Liederabend Tanja Ariane Baumgartner (Mezzosopran), Martin Martineau (Klavier), Philipp Nickel (Viola)
Oper Frankfurt, 12. Juni 18
Die Mezzosopranistin Tanja Ariane Baumgarnter zählt zu den Säulen im Ensemble der Oper Frankfurt, dem sie seit der Spielzeit 2009/10 angehört. Allein in dieser Saison war sie hier in vier Rollen zu erleben: Als Azucena (Il trovatore), Erda (Das Rheingold), Fürstin von Bouillon (Adriana Lecouvreur) und als Clairon (Capriccio). Doch nicht nur in Frankfurt sorgt sie für Begeisterung bei Publikum und Presse. So war sie zwischendurch u. a. als Kundry in Tatjana Gürbecas Inszenierung von Richard Wagners Parsifal an der Vlaamse Opera Antwerpen und als Fricka in David Pountneys Inszenierung von Richard Wagners Walküre an der Lyric Opera of Chicago zu erleben (mit dieser Rolle debütierte sie auch im vergangenen Jahr bei den Bayreuther Festspielen).
Nachdem sie bereits im März 2015 einen Liederabend im Holzfoyer gegeben hatte, gab sie nun ihren ersten Liederabend im Opernhaus und beendete damit zugleich die Liederabendreihe der aktuellen Spielzeit an der Oper Frankfurt. Dabei zeigte sich Ihre große Popularität schon im Saal, denn dieser war sehr gut besucht.
Neben Werken aus dem 20. Jahrhundert (Mahler/Strauss) präsentierte Tanja Ariane Baumgarnter auch Lieder aus der Zeit der Romantik (Brahms/Wolf), alle voller Liebe, Sehnsucht und Leidenschaft. In einem schulterfreien roten Kleid mit schwarzem Blumenmuster reflektierte sie schon äußerlich das Thema Liebe und Leidenschaft. Sie eröffnete den Abend mit Brahms selten zu hörendem Liedzyklus Zigeunerlieder (op. 103), der aus seinem späten Liedschaffen stammt. Baumgartner bewies bereits bei diesen sehr unterschiedlichen acht Liedern ihr Talent für akkurate Liedinterpretationen. Mit sehr klarer Deklamation spürte sie den heiteren Liedern (wie „He, Zigeuner, greife in die Seiten ein“ oder „Brauner Bursche führt zum Tanze“) vorbildlich nach, wie sie auch den besinnlichen (wie „Kommt dir manchmal in den Sinn“) ein Großmaß an Innigkeit verlieh. Ihre Stimmfärbung passte dabei besonders gut zu Brahms, denn dieser hatte eine Vorliebe für dunkle Klangfarben. Mit viel Charisma und ausgeprägtem Gefühl für Musikalität führte sie an diesem Abend jedoch vor, dass sie gleichwohl auch ganz andere Schattierungen und Stimmungen hervorzaubern vermag.
Mit „Zwei Gesänge mit Viola (op 91) folgte etwas Außergewöhnliches, denn Baumgartner wurde hierbei zusätzlich von Philipp Nickel, erster Solobratscher im Frankfurter Opern- und Museumsorchester, an der Viola begleitet (sie selbst hatte ja vor Ihrer Gesangskarriere Geige studiert). Wobei die Viola bei diesen beiden Liedern mehr eine weitere Stimme als pure Begleitung ist, was Philipp Nickel mit Hingabe vorführte (besonders ergreifend: „Geistliches Wiegenlied“).
Auf Brahms folgten sodann fünf Lieder aus Gustav Mahlers Zyklus Des Knaben Wunderhorn, aus denen das ruhige „Nicht wiedersehen!“ hervorstach.
Nach der Pause stand mit Hugo Wolfs Mignon-Lieder („Kennst du das Land, wo die Zitronen blühen“), nach Texten von Johann Wolfgang von Goethe, die Sehnsucht im Mittelpunkt, die sich auch in der Auswahl von Strauss´ Lieder spiegelte. Mit dessen „Zueignung“, das oftmals als Zugabe gegeben wird, beendete Tanja Ariana Baumgartner ihren Liederabend, der mit großem Jubel vom Publikum beantwortet wurde. Hörbar erleichtert trug sie sodann drei Zugaben vor (wobei sie hier, wie auch den ganzen Abend zuvor, auf ausliegende Noten nicht verzichten wollte). Am Klavier begleitet wurde Sie von einer Liedbegleiter Koryphäe: vom britischen Pianisten Malcom Martineau. Auch er war mehr als ein ausgezeichneter Begleiter. Seinem fein nuancierten Spiel, das auch rasch in Vehemenz umschlagen kann, zuzuhören und zuzusehen, ist ein Erlebnis für sich (beim ersten Liederabend der kommenden Spielzeit wird er hier im September den Bass Günther Goissböck begleiten).
Markus Gründig, Juni 18
Die Zugaben:
Antonín Dvořák (1841-1904): „Když mne stará matka zpívat“ („Als die alte Mutter mich noch lehrte singen“), Nr. 4 aus den Zigeunermelodien op. 55 (1880)
Peter I. Tschaikowski (1840-1893): „Net, tol’ko tot, kto znai svidan’ja, zhazhdu“ („Nur wer die Sehnsucht kennt“), Nr. 6 aus den 6 Romanzen op. 6 (1869)
Richard Wagner (1813-1883): „Träume“, Nr. 5 aus den 5 Gedichten für eine Frauenstimme (Wesendonck-Lieder) WWV 91 (1857/58)
Joyce Di Donato: In War & Peace
Internationale Maifestspiele / Staatstheater Wiesbaden: 24. Mai 18
Die Welt zu Gast in Wiesbaden ist das Motto der Internationalen Maifestspiele des Staatstheater Wiesbaden. Nun war ein Weltstar zu Gast im Großen Haus: Die amerikanische Mezzosopranistin Joyce Di Donato. Obwohl ihre Auftritte in Deutschland rar sind, ist sie hier außerordentlich beliebt. So wurde sie im vergangenen Jahr in der Hamburger Elbphilharmonie mit einem Echo-Klassik in der Kategorie „Sängerin des Jahres“ ausgezeichnet.
Seit Dezember 2016, einen Monat nach Donald Trumps Wahlsieg und 13 Monate nach dem brutalen Terroranschlag des IS in und um den Pariser Bataclan-Club, startete Joyce Di Donato ihre Welttour „In War & Peace“ (begleitend zur gleichnamigen CD), die sie bisher in fast alle Kontinente geführt hat (und die sie ,wie sie an diesem Abend verriet, gerne in Washington, D.C. beenden würde). Dabei fragt sie sich und ihr Publikum: Wie kann man in der heutigen Welt seinen Frieden finden? Nicht den großen Weltfrieden, aber innere Ausgeglichenheit und Harmonie, ohne blind für das zu sein, was draußen geschieht. Sie will Mut stiften, die „Stufen zum Frieden mutig zu erklimmen“, wie sie im Programmheft zitiert wird.
Ihr Arienabend begann in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich. Die Kartenkontrolleure überreichten jedem Zuschauer einen Umschlag mit der Aufschrift „A message for you, from Joyce“. Im Umschlag eine Doppelkarte, die neben dem Dank für das Kommen auch die Bitte beinhaltete, sich selbst zu befragen, wie man inmitten des Chaos dieser Welt Frieden findet. Beigelegt war eine Antwortkarte, die ausgefüllt und beim Verlassen in bereit gestellte Boxen eingeworfen werden konnte. So bot sich jedem Zuschauer die Möglichkeit, Teil ihrer Friedensmission zu werden. Im Saal selbst dann die zweite Überraschung. Obwohl jetzt, 15 Minuten vor dem Beginn, der Saal erst für das Publikum geöffnet wurde, stand sie bereits im hinteren Bereich der Bühne mit festen, in die Seite gerichteten, Blick, vor den noch leeren Plätzen der Musiker, während am vorderen Bühnenrand gekrümmt der Tänzer (und Choreograf) Manuel Palazzo lag. Also kein effektvoller Auftritt zu Beginn, der ihrem Status als Mezzo-Königin durchaus angemessen gewesen wäre, sondern Bescheidenheit und Unterordnung in das Gesamtkonzept dieses Programms.
