Porträt einer starken Frau: Oper »Émilie« am Staatstheater Mainz

Emilie ~ Staatstheater Mainz ~ Emelie (oben: Julietta Aleksanyan, Alexandra Samouilido; unten: Bettina Fritsche, Maren Schwier) ~ © Andreas Etter
kulturfreak Bewertung: 4 von 5

Was für eine Frau! Mit Voltaire verfasste sie die Elemente der Philosophie Newtons, war eine Mathematikerin, Physikerin, Philosophin und Übersetzerin, nebenbei Mutter von vier Kindern. Sie übersetzte und kommentierte Newtons Hauptwerk „Principia Mathematica“ (Die mathematischen Grundlagen der Naturphilosophie“). Und das in einer Zeit, in der Frauen kaum Rechte besaßen. Gemeint ist Émilie du Châtelet (1706 – 1749; mit vollem Namen: Gabrielle Émilie Le Tonnelier de Breteuil, Marquise du Châtelet-Laumont).

Die finnische Komponistin Kaija Anneli Saariaho (1952 – 2023) widmete ihr eine Oper: Émilie. Sie wurde 2010 uraufgeführt und ist nun, auch wegen Hermann Bäumers Liebe zu nordischer Musik, als deutsche Erstaufführung am Staatstheater Mainz zu erleben.

Noch zu Lebzeiten der Komponisten konnte das Staatstheater Mainz von ihr das Einverständnis erhalten, das 75-minütige Monodrama für Sopran auf drei Sopranstimmen verteilt zu inszenieren. Auf die Bühne des Großen Hauses hat es der Regisseur Immo Karaman gebracht. 2022 stellte er sich mit Strawinskys The Rakes Progress erstmals in Mainz vor. Statt einer strengen Schwarz-weiß-Ästhetik ist die Welt der Emilie auf vier Quader aufgeteilt, von denen sich jeder perspektivisch verkleinert. Zusammen gleichen sie einem Setzkasten (Bühne: Immo Karaman und Philipp Contag-Lada).

Emilie
Staatstheater Mainz
Emelie (oben: Julietta Aleksanyan, Alexandra Samouilido; unten: Bettina Fritsche, Maren Schwier)
© Andreas Etter

In jedem steht eine der dreifach besetzten (Julietta Aleksanyan, Alexandra Samoulidou, Maren Schwier). Im vierten zusätzlich eine Performerin (Bettina Fritsche). Ihr Auftreten und Singen ist passgenau aufeinander abgestimmt (dabei können sie selbst nicht sehen, was ihre Partnerinnen gerade tun). Nicht nur die spärlich eingerichteten Räume, auch ihre Reifröcke (Glockenform, oval zu den Seiten) als Ausdruck ihrer Vorliebe für schöne Dinge, gleichen sich (Kostüme und Choreografie: Fabian Posca). Mittels Video werden geschickt mathematische Formeln auf die Wände projiziert (Video: Philipp Contag-Lada).

Die neun Szenen finden in der letzten Stunde im Leben der Émilie statt und sie einen Brief an ihren Geliebten schreibt. Mit 42 Jahren wurde sie erneut schwanger, was zur damaligen Zeit äußerst riskant war und für sie tödlich endete (das Kind überlebte nur wenige Wochen). In den Szenen blickt sie auf ihr turbulentes Leben zurück. Sie berichtet von ihrer Kindheit (vom Vater, der sie stark gefördert hat), von ihrer Arbeits- und Liebesbeziehung zu Voltaire (für den sie die „göttliche Emilie“ war), von wissenschaftlichen Themen (z. B. dass die Sonne nicht nur aus Feuer bestehen kann, sondern auch Masse haben muss), von ihrer Todesahnung und dem Wunsch, ihr Buch zu vollenden.

Kaija Saariaho setzte die Gefühle und Gedanken von Émilie subtil um. Die Musik unterscheidet sich in den neun Szenen und geht individuell auf die Szenentitel (wie „Voltaire“, „Feuer“ oder „Wissenschaft“) ein. Entsprechend kommen die Instrumente zum Einsatz (beispielsweise die „Vorahnung“ mit Cembalo und Marimba Klängen). Das Philharmonische Staatsorchester unter GMD Hermann Bäumer fächert Emilies Welt Szene für Szene breit und differenziert auf.
Am Ende intensiver Beifall.

Markus Gründig, Mai 24


Émilie

Oper in neun Szenen

Von: Kaija Saariaho
Libretto: Amin Maalouf

Uraufführung: 1. März 2010 (Lyon, Opéra de Lyon)
Deutsche Erstaufführung: 11. Mai 2024 (Mainz, Staatstheater Mainz)

Premiere/DE am Staatstheater Mainz: 11. Mai 24 (Großes Haus)
Besuchte Vorstellung: 18. Mai 24

Musikalische Leitung: Hermann Bäumer
Inszenierung und Bühne: Immo Karaman
Kostüme und Choreografie: Fabian Posca
Video und Bühne: Philipp Contag-Lada
Licht: Frederik Wollek
Dramaturgie: Sonja Westerbeck

Besetzung:

Emilie (Sängerinnen): Julietta Aleksanyan, Alexandra Samoulidou, Maren Schwier
Emilie (Tänzerin): Bettina Fritsche

Philharmonisches Staatsorchester Mainz

staatstheater-mainz.com