Wolfram Koch urkomisch in »Der Raub der Sabinerinnen« am Schauspiel Frankfurt

Der Raub der Sabinerinnen ~ Schauspiel Frankfurt ~ Theaterdirektor Emanuel Striese (Wolfram Koch) ~ Foto: Birgit Hupfeld

Hört man den Titel Der Raub der Sabinerinnen, denkt man zunächst nicht unbedingt an das Schauspiel Frankfurt. Schließlich wird der Schwank der Wiener Brüder Paul und Franz Schönthan vorzugsweise an Boulevardtheater gespielt.

Im Rhein-Main-Gebiet eröffneten 2004 die Burgfestspiele Bad Vilbel ihre 18. Spielzeit damit. Das ehemalige Frankfurter Fritz Rémond Theater zeigte ihn 2012 (mit Walter Renneisen in der Rolle des Theaterdirektors Striese).

Die turbulente Geschichte ist nicht kompliziert. Sie handelt von einem Gymnasialprofessor, der in seinen jungen Jahren eine große römische Tragödie geschrieben hat, die nun aufgeführt werden soll. Dabei verläuft natürlich dann nichts so, wie es gedacht war.

Regisseurin Christina Tscharyiski hat den Lustspielklassiker jetzt für das Schauspielhaus Frankfurt erarbeitet. Nach IchundIch, In letzter Zeit Wut und Mascha K. (Tourist Status) in den Kammerspielen, ist Der Raub der Sabinerinnen ihre erste Arbeit im Schauspielhaus. Ihre vergnügliche Inszenierung wurde vom Premierenpublikum mit stürmischem Applaus gefeiert.

Der Raub der Sabinerinnen
Schauspiel Frankfurt
Paula Gollwitz (Annie Nowak), Professor Martin Gollwitz (Isaak Dentler), Friederike Gollwitz (Christina Geiße)
Foto: Birgit Hupfeld

Tablet-Design

Wie zuletzt auch bei Der Würgeengel wird die große Bühne nicht vollumfänglich ausgenutzt. Für Tscharyiski ist der Schwank die erste Zusammenarbeit mit dem französischen Bühnenbildner Stéphane Laimé. Dabei ist er in Frankfurt kein Unbekannter (Richard III und zuletzt Onkel Wanja). Seine auf eine kammerspielartige Größe angepasste Bühne zeigt ein ansprechendes, modernes Zuhause des Gymnasialprofessors Gollwitz. Zwei hohe Bücherregale (streberhaft geordnet) und die Türen sind im Tablet-Design gestaltet. Eine Sitzgruppe steht korrekt ausgerichtet im Raum. Für den Ortswechsel in die Wohnung des Schwiegersohnes im 3. Akt (eigentlich Bühne des Schützenhauses nach der Generalprobe) werden die Möbel kurzerhand nach links geschoben. Das führt zu einigen Stolpern, wähnen sich doch die Darsteller:innen noch in der alten Wohnung. Alles ist in weißer Farbe gehalten, wodurch der Eindruck einer klinischen Reinheit entsteht (die im Laufe der Handlung natürlich nicht Bestand hat). Kontrastreich sind die keine knalligen Farben scheuenden Kostüme von Svenja Gassen ausgefallen. Der Text ist nah am Original. Es sind vor allem die Flüche des Theaterdirektors, die auf eine zeitgemäße Sprache gebracht wurden („Leck mich fett“).

Paraderolle für Wolfram Koch

Die Figur des Emanuel Striese, Theaterdirektor, Regisseur und Schauspieler in Personalunion, ist eine Paraderolle für jeden Schauspieler. Wolfram Koch gibt ihn mit schmierig langen Haaren herrlich überzogen, schräg, sehr agil, energiegeladen und vielseitig. Dabei wirkt er ob seiner menschlichen Schwächen sehr nahbar. Beispielsweise wenn er mit List und Tücke versucht, den Professor von einer Aufführung seines dramatischen Werks zu überzeugen. Krampfhaft müht er sich ab, vor dessen Frau das Textbuch in seiner zu weiten Hose zu verstecken, was natürlich deutlich misslingt. Und oh weh, wenn ihn der Professor gar dem Schmierentheater zuordnet. Dann klärt er leidenschaftlich auf, was eine Schmiere wirklich ist.

Es sind vor allem solch kleine Szenen, die dem Abend Größe verleihen. Und das Ensemble, in das sich Koch wie selbstverständlich einfügt (wobei er ja bereits seit bald drei Jahrzehnten regelmäßig am Schauspiel Frankfurt auftritt).

Der Raub der Sabinerinnen
Schauspiel Frankfurt
Rosa (Heidi Ecks), Professor Martin Gollwitz (Isaak Dentler)
Foto: Birgit Hupfeld

Glänzendes Ensemble

Es ist ein glänzendes Ensemble, dass Koch umgibt. Allen voran sein langjähriger Tatort-Partner Isaak Dentler als verklemmter Gymnasialprofessor Martin Gollwitz. Christina Geiße verleiht dessen Frau Friederike trotz ihrer Überspanntheit ein erhabenes Format. Mit langen und gewellten Haaren nimmt Annie Nowak als zum Vater haltende und lebenslustige Tochter Paula für sich ein. Christoph Pütthoff ist ein wortgewandter Dr. Neumeister, dessen Frau Marianne jugendliche Eleganz verkörpert (Manja Kuhl). Hessisch babbelt der aus Berlin angereiste und redefreudige Karl Groß des Michael Schütz. Groß´ Sohn Emil ist hingegen der Liebe aufgeschlossen (gut gelaunt: Mark Tumba). Heidi Ecks gefällt mit ihrem trockenen Humor von Anfang an als theateraffine Haushälterin Rosa. Zwischen den Szenen gibt es kurze Musikeinlagen. Am Ende der pausenlosen knapp zweistündigen Aufführung steht ein gemeinschaftlich vorgetragenen Schlusssong (Musik: Thorsten Drücker; auch Papagei). Dazu bringt sich das gesamte Ensemble musikalisch ein.

Dramaturgin Katrin Spira führt im Programmheft aus, dass Der Raub der Sabinerinnen eine Verneigung vor dem Spiel, vor dem Theater und seinem Publikum sei und gleichzeitig mit den Erwartungen von allen Seiten spielt. Damit trifft sie des Pudels Kern (wobei in dieser Inszenierung der Hund des Theaterdirektors ein Lama ist).

Markus Gründig, Februar 24


Der Raub der Sabinerinnen

Schwank

Von: Paul und Franz Schönthan
Uraufführung: 21. September 1884 (Stettin, Stadttheater)

Premiere am Schauspiel Frankfurt: 10. Februar 24 (Schauspielhaus)

Regie: Christina Tscharyiski
Bühne: Stéphane Laimé
Kostüme: Svenja Gassen
Musik: Thorsten Drücker
Dramaturgie: Katrin Spira
Licht: Frank Kraus

Besetzung:

Martin Gollwitz, Professor: Isaak Dentler
Friederike, dessen Frau: Christina Geiße
Paula, deren Tochter: Annie Nowak
Dr. Neumeister: Christoph Pütthoff
Marianne, dessen Frau: Manja Kuhl
Karl Groß: Michael Schütz
Emil Groß, genannt Sterneck, dessen Sohn: Mark Tumba
Emanuel Striese, Theaterdirektor: Wolfram Koch
Rosa: Heidi Ecks
Papagei, Live-Musik: Thorsten Drücker

Die nächsten Vorstellungen: 16./18./19. Februar 2024

schauspielfrankfurt.de