Ihr Arienprogramm aus der Zeit des Barock kreiste, entsprechend dem Programmtitel, zunächst um das Thema Krieg, mit energetischen, kämpferischen Titeln, wie Leonardo Leos „Prendi quiel ferro, o barbaro!“ oder „Pensieri, voi mi tormentate“ von Georg Friedrich Händel. Dessen träumerischer Hit „Lascia chío pianga“ deutete vor der Pause dann schon auf den zweiten Programmteil, den Frieden, hin. Besinnlichere und träumerische Arien, wie Händels „Crytal streams in murmurs flowing“ sorgten für bewegende Momente. Die Arie der Almirena „Augelletti, che cantate“ wurde zu einem herrlichen Wechselspiel zwischen DiDonato und der Soloflötistin Anna Fusek als Vogelstimme, die für diesen Zweck zur Akteurin auf der Bühne wurde.
Wie nur wenige Solisten schaffte es Joyce DiDonato, allein durch ihre Präsenz eine ganz besondere Aura zu schaffen. Sie braucht keine großen Gesten, bewegt sich fast demütig zwischen den Musikern der Barockspezialisten Il Pomo D’Oro und dem die Lieder tänzerisch untermauernden Manuel Palazzo. Dies zwar in herrschaftlichen Prachtkleidern (Kostüme: Vivienne Westwood), aber mit ruhigem Gang und sogar barfüßig.
Das unter Maxim Emelyanychev spielende Ensemble Il Pomo D’Oro war weit mehr als nur Begleiter. Mit mehreren Intermezzi, die vom Barock bis hin zur Moderne (Arvo Pärts “Da pacem, Domine”) reichten, rundeten sie dieses außergewöhnliche Programm stimmig ab.
Am Ende tosender Applaus und Standing Ovations. Mit zwei Zugaben (darunter Richard Strauss´ „Morgen“) und einer persönlichen Ansprache bedankte sich Joyce DiDonato beim Publikum.
Markus Gründig, Mai 18
Soiree des Opernstudios
Oper Frankfurt Holzfoyer, 23. Mai 18
»Ecco, ridente in cielo«
(„Hier, lachend im Himmel“)
Seit 10 Jahren gibt es das Opernstudio der Oper Frankfurt und die Erfolge der ehemaligen StipendiatInnen sprechen für sich. Zwölf von ihnen konnten bisher an das Haus gebunden werden, sie wechselten im Anschluss an ihre Zeit im Opernstudio in das Sängerensemble der Oper Frankfurt, wo sie, wie zuletzt Iurii Samoilov als Graf Danilo Danilowitsch in Lehárs Die lustige Witwe, in Hauptrollen das Publikum begeistern und auch zu internationalen Gastauftritten eingeladen werden (wie Kihwan Sim in die Metropolitan Opera in New York). Andere Alumni verfolgen ihre Karriere an großen Häusern (wie beispielsweise Nora Friedrichs an der Komischen Oper Berlin, Danae Kontora am Opernhaus Leipzig oder Ludwig Mittelhammer am Staatstheater Nürnberg). Manche sind inzwischen gar international durchgestartet (wie Paula Murrihy).
Zum zehnjährigen Bestehen gibt es neben diesen Erfolgen für diese hochkarätige Talentschmiede nun einen weiteren Grund zur Freude: Neben der Unterstützung durch den Patronatsverein wird das Opernstudio weiterhin von der Deutschen Bank Stiftung und der Stiftung Polytechnische Gesellschaft gefördert. Das Jubiläum wird gemeinsam mit aktuellen und ehemaligen SängerInnen am Dienstag, den 4. September 2018 mit einem Konzert auf der großen Bühne gefeiert (gemeinsam mit dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester).
Jetzt gaben die aktuellen StipendiatInnen ihre zweite Soiree in der Spielzeit. Die neuseeländische Mezzosopranistin Bianca Andrew konnte allerdings nicht teilnehmen, sie befindet sich derzeit auf einer literarischen Kammermusiktour durch ihr Heimatland. Der ausverkaufte Abend stand unter dem Motto „Ecco, ridente in cielo“ („Hier, lachend im Himmel“), den Anfangsworten des Grafen Almaviva in seiner Kavatine im ersten Akt aus Gioacchino Rossinis Il barbiere di Siviglia. Mit dieser eröffnete der aus Südkorea stammende Tenor Jaeil Kim den Arienreigen, der neben Werken des Belcanto auch etwas Barock und einige Arien der Romantik bot. Wie auch später mit Haydns „Non turbar quand’io mi lagno“ aus dessen Oper Lísola disabitata (Die wüste Insel), sang er mit großer Leidenschaft und feinen Nuancen. Bei seiner Kavatine wurde er nicht nur von Felice Venanzoni (Leiter des Opernstudios) am Klavier begleitet, sondern auch von Iain MacNeil an der Gitarre. Souverän und einnehmend bot Bassbariton Thesele Kemane Rossinis „Le femmine d’Italia“ (aus L’Italiana in Algeri) und Bellinis „Vi ravviso“ (aus La sonnambula).
Hinsichtlich Expressivität wurden Kim und Kemane von ihren Mitstreitern überboten. Iain MacNeil, Mikołaj Trąbka und Anatolii Suprun zeigten, dass sie über kräftige Stimmorgane verfügen. Der aus Kanada stammende Bariton Iain MacNeil nahm mit „Or dove fuggo io mei… Ah, per semre“ (Bellinis I puritani) und „Ah, je meurs, l’âme joyeuse (Verdis Don Carlos) für sich ein. Bariton Mikołaj Trabka hat inzwischen deutlich an darstellerischer Präsenz zugelegt, wie er bei der heiter gestimmten Arie „La donna russa“ (Umberto Giordanos Fedora) und Francesco Paolo Tostis träumerischem Lied „Ideale“ zeigte. Seine Leidenschaft für das Singen war hör und sichtbar. Der, wie Iurii Samoilov, aus der Ukraine stammende Bass Anatolii Suprun konnte bei der ersten Soiree in dieser Spielzeit noch nicht teilnehmen, da er erst wenige Tage danach sein Visum für Deutschland erhalten hatte. Er beeindruckte mit seiner ausdrucksstarken und kraftvollen Stimme bei Alexander Borodins schwermütiger Trauerromanze „Dlya beregov otchizny dal´noy“ („Zu den Ufern unseres fernen Vaterlandes“) und Verdis großer Arie „Come dal ciel precipita“ (aus Macbeth).
Einen starken Eindruck hinterließen auch die beiden Damen, die sich längst auf großer Bühne behauptet haben. Zur besonderen Freude der Oper Frankfurt ist Sopranistin Elizabeth Sutphen derzeit auch als Sophie in Strauss Der Rosenkavalier an der Glynbourne Opera verpflichtet. Die Pause zwischen zwei Aufführungsterminen nutzte sie, um hier mit glanzvollen Koloraturen, bei „Una voce poco fa“ (aus Rossinis Il barbiere di Siviglia) und „Care compagne … Come per me serena“ (aus Bellins La sonnambula) zu glänzen. Sopranistin Alison King präsentierte famos die 13-minütige Briefszene der Tatjana aus Tschaikowskis Eugen Onegin (Puskai pogibnu ya“).
