Vom Drama des Erwachsenseins: Bonn Parks »They Them Okocha« am Schauspiel Frankfurt uraufgeführt

They Them Okocha ~ Schauspiel Frankfurt ~ Jürgen A (Jannik Mühlenweg), Jürgen B (Arash Nayebbandi), Cem (Lioba Kippe), Noah-Wilhelm (André Meyer) ~ Foto Robert Schittko

Vor zehn Jahren, in der Spielzeit 2014/15, stellte das Schauspiel Frankfurt ein weiteres Nachwuchsförderprogramm vor: Das Autorenstudio. Einer der drei ersten Stipendiaten war Bonn Park. Nun ist er mit seinem neusten Stück They Them Okocha nach Frankfurt zurückgekommen. Und dies in zusätzlicher Funktion als Regisseur.

Der befremdlich anmutende Stücktitel nimmt Bezug zum ehemaligen nigerianischen Fußballspieler Augustine Azuka „Jay-Jay“ Okocha. Er spielte u. a. für die Eintracht Frankfurt. Sein spektakulärer Schuss zum 3:1 gegen den Karlsruher SC am 31. August 1993 wurde von den Zuschauern der Sportschau zum „Tor des Jahres 1993“ gewählt. Um dergleichen ganz spezielle Erinnerungen handelt They Them Okocha. Dazu zählen auch Geräusche aus der Kindheit, wie das Ende einer Kassette, bevor die Taste rausklickt oder das 56k-Modem, das unter größter Anstrengung in das Internet vordringen will. Und nicht zuletzt der „himmlische Ton von unbestechlicher Freundschaft“.

They Them Okocha
Schauspiel Frankfurt
Jürgen D. (Jannik Mühlenweg), Cem (Lioba Kippe), Jürgen A. (Arash Nayebbandi), Noah-Wilhelm (André Meyer)
Foto: Robert Schittko

Der Aufwand für die szenische Umsetzung ist groß. Allein die grotesk und surreal anmutende Bühne von Sina Manthey mit ihren variablen Wänden, riesigen Spiel-Bauklötzen und Süßigkeiten, einer überdimensionalen Tür und dem Eingang einer Geisterbahn ist enorm.

Eckige Augen

Vier unbeholfen wirkende Erwachsene (Lioba Kippe, André Meyer, Jannik Mühlenweg und Arash Nayebbandi) in kurzen Hosen und Strumpfbänder gehen zurück in ihre Kindheit. Mit ausgefallenen Kostümen in Unschuld verkörperndem Weiß (Drache, Hase, Schmetterling und Prinzessin) tauchen sie in eine Zeit ein, in der die Welt noch in Ordnung war und sie selbst makellos. Erste Risse tun sich aber dann doch schnell auf. Allein das Fernsehen war damals in vielen Familien auf eine Stunde am Tag beschränkt („sonst bekommst du eckige Augen“).

Gegenwart als Groteske

Der Kindheit folgt die Pubertät, nunmehr mit schwarzer Kleidung und Haartollen. Die Probleme verlagern sich. Am Ende ihrer 100-minütigen Zeitreise kommen diese vier nicht wirklich in der Welt der Erwachsenen an. Das zeigt sich schon optisch in unpassenden Anzügen, die entweder überdimensional zu groß oder so zu klein sind, dass Nähte aufgeplatzt sind (Kostüme: Leonie Falke). Mitsamt ihrer Aktentaschen sind sie ausnahmslos überfordert und hilflos. Selbst Noah-Wilhelm (André Meyer) als nunmehr Bundeskanzler auf seinem viel zu hohen Chefsessel.

They Them Okocha
Schauspiel Frankfurt
Jürgen A. (Arash Nayebbandi), Noah-Wilhelm (André Meyer), Cem (Lioba Kippe), Jürgen D. (Jannik Mühlenweg)
Foto: Robert Schittko

So wie allem Leben auch der Tod innewohnt, ist dieser den ganzen Abend über als Sensenmann am Klavier (Ralf Merten) musikalisch allgegenwärtig. Zudem wird viel mit „Liedern aus der Welt der bodenlosen Traurigkeit“ gesungen, u. a. Cem (Lioba Kippe) mit „Ich bin komisch, ihr seid alle komisch“, dass zu Taio Cruzs Hit „Hangover“ überführt.

Bonn Parks „Coming-of-age-Drama“ über die verklärte Sehnsucht nach früher ist ein ernüchternder Blick in die Gegenwart („Was ist Freundschaft noch mal?“) und ein verstörender Blick in die Vergangenheit. Der Text wird meist sehr langsam gesprochen, oftmals klingen die Sätze nach Binsenwahrheiten. Es ist schon ein etwas spezieller Abend. Vom Premierenpublikum wurde er euphorisch gefeiert.

Markus Gründig, April 24


They Them Okocha

Von: Bonn Park

Premiere/Uraufführung am Schauspiel Frankfurt: 12. April 24 (Kammerspiele)

Regie: Bonn Park
Bühne: Sina Manthey
Kostüme: Leonie Falke
Musik: Ben Roessler
Dramaturgie: Katja Herlemann

Besetzung:

Cem: Lioba Kippe
Noah-Wilhelm: André Meyer
Jürgen A.: Arash Nayebbandi
Jürgen D.: Jannik Mühlenweg

Klavier: Ralf Merten

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