Anja Hillings »Mascha K. [Tourist Status]« am Schauspiel Frankfurt uraufgeführt

Mascha K. (Tourist Status) ~ Schauspiel Frankfurt ~ Melanie Straub, Anna Kubin, Lotte Schubert ~ Foto: Felix Grünschloß

Seit langem ist es still um die Lyrikerin Mascha Kaléko (07.06.1907 – 21.01.1975). Bekannt wurde sie in den 1920/30er-Jahren. Sie zählt mit ihren Gedichten zu den Vertreter:innen der Neuen Sachlichkeit (wie u. a. auch Joachim Ringelnatz oder Kurt Tucholsky). Als Auftragswerk des Schauspiel Frankfurt schrieb Anja Hilling mit Mascha K. [Tourist Status] ein Theaterstück über Episoden aus ihrem bewegten Leben, das sie von ihrer Geburtsstadt Chrzanów (Galizien) u. a. nach Berlin, New York und Israel führte. Das Stück bezeugt Maschas Kalékos Liebe zur deutschen Sprache. Die jetzt erfolgte Uraufführung in den Kammerspielen begeisterte das Premierenpublikum sehr, es gab lang anhaltenden und kräftigen Applaus.

Inszeniert hat Mascha K. (Tourist Status) die österreichisch-bulgarische Theaterregisseurin Christina Tscharyiski. Nach Else Lasker-Schülers IchundIch in 2020 und Gerhild Steinbuchs In letzter Zeit Wut in 2021, ist dies bereits ihre dritte Arbeit in Frankfurt.

Mascha K. (Tourist Status)
Schauspiel Frankfurt
Melanie Straub, Lotte Schubert, Anna Kubin
Foto: Felix Grünschloß

Portale für jeden Lebensabschnitt

Trotz aller Schlichtheit des Bühnenbildes ist die optische Wirkung groß. Devin Rebecca McDonoughs Bühne besteht aus drei sich nach hinten verkleinernden Portale, quasi eins für jeden hier gezeigten Lebensabschnitt. Die Portale münden in einen noch kleineren Rahmen. Aus diesem räkeln sich zu Beginn die drei Maschas, um in die Welt zu treten. Am Ende sitzen sie darin und erinnern zum letzten Mal an eine besondere Künstlerin. Hier sind alle gleich angezogen, weiße Hemden und schwarze Sportshorts. Außerhalb des Kastens tragen sie samtige Hosenanzüge in violetten Tönen (Kostüme: Miriam Draxl). Von der Bühnenseite unterstützt Thorsten Drücker am Sound-Mixer und an der Gitarre akustisch und musikalisch diese außergewöhnliche Sprach-Zeitreise.

Mascha K. (Tourist Status)
Schauspiel Frankfurt
Anna Kubin, Sebastian Reiß, Sebastian Kuschmann, Melanie Straub
Foto: Felix Grünschloß

Sprache hat einen hohen poetischen Wert.

Das Besondere an diesem Stück ist die Sprache. Anja Hilling gelang eine Symbiose zwischen ihrem eigenen markanten, poetisch-modernen Schreibstil und der eher sachlichen Lyrik von Mascha Kaléko. Die illusionslos und nüchterne Darstellung von Gesprächen, wie mit der Mutter, ihrem Verleger und ihrem zweiten Ehemann, hat einen hohen poetischen Wert. Es sprudelt nur so vor schönen literarischen Redewendungen (mitsamt Reimen). Für Sprach-affine Menschen ist dieser Abend eine große Freude.

Dass Sprache so großartig lebendig klingen kann, ist natürlich auch den drei Darstellerinnen zu verdanken, die die Figur der dreifach besetzten Mascha K mit großer körperlicher Agilität geben. Sie haben nicht nur reichlich Text zu sprechen, sie müssen auch eine strenge formale Setzung einhalten. Denn gesprochen wird im Solo, im Duett und zu dritt. Dabei steht jede von Ihnen, für einen Lebensabschnitt von Mascha. Die im wilden Berlin der 1920/30er Jahre ihre ersten Erfahrungen machende, gibt Lotte Schubert. Die in der New Yorker Emigration auf ihre Mutterrolle und Unterstützerin ihres Mannes zurückgeworfene Melanie Straub. Anna Kubin ist schließlich die in Israel resignierende, selbst ihre unheilbare Magenkrebserkrankung literarisch verarbeitende. Männer spielen hier nur eine Nebenrolle, dies aber sehr markant. So ist Sebastian Kuschmann u. a. der Mascha K. fördernde Verleger Ernst Rowohlt, Sebastian Reiß u. a. ihr Ehemann Chemjo Vinaver.

Markus Gründig, September 23


Mascha K. [Tourist Status]

Von: Anja Hilling

Premiere/Uraufführung am Schauspiel Frankfurt: Freitag, 22. September 23 (Kammerspiele)

Regie: Christina Tscharyiski
Bühne: Devin Rebecca McDonough
Kostüme: Miriam Draxl
Musik: Thorsten Drücker
Licht: Jan Walther
Dramaturgie: Lukas Schmelmer

Besetzung:

Mascha Kaléko / Official: Lotte Schubert
Mascha Kaléko: Melanie Straub
Mascha Kaléko / Lilian: Anna Kubin
Chemjo Vinaver: Sebastian Reiß
Ernst Rowohlt / Sidney: Sebastian Kuschmann

Live-Musik: Thorsten Drücker
Avatar: Thomas Oliver Mehltretter, Gabriel Turré

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