Neben Felice Venanzoni wurden sie vor allem auch von Solorepetitor Michał Goławski einfühlsam am Klavier begleitet.
Am Ende sehr viel Beifall für die gelungene Präsentation der „lachenden Sieger“ unter dem Wolkenhimmel im Foyer der Oper Frankfurt.
Markus Gründig, Mai 18
Liederabend Nicole Cabell (Sopran), Carsten Lepper (Klavier)
Oper Frankfurt, 8. Mai 18
Oh happy day
Kaiserwetter mit sommerlichen Temperaturen in Frankfurt und ein wahrer Sonnenschein auch auf der Bühne der Oper Frankfurt: Nicole Cabell. Die US-amerikanische lyrische Sopranistin, mit markanten Stimmfarben und einer sicheren Höhe, gab jetzt hier mit einem Liederabend ihr Debüt. In Europa war sie bisher u. a. in Amsterdam (De Nationale Opera), Genf (Grand Théâtre de Genève, Nantes (Angers Nantes Opera), London (Royal Opera) und Paris (Opéra National de Paris zu Gast.
Selten war eine derart in sich und ihrem Körper ruhende, glücklich wirkende, mit eleganter aber unaufdringlicher Noblesse und voller Leidenschaft brennende Sängerin hier bei einem Liederabend zu erleben wie Nicole Cabell (was sicher nicht nur an ihrem anwesenden Ehemann lag). Nach einem noch etwas forsch vorgetragenen, den Liederabend eröffnenden „Al Amor“ („Zu lieben“) des spanischen Komponisten Fernando Obradors (1897-1945) änderte sich ihr Stil schnell. Schon beim darauf folgenden „¿ Corazón porqué pasáis“ („mein Herz, warum liegst du“) zeigte sie ihre Vorliebe für lang gezogene Bögen von Vokalen. Dabei wählte sie für die Lieder, nicht nur bei denen von Obradors, sondern auch bei denen von Maurice Ravel (1875-1937), ein angenehm langsames Tempo, wodurch diese noch stärker wirkten. Einen ersten Höhepunkt bildete das Kleinod „La mi sola, Laureola“ („Mein Ein und Allles, Laueola“), mit zwei ohne Klavierbegleitung gesungenen Versen.
Die Fünf griechischen Volkslieder des französischen Komponisten Ravel hatten an gleicher Stelle zuletzt Marianne Crebassa (Dez. 2017) und Anna Caterina Antonacci (Mai 2017) vorgetragen. Cabell ist dies, ob ihrer intensiven und dennoch unbeschwert wirkenden Gestaltung am besten gelungen. Besonders einnehmend: „La bas, vers l’église“ („Dort unten bei der Kirche“). Mit einem verschmitzten Mädchenlächeln beendete sie mit „Tout gai!“ („Ganz heiter!“) den kleinen Ravel-Zyklus.
Anspruchsvoll, für sie wie für den sie sorgsam begleitenden britischen Pianisten Carsten Lepper, waren die fünf Lieder aus Benjamin Brittens (1913-1976) „Les Illuminations“, die wie eine große Erzählung wirkten und von Nicole Cabell mit Anmut und Größe vorgetragen wurden.
Nach der Pause wartete Nicole Cabell mit einer wahren Rarität auf: mit acht Liedern aus Ricky Ian Gordons (* 1956), aus 10 Liedern bestehenden, Zyklus „Genius Child“. Zu Texten von Langston Hughes (der afroamerikanischen Künstlerbewegung Harlem Renaissance zugehörig) schuf der US-amerikanische Komponist abwechslungsreiche Miniaturen (die Cabell vor einigen Jahren gemeinsam mit Gordons aufgenommen hat). Besonders stark ob seiner Sanftheit und Ruhe im Vortrag: „Kid in The Park“ („Kind im Park“), demgegenüber das unruhige „Strange hurt“ („Seltsamer Schmerz“) seinem Titel alle Ehre machte. Aufleuchtend, strahlend und natürlich positiv strahlend: „My People“ („Meine Leute“) und „Joy“ („Freude“).
Zum Abschluss sang Nicole Cabell mit inniger Hingabe vier Spiritual-Klassiker, darunter das bekannte „Sometimes I Feel Like a Motherless Child“ („Manchmal fühle ich mich wie ein Kind ohne Mutter“).
Für den starken Publikumszuspruch bedankte sich Nicole Cabell beim Publikum auch mit ein paar persönlichen Worten. Dass es ihr eine große Freude war, hier gemeinsam mit dem Pianisten Carsten Lepper einen Liederabend zu geben, war ihr den ganzen Abend über angenehm anzumerken.
Markus Gründig, Mai 18
Die Zugaben:
George Gershwin (1898-1937): „Summertime“, Wiegenlied der Clara aus dem 1. Akt der Oper Porgy and Bess (1935)
Giacomo Puccini (1858-1924): “O mio babbino caro“, Arie der Lauretta aus dem Operneinakter Gianni Schicchi (1918), letzter Teil der Trilogie Il trittico.
Liederabend Michael Fabiano (Tenor), Laurent Philippe (Klavier)
Oper Frankfurt, 3. April 18
Im Alter von 22 Jahren debütierte Michael Fabiano im Jahr 2006 in Verdis La Traviata am Stadttheater Klagenfurt. Inzwischen, kurz vor seinem 34. Geburtstag, ist der der amerikanische Tenor mit italienischen Wurzeln, an vielen großen Opernhäusern der Welt ein gefragter Gast.
„Er war der unbestrittene Star des Abends“ schrieb zuletzt David Salazar, Chefredakteur von Operawire.com zu Michael Fabianos Debüt in der Titelrolle von Verdis Il Corsaro am Palau de les Arts Reina Sofía in Valenzia, zur Premiere am vergangenen Ostersonntag (1. April 18). Im Zeitraum bis zur zweiten Aufführung am Donnerstag (5. April 18) legte Fabiano einen außergewöhnlichen Liederabend an der Oper Frankfurt ein (womit er sein Debüt in Frankfurt/M gab). Die nächsten Stationen der kommenden Monate sind Los Angeles (Herzog von Mantua in Verdis Rigoletto), Sydney (Sir Edgardo di Ravenswood in Donizettis Lucia di Lammermoor), New York (Rodolfo in Puccinis La Bohéme), Chicago (Rodolfo in Puccinis La Bohéme), New York (Faust in Boitos Mefistofele), London (Faust in Gounods Faust) und Berlin (Herzog von Mantua in Verdis Rigoletto).
Diesem Stil und Tempo entsprach zwar sein außergewöhnliches Lied-Programm weniger, dafür allerdings sein energetischer, oftmals expressiver Vortragsstil, der das Publikum vollauf begeisterte, mitriss und für lautstarken Zwischenapplaus und zahlreiche Bravo-Rufe sorgte. Es beinhaltete selten gesungene Lieder der Komponisten Samuel Barber, Henri Duparc, Joaquín Turina, Franz Liszt, Arturo Toscanini und Giacomo Puccini (die er frei von ausliegenden Noten und in vier Sprachen sang). Überwiegend melancholische und düstere Lieder über Liebesverlust, Trauer und Tod. Wie die meisten US-Amerikaner hat auch Michael Fabiano eine starke Bühnenpräsenz. Dazu allerdings auch ein überdurchschnittlich starkes Stimmorgan mit dunkler Färbung, das er mit voller Leidenschaft präsentierte (dafür schien selbst die Oper Frankfurt fast zu klein zu sein). Freunde der eher ruhigeren Kunstliedgattung kamen dabei nicht so ganz auf ihre Kosten. Wobei Fabiano durchaus auch sehr schön lyrische Gesangsbögen zu gestalten weiß und die Stimme im Pianogesang wunderbar samtig klingt.
