ungebrochen. Das liegt nicht nur an der großartigen Musik Mozarts, sondern auch an ihrem universellen Thema: Die Liebe und deren Bestand.
Die Neuinszenierung am Staatstheater Mainz unter der Regisseurin Cordula Däuper versetzt das Geschehen vom Neapel des 18. Jahrhunderts in die Gegenwart. Ihre Umsetzung ist bunt, ausgesprochen turbulent und geizt nicht mit sexuellen Anspielungen. Die knapp dreistündige Aufführung ist kurzweilig, denn auf der Bühne passiert ständig sehr viel.
Ein Eigenheim ist wichtiger als eine Hochzeit in Weiß
Bei noch geschlossenem Vorhang tritt während der Ouvertüre Don Alfonso im weißen Kittel als Forscher auf und stellt die Ergebnisse seiner Umfrage vor, die auf den Bühnenvorhang projiziert werden. Die meisten jungen Frauen, also Frauen wie Fiordiligi und Dorabella, träumen von einem Eigenheim. Der Wunsch nach einer Hochzeit in Weiß kommt erst an zweiter Stelle. Auch ist eine schöne Stimme des Partners bedeutend wichtiger als seine Bildung… Wie der ideale Partner nun aussehen und welche Eigenschaften er haben sollte, bleibt offen.
Viel Blau verstärkt Gefühl von Beständigkeit und Treue
Pascal Seibickes Bühne deutet Fiordiligis und Dorabellas geträumtes kleines Eigenheimglück an. Sie bestehen aus zwei einfachen Konstruktionen mit jeweils eigenem Briefkasten und Mülltonne, dies alles ist in einem tiefen Blau gehalten. Blau, u. a. als Farbe der Beruhigung, Beständigkeit und der Treue. Jeweils Sofas und, durchaus zukunftsoptimistisch, Kinderwiegen, sind dagegen im hoffnungsvollen Grün gehalten. Bei den Versuchungen und Liebesspielen im 2. Akt kommt dann noch ein kräftiger Rotton dazu. Das Heim des Kammermädchens Despina gleicht eher einer etwas zu groß geratenen Hundehütte (innen hat sie ein männliches Pin-up hängen, sie weiß schließlich sehr genau, was sie will).
In vielen Punkten ist die Inszenierung direkt und plakativ. Für Opernneulinge werden mit großen Buchstaben versehene quadratische Kartons zum Saal hin aufgestellt und während der Aufführung neu arrangiert. Sie verkünden gewissermaßen die jeweiligen Geschehnisse (wie „Die Wette gilt“ oder „Die Liebe gilt“ oder „Triebe“).
Alles steht auf der Drehbühne, wobei die Eigenheime selber auch noch drehbar sind. Der Trend zum Onlineshopping, dem auch die vier Protagonisten:innen unterliegen, ist hier ein Running Gag: Ein smarter Paketbote (Statisterie) liefert immer wieder Pakete aus.
Prinzen mit großem Herz und Blumen
Sind die Bräute auf Hochzeitskleider bzw. Mieder reduziert, erscheinen die beiden Liebhaber zunächst in einem konservativen Casual-Look, um dann als Sportler mit 1. FSV Mainz 05-er-Socken (Guglielmo) und im wallenden Mantel mit langen lilafarbenen Haaren (Ferrando) aufzutreten. Bei ihrer Ankunft im zweiten Akt schweben die beiden Traumprinzen effektvoll vom Schnürboden herab, in Form eines überdimensionalen Herzens und in einem Anzug aus lauter Blumen (Kostüme: Sophie du Vinage), ihnen folgen Dutzende Herzluftballons.
Verführerische Stimmen
Daniel Montané sorgt am Pult des Philharmonischen Staatsorchesters Mainz für einen temperamentvollen Höreindruck. Alle sechs beteiligten Sänger:innen glänzen mit starkem Spiel und Stimme, solistisch und bei den anspruchsvollen Ensembles. Die Sopranistin Selene Zanetti ist eine leidenschaftliche und lange Zeit felsenfeste Fiordiligi, die auch bereit ist, sich der Liebe wegen aus dem Fenster zu stürzen. Die Dorabella der Mezzosopranistin Karina Repova geht es da direkter an. Viele Facetten zeigt die Energie geladene Despina der Sopranistin Julietta Aleksanyan. Sie kann sich zudem in vielen unterschiedlichen Outfits zeigen, ist sie doch Reinigungskraft, Ärztin, Notarin und mehr. Selbst Don Alfonso ist vor ihr nicht sicher.
Bariton Brett Carter gibt trotz seines grellen, neonfarbenen Sportdresses nebst roter Pudelmütze einen mit virilem Charme ausgestatteten Guglielmo. Bedächtig und gefühlvoll ist der Ferrando des Tenors Myungin Lee. Mit markanter Stimme und stets eine Sonnenbrille tragend hält der Forscher Don Alfonso des Pablo Ruiz (alternierend: Stephan Bootz) die Spielfäden fest in seinen Händen. Als skurriler Begleiter Despinas ist Paul-Johannes Kirschner am E-Piano auf der Bühne zu erleben.
Den universellen Charakter der Liebe/Beziehung unterlegt Däuper, dass zu Beginn sieben statt nur zwei Bräute zu sehen sind, am Ende haben sich weitere Paare gefunden: Der Paketbote hat eine Partnerin, zwei Frauen sind glücklich miteinander und auch eine Dame ist es: mit ihrem Hund. Diversität hat viele Facetten. Dorabella und Guglielmo gehen jedoch auf Distanz.
Die Spaß bereitende Gratwanderung zwischen possenhafter Parodie und aktuellen Realitätsbezügen sorgte bei der Premiere für einen einträchtigen und lang anhaltenden Applaus für Sänger:innen, Musiker und das Regieteam.
Markus Gründig, Oktober 22
Così fan tutte ossia La scuola degli amanti
Dramma giocoso in zwei Akten
Von: Wolfgang Amadeus Mozart
Libretto: Lorenzo Da Ponte
Uraufführung: 26. September 1790 (Wien, Burgtheater am Michaelerplatz)
Deutsche Erstaufführung (in deutscher Sprache): 1. Mai 1791 (Frankfurt am Main, Oper Frankfurt)
Premiere am Staatstheater Mainz: 1. Oktober 22 (Großes Haus)
Musikalische Leitung: Daniel Montané
Inszenierung: Cordula Däuper
Bühne: Pascal Seibicke
Kostüme: Sophie du Vinage
Licht: Frederik Wollek
Dramaturgie: Elena Garcia Fernandez
Chor: Sebastian Hernandez-Laverny
Besetzung:
Fiordiligi: Selene Zanetti
Dorabella: Karina Repova
Guglielmo: Brett Carter
Ferrando: Myungin Lee
Despina: Julietta Aleksanyan
Don Alfonso: Pablo Ruiz / Stephan Bootz
Bühnenmusik: Paul-Johannes Kirschner
Statisterie des Staatstheater Mainz
Philharmonisches Staatsorchester Mainz
Nächste Vorstellungstermine:
So. 9. (15:00 Uhr), Fr. 14. und So. 23. Oktober
So. 13., So. 27. und Di. 29. November 22