Schon mit den ersten Liedern von Samuel Barber, dessen Oper Vanessa zu Spielzeitbeginn an der Oper Frankfurt wiederaufgenommen wurde und mit dessen Anthony and Cleopatra 1966 das neue Metropolitan Opera House eröffnet wurde, präsentierte Michael Fabiano einen sehr vitalen Vortragsstil, den weder lang anhaltender Regen („Rain has fallen“) noch heranrückende Heere (I hear an army“) aus der Fassung bringen können, sondern ihn erhaben und größer machen. Nach diesem stürmischen Auftakt folgten vier Lieder des französischen Komponisten Henri Duparc. Herausragend hier „Lamento“, mit seiner gespenstischen Friedhofsvision und seinen Trauerharmonien, vor allem aber das großartige Beispiel impressionistischer Musik, „Phidyle“, mit seinem schlummerliedartigen Refrain, seiner steigernden Stimmung zu erregter Liebeserwartung und seinem immer ruhiger werdenden Klaviernachspiel. An diesem begleitete ihn erhaben und virtuos aufspielend Laurent Philippe. Einem solistischen Zwischenstück sollten dann eigentlich fünf Lieder des Spaniers Joaquín Turina folgen, doch ein technisches Problem mit einem Pedal am Steinway-Flügel sorgte für eine Unterbrechung (einen derartigen Vorfall hatte es bis dato noch nie gegeben). Michael Fabiano nutzte die Zeit, um sich beim Publikum persönlich vorzustellen. Dabei bedankte er sich charmant für die Einladung, an diesem Haus mit seinen großartigen Sängern, einen Liederabend geben zu können. Sodann verkündete Pressesprecher Holger Engelhardt das Vorziehen der Pause.
Nach dieser wurden die fünf Lieder von Joaquín Turinas Zyklus „Poema en forma de cancions“ (op.19) gesungen. Diese prägen eine besondere anmutige und heitere Stimmung, kehrte Turina doch hierbei zu den Quellen der andalusischen Volksmusik zurück. Ein Highlight gab es bei den vier französischen Liedern von Franz Liszt mit „Oh! Quand je dors“, ein impulsiver und dennoch inniger Vortrag. Lieder von Arturo Toscanini zu hören ist eine Rarität, ist dieser doch in erster Linie als einer der überragenden Dirigenten seiner Zeit bekannt (und seinem Ideal für eine werkgetreue Interpretation). Besonders klangschön hierbei: „Presentimenti“.
Einen ariosen Schluss- und Höhepunkt setzte Fabiano mit der packenden Romanze Robertos („Ecco la casa… Torna ai felici di…“) aus Giacomo Puccinis Tanzoper Le Villi (die an der Oper Frankfurt zuletzt im Oktober 2009 in einer Inszenierung von Sandra Leupold und unter der Musikalischen Leitung von Stefan Solyom Premiere feierte).
Auch am Ende kräftiger Applaus für Michael Fabiano, „der zu den aufregendsten jungen Sängern seines Fachs“ (Oper Frankfurt) zählt. Von Ermüdung keine Spur: Bei den vier (!) gegebenen Bravourarien als Zugaben stellte er seine voluminöse und schön timbrierte Stimme und seine ausgefeilte Gesangstechnik erneut unter Beweis.
Markus Gründig, April 18
Die Zugaben:
Peter I. Tschaikowski (1840-1893): Arie des Lenski aus dem II. Akt von Eugen Onegin (1879)
Giuseppe Verdi (1813-1901): Arie des Corrado aus dem I. Akt von Il Corsaro (1848)
Francesco Cilea (1866-1950): Arie des Federico aus dem II. Akt von L’Arlesiana (1897)
Francesco Paolo Tosti (1846-1916): „L’alba separa dalla luce l’ombra“, Nr. 2 aus Quattro canzoni d’Amaranta (1907)
Liederabend : Elizabeth Reiter singt Lieder im Foyer
Oper Frankfurt, 15. März 18 (Holzfoyer)
Nature, the gentlest mother…
Bereits in den Spielzeiten 2011/12 und 2012/13 war die in Chicago geborene Sopranistin Elizabeth Reiter Mitglied des Opernstudios der Oper Frankfurt, dessen Ensemble sie seit der Spielzeit 2013/14 angehört. Im nächsten Monat wird sie erstmals die Woglinde in Wagners Das Rheingold verkörpern und ab Mai zudem die Sylviane in Lehárs Operette Die lustige Witwe.
Zuvor hatte sie jetzt die Gelegenheit, sich bei der Reihe „… singt Lieder im Foyer“, die neben der äußerst erfolgreichen Liederabend-Serie im Opernhaus angeboten wird, dem Publikum eine weitere Seite ihrer Künstlerpersönlichkeit zu präsentieren: als Liedsängerin. Als solche betrat sie hier kein Neuland, wurde sie doch schon 2011 beim New Yorker Liederkranz Voacal Competition ausgezeichnet.
Ihr einstündiger Abend stand unter dem Titel „Nature, the gentlest mother…“ („Natur, gütigste Mutter…“), der sogleich der Titel des ersten Liedes aus Aaron Coplands Zyklus „Twelve Poems of Emily Dickinson“ ist. Der US-amerikanische Komponist Aaron Copland (1900 – 1990) machte vor allem in den 1930er Jahren auf sich aufmerksam, in denen er zur Leitfigur des sogenannten „New Americanism“ wurde. Jedes der zwölf Poems ist dabei einem Komponistenfreund gewidmet.
Es sind technisch anspruchsvolle Lieder, die für die wandelbare Elizabeth Reiter aber scheinbar keine schwere Hürde darstellten. Schon beim eröffnenden „Nature, the gentlest mother…“ war sie äußerst präsent und präsentierte sich stets freundlich lächelnd sehr professionell, ohne oberflächlich zu wirken. Jedes der nachfolgenden Lieder präsentierte sie mit schönen Phrasierungen und beeindruckte mit ihrer kräftigen Stimme, die sie aber auch sehr dosiert einzusetzen weiß. Diese konnte sie insbesondere bei den expressiven Ausbrüchen in Liedern wie „There came a wind like a bugle“ eindrucksvoll unter Beweis stellen und bei denen sie durchaus eine gewisse Schärfe hören ließ. Die zwölf Poems sang sie aufgeteilt in zwei Blöcke à sechs Poems. Dazwischen bot sie zwei populäre Lieder des französischen Komponisten Francis Poulenc (1899 – 1963) aus dessen Zyklus „Deux Poèms de Luis Aragon“ (von 1943) und drei populäre Lieder von Hugo Wolf (1860 – 1903) aus dessen Mörike-Vertonungen (von 1888).
Poulencs „C“, einem melancholisch gefärbten Abschiedslied, stellte sie das furiose „Fétes galantes“ gegenüber, Wolfs träumerischen „Im Frühling“ und dem ätherisch anmutenden „An eine Äolsharfe“ das leidenschaftliche Frühlingslied „Er ist´s“. Bei letzterem bewies Liedgestalter Hilko Dumno am Klavier große Fingerfertigkeit, wie er auch ganz besonders die Copland Poems galant begleitete.
Sehr viel Applaus für großartig dargebotene Liedkunst, für den sich Elizabeth Reiter und Hilko Dumno mit zwei Zugaben bedankten („Over the Rainbow“ aus dem Musicalfilm „Der Zauberer von Oz“ in einer subtilen Interpretation und als Reprise Poulencs „Fétes galantes“.
Markus Gründig, März 18
Liederabend : Gordon Bintner singt Lieder im Foyer
Oper Frankfurt, 7. Februar 18 (Holzfoyer)
Seit der Spielzeit 2016/17 ist der gebürtige Kanadier Gordon Bintner Ensemblemitglied der Oper Frankfurt, wo er derzeit als Graf in Strauss´ Capriccio zu erleben ist (und demnächst als Alexandr Petrovic Gorjancikov in Janáčeks Aus einem Totenhaus). In der Reihe „… singt Lieder im Foyer“ stellte sich der junge, groß gewachsene Bassbariton jetzt als Liedsänger dem Frankfurter Publikum vor.
Unter dem Titel „Love and Loss“ präsentierte er ein anspruchsvolles, leidenschaftliches Programm in drei Sprachen, mit Liedern aus der Romantik (von Franz Schubert) und aus dem 20. Jahrhundert (von Jaques Ibert und Gerald Finzi).
Franz Schubert bei Liederabenden ist per se keine Besonderheit, die hier gewählten sieben Lieder aber schon. Das den Abend heroisch wie lebhaft eröffnende „An die Leier“ galt dabei quasi als Exposition zu „Love and Loss“. Der im Lied zitierte Sänger will eigentlich Heldenlieder singen, verfällt aber immer wieder in Liebesgesänge (frei nach dem Motto „Wes das Herz voll ist des geht der Mund ueber“). Von Anbeginn zeigte Bintner eine starke Präsenz, gepaart mit seiner überaus voluminösen Stimme, da war das Holzfoyer schon ein fast zu kleiner Raum (er kann er sich aber auch stimmlich zurücknehmen und dann immer noch gut singen). Neben schwärmerischer Verliebtheit, dargeboten mit „An Silvia“, besteht die Liebe bekanntlich nicht nur aus eitel Sonnenschein, oftmals sind Verluste zu erfahren, die sehr schmerzhaft sein können. Dies zeigte Bintner mit impulsiver Leidenschaft bei „Der Zwerg“, einer intensiven Gefühlsschilderung eines Abgewiesenen, der voller Verlangen ist, aber kein Erbarmen zeigt. Bei den Schubert-Liedern bot Bintner eine hervorragende Textverständlichkeit, als würde er schon viele Jahre in Deutschland leben (zudem sang er alle Lieder des Abends frei von ausliegenden Noten).
Der in Paris geborene (1890) und gestorbene (1962) Komponist Jacques François Antoine Ibert hinterließ ein umfangreiches Werkverzeichnis: Oper, Ballett- und Filmmusik, dazu Lieder, sinfonische Werke, Konzerte, Kammermusik und Chorwerke. Im Jahr 1932 stach er gar u. a. Manuel de Falla und Maurice Ravel aus. Diese waren, wie auch Marcel Delannoy, Darius Milhaud und Jacques Ibert, von Georg W. Pabst aufgefordert worden, die Musik für eine Verfilmung von Don Quixote (mit Feodor Chaliapin in der Titelrolle) zu schreiben. Die Wahl fiel auf Ilbert. So entstanden die Chansons de Don Quichotte, die Gordon Bintner mit großer Emphase vortrug. Schildert „Chanson de départ“ noch etwas abstrakt ein Schloss als Sinnbild für die reine Liebe, manifestiert sich die Liebe zur erträumten Dulcinella in „Chanson à Dulcinée und „Chanson du Duc“. Vom nahen Ende Don Quixote kündete mit melancholischer Note das vierte Lied („Chanson de la mort de Don Quichotte“), mit dem Aufruf an den Freund Sancho, nicht zu weinen.
Der britische Komponist Ferald Finzi, hatte sich für die fünf Lieder seines Zyklus „Let us Garlands bring“ viel Zeit gelassen, sie wurden zwischen 1929 und 1942 geschrieben und verwenden alle Texte aus Shakespeares Dramen. Sie wurden anlässlich des siebzigsten Geburtstages des Komponisten und Dirigenten Ralph Vaughan Williams 1942 in London uraufgeführt (und ihm gewidmet). Für Gordon Bintner boten sie eine weitere Gelegenheit, unterschiedliche Stimmungen zu vermitteln und weitere Facetten seiner Gesangkunst und seiner kraftvollen Stimme zu zeigen. Besonders intensiv das sanfte „Fear No More the Heat o’ the Sun“ (aus Shakespeares Theaterstück Cymbeline) und ein gelungener Abschluss „It Was a Lover and His Lass“ (aus Wie es euch gefällt).
Nicht nur am Ende viel Applaus für Gordon Bintner und seinen ihn mit vornehmen Spiel begleitenden Pianisten Hilko Dumno, für den sie sich mit zwei Zugaben von Schubert bedankten („An die Musik“ und „Der Fischer“).
Markus Gründig, Februar 18
Liederabend Dorothea Röschmann (Sopran), Malcom Martineau (Klavier)
Oper Frankfurt, 24. Januar 18
Sie ist eine der bekanntesten Sopranistinnen: Dorothea Röschmann. Kein Wunder, dass ihr Liederabend an der Oper Frankfurt sehr gut besucht war. Nach ihrem Sensationsdebüt bei den Salzburger Festspielen 1995 legte die lyrische Sopranistin eine rasant verlaufende Karriere hin, mit regelmäßigen Engagements an den ganz großen Häusern, wie der Bayerischen Staatsoper München, der Wiener Staatsoper oder der New Yorker Met, arbeitete dabei mit Stardirigenten wie Daniel Barenboim, Nikolaus Harnoncourt oder Christian Thielemann. 2016 erhielt sie den Ehrentitel „Berliner Kammersängerin“ zugesprochen, im vergangenen Jahr wurde sie für ihre Aufnahme eines Schumann-Berg-Albums mit einem Grammy geehrt (bei dem sie von der Pianistin Mitsuko Uchida begleitet wurde). Schon seit Langem gibt sie regelmäßig Konzert- und Liederabende, nicht zuletzt, weil mit den Jahren die Stimme reifer und voller wird.
.
Das von ihr gewählte Programm für Ihr Liederabenddebüt an der Oper Frankfurt gestaltete sie mit Liedern der Komponisten Franz Schubert, Gustav Mahler, Robert Schumann und Richard Wagner, also ganz traditionell. Dabei stellte sie die einige der sehnsuchtsvollsten und melancholischen Werke dieser Komponisten vor. Ihre große Erfahrung als Sängerin spiegelte sich auch in ihrem souveränen und professionellen Auftritt. Sie sang frei von ausliegenden Notenblättern.
Schon im ersten Block, mit einer Auswahl an Liedern aus Schuberts todessehnsuchtsvollem Zyklus „Gesänge aus Wilhelm Meister“ führte Dorothea Röschmann ihre kräftige Stimme vor, die sie in eindrucksvollen Nuancen zu führen weiß. Insbesondere bei den Klängen im Fortissimo kommt sie dabei einer opernartigen Interpretation nahe (weniger einer intimen liedhaften). Beeindruckend ist, wie intensiv sie nahezu jede einzelne Note ausgestaltet. Hierbei half ihr das verwendete ungewöhnlich langsame Grundtempo. Der ohnehin schon schwere Charakter der Lieder wurde dadurch deutlich verstärkt.
Mahlers Fünf Lieder nach Gedichten von Friedrich Rückert begannen mit „Blicke mir nicht in die Lieder“ flott und heiter, doch währte dies nur kurz. „Um Mitternacht“ und „Ich bin der Welt abhandengekommen“ zelebrierte sie mit großer und ruhiger Innigkeit.
Im Teil nach der Pause beeindruckte Röschmann vor allem mit Wagners Wesendock-Liedern, allen voran mit dem bekannten „Im Treibhaus“.
Zusammen mit dem behutsam spielenden bekannten Pianisten Malcom Martineau bildeten sie ein eingespieltes Team.
Sehr viel Applaus für den Ausflug zu romantischen Liedklassikern und drei Zugaben als Dank an das Publikum (deren Titel Pianist Malcom Martineau ansagte).
Markus Gründig, Januar 18
Die Zugaben:
Franz Liszt (1811-1886): „Es muss ein Wunderbares sein“, S. 314 (1852)
Hugo Wolf (1860-1903): „In der Frühe“ (Nr. 24 der Mörike-Lieder, Heft II; 1888)
Robert Schumann (1810-1856): „Die Lotusblume“ (Nr. 7 aus dem Zyklus Myrthen, op. 25; 1840)
Liederabend Marianne Crebassa (Mezzosopran), Alphonse Cemin (Klavier)
Oper Frankfurt, 19. Dezember 2017
Mit ihrem Debütalbum “Oh, Boy!“ ergründete die französische Mezzosopranistin Marianne Crebassa die Welt der Hosenrollen und des Geschlechtertausches und landete damit gleich einen großen Erfolg in Deutschland. Beim diesjährigen ECHO Klassik in der Hamburger Elbphilharmonie wurde sie in der Kategorie „Solistische Einspielung/Gesang (Duette/Opernarien)“ ausgezeichnet. Die großen Bühnen eroberte die junge Französin (Jahrgang 1987) schon vorher: Salzburger Festspiele, Mailänder Scala und die Wiener Staatsoper sind nur einige ihrer zurückliegenden Stationen.
Im Oktober erschien ihr zweites Album („Secrets“), bei dem sie sich ausschließlich dem französischen Lied widmet (begleitet vom türkischen Starpianist und Komponist Fazıl Say, dessen Ballade “Gezi Park 3” ebenfalls auf der CD enthalten ist).
Ausschließlich französisch war auch das Programm bei ihrem Liederabenddebüt an der Oper Frankfurt, mit Liedern der Komponisten Maurice Ravel, Francis Poulenc, Claude Debussy, Gabriel Fauré und Henri Duparc. Zeitlich bewegte sie sich dadurch von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, aus der Zeit des Impressionismus, bis ins frühe 20. Jahrhundert. Die Gattung des französischen Kunstlieds ist nicht identisch zur deutschen Liedkunst. Die meist als „Melodies“ bezeichneten Werke sind ganz besondere Vertonungen von Texten großer Literaten (wie Paul Verlaine oder Charles Baudelaire). Sie handeln von antiken Liebesszenen, Landschaftsbildern und eben Geheimnissen (dem Titel ihres neuen Albums).
Marianne Crebassa nimmt gleich mit ihrem dezenten und strahlenden Lächeln und einer großen Stimme für sich ein. Sie hat ein Stimmorgan, das mühelos große Räume füllen kann. Dennoch bricht ihre Stimme bei im piano oder pianissimo gesungene Töne nicht weg. Sie bietet eine breite Skala an Stimmfarben. Und bewies bei ihrem dargebotenen umfangreichen Programm große Ausdauer. Im ersten Teil präsentierte sie eine Auswahl von Maurice Ravel und Francis Poulenc, im zweiten Teil von Claude Debussy, Gabriel Fauré und Henri Duparc.
Bei Ravels „Fünf griechischen Mélodies“ ragte das euphorisch träumerische „Lied von den Frauen bei der Mastixernte“ ob seiner intimen Darbietung heraus. Ebenso sein nicht minder die Liebe würdigendes „Die Zauberflöte“ aus dem Shéhérazade-Zyklus.
Der erste Teil endete mit einer leichten Melancholie in Form von Poulencs „Schluchzen”. Im Teil nach der Pause bestachen insbesondere Faurés „Spiegelungen im Wasser“ und Duparcs „Ekstase“. Bei alledem schwebte etwas Geheimnisvolles, verstörtes, gleichsam Schwebendes mit, so wie es von der Figur der Mélisande bekannt ist. Diese Rolle, aus Debussys Pelléas et Mélisande, wird Marianne Crebassa ab Mai nächsten Jahres an der Berliner Staatsoper unter den Linden an der Seite von Rolando Villazón (Melsande) und Michael Volle (Golaud) verkörpern.
Mit dem Pianisten Alphonse Cemin hatte Marianne Crebassa einen zuverlässigen Partner, der mit seinem Akzente setzenden Spiel auffiel und zudem zwei glanzvolle Soli spielte.
Am Ende viel und starker Applaus für die charmante junge Französin und ihrem poetischen Vortrag. Dazu gab es zwei Zugaben für das Publikum.
Markus Gründig, Dezember 17
Die Zugaben:
Maurice Ravel (1875-1937): „Vocalise-étude en forme de Habanera“ (1909)
Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791): Arie des Cherubino “Voi che sapete” aus dem 2. Akt von Le nozze di Figaro KV 492
Liederabend Michael Volle (Bariton), Helmut Deutsch (Klavier)
Oper Frankfurt, 28. November 17
Es war zwar erst der dritte von insgesamt acht Liederabenden in der aktuellen Spielzeit, dennoch lässt sich sagen, dieser war außerordentlich und wird schwer zu toppen sein. Mit dem Bariton Michael Volle war ein Sänger zu Gast an der Oper Frankfurt, der ansonsten nur an den ganz großen Häusern und Festspielen der Welt zu erleben ist (wie u. a. in Bayreuth, Baden Baden, Salzburg, Wien, New York und Mailand). Wobei ein großer Name allein noch keine Garantie für einen gelungen Liederabend ist. Doch Michael Volle ist einzigartig. Seit vielen Jahren singt er nicht nur Opernpartien, wie von Berg, Mozart und Wagner, er ist auch regelmäßig in Konzerten und Liederabenden zu erleben. Und seine Liedinterpretationen sind superb, davon konnte sich jetzt das Frankfurter Publikum überzeugen. Er beherrscht die Darbietung von anspruchsvollen Kunstliedern in Perfektion. Lautstark singen können viele, doch wie er insbesondere ruhige Lieder vermittelt, ohne dass seine kernige Baritonstimme im äußerst langsam gesungenen Pianissimo weg bricht, ist beeindruckend.
Mit Franz Schubert und Gustav Mahler wählte er für sein Programm populäre Vertreter des Liedrepertoires. Die Auswahl an Lieder war dann aber schon ausgefallen. Zu Beginn standen Lieder von Schubert, die Flüsse, Seen und die Meere behandelten. Nach einem eröffnenden und mit viel Elan schwungvoll vorgetragenen „Der Schiffer“, bei dem man förmlich die sich aufpeitschenden Meereswellen spüren konnte, folgte mit „Lied eines Schiffers an die Dioskuren“ ein Stimmungswechsel, der zum ruhigen „Meeres Stille“ führte. Grandios, wie Volle hier die besungene tiefe Stille zelebrierte.
Die große Bandbreite seiner prägnanten Stimme zeigte Michael Volle auch bei der Auswahl an Liedern von Gustav Mahler-Block (nach Gedichten von Friedrich Rückert). Ton um Ton verwebend, füllte er den Text ausdrucksstark mit Leben. Dabei war er stets hervorragend zu verstehen. Schön verträumt das zarte Liebeslied „Ich atmet´einen linden Duft“. Arios wuchtig aufblühend beim ins Erhabene führende „Um Mitternacht“ und als Highlight vor der Pause das mit ergreifender Innigkeit gegebene bekannte, melancholische „Ich bin der Welt abhanden gekommen“.
Im Teil nach der Pause wählte er erneut Schubert und Mahler, nur dass er nun mit Mahler begann (mit dessen schwermütigen Liedsammlung „Lieder eines fahrenden Gesellen“). Erstes Highlight gleich „Wenn mein Schatz Hochzeit macht“, abgründig traurig, wie auch „Die zwei blauen Augen“, das Publikum lauschte mit ehrfurchtsvoller Stille. Faszinierend, wie innig und ausdrucksstark Michael Volle Texte in den unterschiedlichsten Klangfarben auszumodulieren vermag.
Dass Franz Schubert auch anders kann als melancholisch, zeigte Volle dann mit “Drei italienische Gesänge”. Temperamentvolle, leidenschaftlich glühende Gefühlsaufwallungen beherrschen diesen kleinen Zyklus, den Volle mit ariosem Vergnügen vortrug und dabei die Zuhörer aus Mahlers Tiefen wieder ins pralle Leben zurückführte.
Unterstützt wurde er vom österreichischen Pianisten Helmut Deutsch. Der Star-Liedbegleiter ist dem Frankfurter Publikum seit vielen Jahren vertraut. Michael Volle und er bildeten ein perfekt eingespieltes Team (es gibt auch eine gemeinsame CD-Einspielung der beiden).
Starker und lang anhaltender Applaus für den Ausnahmeliedsänger, der sich mit drei gewitzt vorgetragenen Zugaben beim Frankfurter Publikum bedankte.
Markus Gründig, November 17
Die Zugaben:
Gustav Mahler: „Selbstgefühl“ (aus: Des Knaben Wunderhorn)
Franz Schubert: „Heliopolis II“
Gustav Mahler: „Scheiden und Meiden“ (aus: Des Knaben Wunderhorn)
Liederabend Carolyn Sampson (Sopran), Joseph Middleton (Klavier)
Oper Frankfurt, 7. November 17
Sie sah´ mich an: ihr Leben hing
Mit diesem Blicke an meinem Leben,
Und um uns ward´s Elysium.“
(aus Richard Strauss: Das Rosenband, Text: Friedrich Klopstock)
In der trüben Herbstzeit erfreut das Thema, unter das die britische Sopranistin Carolyn Sampson ihr Liederabenddebüt an der Oper Frankfurt gestellt hat, ganz besonders: Blumen. Denn Blumen haben ihre ganz eigene Sprache. Wo Worte mitunter den falschen Ton treffen oder anders als gedacht ankommen, erfreuen Blumen jeden, egal ob jung oder alt, ob Frau oder Mann und dies auch unabhängig von der Nationalität. So ist es kein Wunder, dass viele Komponisten Lieder komponiert haben, bei denen Blumen eine zentrale Rolle spielen. Aus dem umfangreichen Fundus wählten Carolyn Sampson und ihr langjähriger Klavierbegleiter Joseph Middleton bereits vor einiger Zeit während eines zweitägigen Auswahlverfahrens 24 Lieder von zehn Komponisten quer durch die Jahrhunderte (vom 17. bis ins 20.). Sie unterteilten sie in vier Themenblöcke: „Was sagt schon ein Name? Was wir eine Rose nennen, duftet unter jedem anderen Namen ebenso süß“, „Mädchenblumen“, „Wenn Blumen sprechen“ und „Un Bouquet francis“. Ein bunter Strauß sozusagen. Das Liedprogramm entspricht auch dem ihres 2015 beim schwedischen Label BIS Records erschienenen Albums „Fleurs“ (Blumen).
Schon mit dem ersten Lied, Henry Purcells „Sweeter than Roses“ nahm Carolyn Sampson stark für sich ein. Sie schafft durch ihre unaufdringliche, aber intensive Präsenz und mit ihrem großem lyrischen Gefühl eine einzigartige Aura der Verzauberung: über Blumen, die Liebe und über die Freude am Singen gleichermaßen. Denn Purcells Lied handelt mehr von einem göttlich empfundenen Kuss, denn von Rosen. Sampson ist eine Meisterin der feinen, leisen Töne, die sie überaus subtil zu gestalten weiß. In diesem Stil präsentierte sie nahezu das gesamte Programm. Die unterschiedlichen Stimmungen der vielen Lieder aus unterschiedlichsten Zeiten, in drei verschiedenen Sprachen und von so unterschiedlichen Komponisten umgab sie so mit einem ganz eigenen homogenen Rahmen.
Von unerwiderter Liebe kündete Benjamin Brittens melancholische „The Nightinggale and the Rose“. Doch gab es auch Heiteres und Bewegtes, wie mit Charles Gounods „Le Temps des roses“ (Rosenzeit). Andächtig gestaltete sie vor der Pause die Auswahl an Liedern von Richard Strauss (und dies akzentfrei), bei dem das mit Andacht vorgetragene „Das Rosenband“ (Liebesglückseligkeit bis ins Elysium) und das in berauschende „Efeu“ ganz besonders gefielen. Größere Gefühlswallungen zeigte sie bei „Fleur jetée (Fortgeworfene Blume) von Gabriel Fauré und ein innig vorgetragenes Tongemälde mit Claude Debussys „De Fleurs“ (Von Blumen), das arios endet.
Von angespannter Konzentration war bei Carolyn Sampson nichts zu spüren, dafür ein oftmals strahlendes, ansteckendes Lächeln (bei ansonsten wenig Körpersprache). Was bei Liederabenden leider nur sehr selten gemacht wird, sie nutzte die Gelegenheit und stellte ihr Liedprogramm vor (im fließenden Deutsch, inklusive Verweis auf ihre CD). Mit dem Pianisten Joseph Middleton hatte sie nicht nur ihren Programmberater mit dabei, sondern auch einen zuverlässigen Begleiter, der mit seinen mitunter starken Nuancierungen den Liedern zusätzlich Charakter verlieh.
Am Ende lang anhaltender Applaus und zwei Zugaben.
Markus Gründig, November 17
Die Zugaben:
Roger Quilter (1877-1953): „Now Sleeps the Crimson Petal“, op.3 / No. 2 (aus: 3 Songs, op.3; 1904/05)
Franz Schubert (1797-1828): “Heidenröslein”, D. 257, op. 3 / No. 3 (1815)
Maria Pantiukhova singt Lieder im Holzfoyer
Oper Frankfurt (Holzfoyer), 12. September 17
„In meinen Adern rollt das heiße Blut“
aus „Ach, wende diesen Blick“ von Brahms/Daumers
Nach Beendigung der Sommerpause ist der Spielbetrieb der Städtischen Bühnen Frankfurt noch dabei, sich warm zu laufen und schon gab es jetzt in der Oper das erste Konzert in der intimen Atmosphäre der „… singt Lieder im Holzfoyer“-Reihe. Die gebürtige Russin Maria Pantiukhova stellte sich hierbei mit Liedern von Brahms, Rimski-Korsakow, Rachmaninow, Rubinstein und Strawinsk erstmals als Liedsängerin vor. Die Absolventin des hiesigen Opernstudios gehört seit der Spielzeit 2016/17 zum Ensemble der Oper Frankfurt und wird in Spielzeit 2017/2018 in Tschaikowskis Eugen Onegin (Olga), Verdis Rigoletto (Maddalena), Weinbergs Die Passagierin (Krystina), Rossinis La Cenerentola (Tisbe), und Lehárs Die lustige Witwe (Olga) zu erleben sein.
Sie eröffnete ihr Liederabenddebüt mit einer Auswahl von Liedern des Romantikers Johannes Brahms. Dieser ist, trotz seines umfangreichen Liedwerks, bei Liederabenden nur selten zu hören. Meist mit dem Zyklus „Die schöne Magelone“, wie 2011 von Christian Gerhaher im Opernhaus gegeben (den man noch in bester Erinnerung hat). Die vorgetragenen acht schwermütigen Lieder und Gesänge des Opus 57 entstanden nach Gedichten des Lyrikers Georg Friedirch Daumer (auch Erzieher von Kaspar Hauser), deren kunstvolle Form für Sänger durchaus eine Herausforderung darstellt. Auch zeichnen sie sich durch einen anspruchsvollen Klaviersatz aus, woraus der Komponist Theodor Kirchner einst eine eigene Bearbeitung für Klavier erarbeitete. Keine leichte Kost, die sich hier Maria Pantiukhova vorgenommen hatte. Entsprechend groß war die Anspannung, die sie nicht ganz verbergen konnte. Zudem sind die Lieder mit selbst für deutsche Muttersprachler schwer zu singenden Wörtern gespickt (wie z. B. „fieberischer Wilde“, „schlangengleich“ und „sehnlichere Wünsche“). Insbesondere bei „Von waldbekränzter Höhe“ und „Unbewegte Laue Luft“ kann sie die Gestaltung von lyrischen Bögen und die Textverständlichkeit noch optimieren. Sehr viel einnehmender und sinnlicher trug sie die elegischen Lieder wie „Es träumte mir“ oder „Strahlt zuweilen auch ein mildes Licht“ vor. Ein draußen vorüberziehendes Unwetter ließ dicke Regentropfen gegen die Glasfassade des Opernfoyers prallen. Solch einen Hintergrundrahmen, passend zur Melancholie der Lieder, bekommt nicht jeder Sänger bei seinem Liedprogramm geboten.
Nach einer kurzen Unterbrechung schien es, als wäre jetzt eine andere Person im Raum. Der bislang benötigte Notenständer wurde weggeräumt und nun in ihrer Muttersprache singen zu können, beflügelte Maria Pantiukhova außerordentlich. Sämtliche folgende Lieder, die zum Teil impressionistisch angehaucht waren, gestaltete sie wie von einer schweren Last befreit mit herausragendem Ausdruck in Stimme und Mimik. Nun war sie ganz bei sich. Souverän, verführerisch und mit leuchtendem Kolorit führte sie ihre samtige Stimme vor. Herausragend hier: Rachmaninows „Sing nicht für mich, du Schöne“ und der kleine Zyklus „Der Faun und die Schäferin“ von Igor Strawinsky.
Am Klavier begleitete sie mit akzentuiertem Spiel Hilko Dumno.
Am Ende viel Applaus und als Zugabe Rachmaninows „Ich warte auf dich“ .
Markus Gründig, September 17
Liederabend Lawrence Brownlee (Tenor), Henning Ruhe (Klavier)
Oper Frankfurt, 2. September 17
Hat dich die Liebe berührt,
Still unterm lärmenden Volke
Gehst du in goldner Wolke,
Sicher von Gott geführt.
Paul Heyse
Mit einem Ausnahmesänger eröffnete die Oper Frankfurt die Liederabendsaison 2017/2018. Schon dass dieser Abend auf einen Samstag fiel, machte aufmerksam, wo doch gewöhnlich die Liederabende stets an einem Dienstag stattfinden. Doch für den weltweit gefragtesten amerikanischen Tenor im Belcanto-Fach wurde dies möglich gemacht, für Lawrence Brownlee. In den letzten Jahren hat er sich als großer Rossini- und Mozart-Interpret weltweit einen großen Namen gemacht und wird gar als „der erfolgreichste amerikanische Belcanto-Tenor unserer Zeit“ bezeichnet. Kein Wunder, dass er Engagements an den angesagtesten Häusern in den USA und in Europa hat. Er wird als nächstes in Gioachino Rossinis Il viaggio a Reims als russischer Genral Conte di Libenskof auf der Bühne des Gran Teatre del Liceu in Barcelona stehen.
Mit seinem aktuellen Liederabend gab Lawrence Brownlee sein Debüt an der Oper Frankfurt und bewies eben diese Becantoqualitäten mit edel strahlender Höhe, vor allem zu Beginn mit einer Auswahl an Liedern von Giuseppe Verdi und vor allem mit seinen drei Zugaben (Arien von Donizetti und Rossini;siehe auch unten). Dabei ist schon allein die Auswahl seines ausgefallenen und intelligent zusammengestellten Programms eine Auszeichnung wert (das er zudem frei von ausliegenden Noten sang). Dies spannte einen zeitlichen Bogen von Verdi bis in die Gegenwart und wurde von ihm in fünf verschiedenen Sprachen gesungen. Er präsentierte ein breites Spektrum an unterschiedlichen Liedarten, die er aber mit seiner samtigen Stimme und seiner starken Präsenz (ohne übertriebene Gesten) und bravourösen Gesangstechnik als ein homogenes Ganzes präsentierte.
Vier Lieder aus Verdis zweiter Sammlung von sechs Romanzen aus dem Jahre 1845 präsentierte Brownlee zu Beginn. Schon diese fordern ein Höchstmaß an sängerischer Intensität, die der aus Ohio stammende Tenor souverän darbot (wie auch alle weiteren Lieder). Seine Coolness und Lockerheit zeigte er mit Verdis „Lo spazzacamino“ (Der Schornsteinfeger“), dessen Schlusssatz „Na, wer wär wohl glücklicher als ich…“ man ihm gerne abnahm. Bemerkenswert auch, wie sich Brownlee stimmlich stark zurücknehmen kann, ohne an Intensität einzubüßen, seine außerordentliche stimmliche Beweglichkeit und der sehr wohl dosierte Einsatz seiner kraftvolle Stimme.
Mit Liedern des Franzosen Francis Poulenc lenkte er zu einer ruhigeren Grundstimmung über, bei denen besonders das schwermütige „Bleuet“ („Kornblume“) gefiel. Als Referenz an das deutsche Publikum wählte er keine Lieder von Schubert oder Schumann, sondern brachte als Rarität eine Auswahl an Liedern des gebürtigen Grazer Komponisten Joseph Marx, der eine Art österreichischen Impressionismus geschaffen hatte. Bei diesen konnte sich auch der ihn begleitende Pianist Henning Ruhe stark einbringen, wie bei den Zwischenmelodien von „Nocturne“ („Die Elfe“). Seine elegante und leichte Spielweise wirkte wie ein angenehmer Widerpart zu Brownlees kraftvoller Stimme. Bei dieser Liedgruppe gefiel insbesondere „Hat dich die Liebe berührt“.
Nach der Pause verließ Brownlee den europäischen Kontinent und bot mit Liedern des argentinischen Komponisten Alberto Ginastera und des US-Amerikaners Ben Moore (* 1960) weitere Raritäten des Liedrepertoires. Bei den gegebenen „Fünf populäre argentinische Lieder“ Ginasteras bewies Brownlee ebenso eine große Gefühlstiefe, wie bei den melancholisch eingefärbten Liedern von Ben Moore. Und auch der letzte Liedblock war eine absolute Rarität. Eine Auswahl an Gospels des US-Amerikanischen Komponisten und Multitalents Damien Sneed (*1979). Dieser hat es sich zur Aufgabe gemacht, Gospels als „Concert Art Songs“ (New York Times) umzuarbeiten bzw. zu komponieren. Für Brownlee, der mit Gospels groß geworden ist (sein Vater leitete den örtlichen Kirchenchor), etwas ganz Besonderes. Hier zeigte er nicht nur wie lange er Spitzentöne halten kann (wie am Ende von „Come by here good Lord“), sondern auch wie ein einfaches „u“ gesungen ungemein betören kann („All night, all day“).
Ein restlos begeistertes Publikum und Standing Ovations für seinen fulminanten Liederabend gab es zum Schluss, doch auch schon nach den Liedgruppen und oftmals nach jedem einzelnen Lied bedankte sich das Frankfurter Publikum mit starkem Applaus. Wer dieses Highlight versäumt hat: Es gibt auch zahlreiche CD-Aufnahmen von Lawrence Brownlee (aus dem Bereich des Belcanto, aber auch mit Spirituals).
Markus Gründig, September 17
Die Zugaben:
Gaetano Donizetti (1797-1848): Arie des Tonio „Ah! mes amis“ aus La fille du régiment (1840)
Gaetano Donizetti (1797-1848): Arie des Nemorino „Una furtiva lagrima“ aus L’elisir d’amore (1832)
Gioacchino Rossini (1792-1868): „La Danza“ (1835)