Starke Saisoneröffnung am Schauspiel Frankfurt mit Molieres »Der Geizige«

Der Geizige ~ Schauspiel Frankfurt ~ Harpagon (Peter Schröder) ~ Foto: Thomas Aurin

Molieres Dramen und Komödien zählen mit ihren universellen Botschaften auch heute noch, 400 Jahre nach ihrer Entstehung, zum Repertoire der Theater. Der Geizige war in Frankfurt/M erst vor wenigen Wochen bei Barock am Main zu erleben. Nun präsentierte die slowenische Regisseurin Mateja Koležnik ihre Sicht auf diesen Komödienklassiker. Sie eröffnete damit die neue Saison im Schauspiel Frankfurt, die bereits siebte unter der Intendanz von Anselm Weber. Am Ende gab es stürmischen Applaus für alle Beteiligte.

Komödien sind beliebt, aber nicht immer Selbstläufer. Für Mateja Koležnik ist es die dritte Arbeit für das Schauspiel Frankfurt (nach Yvonne, die Burgunderprinzessin und Hedda Gabler. Dass eine Frau im Schauspielhaus inszeniert, ist in dieser Spielzeit Programm und wird auch bei den nachfolgenden Neuinszenierungen der Fall sein.

Der Geizige
Schauspiel Frankfurt
Ensemble
Foto: Thomas Aurin

Dominanz des Bühnenbilds

Bei Der Geizige arbeitet Mateja Koležnik erstmals mit dem Bühnenbildner Olaf Altmann zusammen. Diesen verbindet man eher mit großen Dramen (wie Maria Stuart, Ödipus und Medea) als mit dem Genre Komödie. Sein Markenzeichen sind große, weite Räume, die den Protagonist:innen keinerlei Halt geben. Interieur und Requisiten sucht man bei ihm vergeblich. Drei große, hohe und drehbare Wände (zwei davon T-förmig) sind, einem abstrakten Triptychon gleich, auf der Bühne platziert, das war’s. Je eine Seite schimmert golden als Bild für den Schatz von Harpagon.

Ana Savić-Gecans ausgefallene schwarze Kostüme sind ein echter Hingucker (nicht zuletzt durch die Overknie-Stiefel zu Shorts) und spannen einen Bogen vom Barock bis in die Gegenwart. Mit ihrem Lack- und Leder-Charakter haben sie teilweise einen deutlichen Fetisch-Charakter (ist die Sucht nach Sex, neben der nach Geld, doch eine der größten menschlichen Leidenschaften).

Der Geizige
Schauspiel Frankfurt
Cléante (Thorsten Flassig), Harpagon (Peter Schröder), Mariane (Tanja Merlin Graf), Frosine (Katharina Linder)
Foto: Thomas Aurin

Bravourleistung von Peter Schröder

Zum Spielzeitauftakt sind alle Darsteller:innen mit großem Einsatz dabei. Alle bewegen sich künstlich und überzogen. Eine starke visuelle Wirkung erzielen sie nicht zuletzt durch ihre langen Haare bzw. ihre Pagenfrisur. Dabei glänzt keiner so stark wie Peter Schröder in der Titelrolle. Allein wenn er sich beim musikalischen Epilog tänzerisch am Gold aufgeilt, sagen seine Bewegungen mehr als tausend Worte. Dazu ist er in jeder Szene überaus präsent. Facettenreich gibt er einen zwar schrägen, aber nicht unsympathischen manischen Geizhals Harpagon. Dazu passt die Musik von Bert Wrede kongenial. Die elektronischen Klänge sind beim Intro mit Geräuschen angereichert, die an eine ständig klingelnde Kasse erinnern und so die Geldvermehrung im Hause Harpagon akustisch untermauern.

Der Geizige
Schauspiel Frankfurt
Ensemble
Foto: Thomas Aurin

Mit exaltierten Gesten und Bewegungen nimmt Torsten Flassig als der spielsüchtige und mode- und schmuckaffine Luxusboy Cléante für sich ein. Sarah Grunert ist eine eigentümlich überzogen, auf ihre Hüfte fokussierte, Élise. Kämpferisch ist der Valère des Jannik Mühlenweg, etwas einfältig und umso fröhlicher wirkt die Mariane der Tanja Merlin Graf. Als forsche Kupplerin Frosine zeigt Katharina Linder erhabene Züge, während Wolfgang Vogler als umtriebiger La Flèche gefällt. Andreas Vögler ist ein munterer Jaques. Trotz relativ kleiner Rolle ragt der Kommissar des Michael Schütz heraus, gleicht er doch einer verzauberten Figur im Schloss von Disneys Die Schöne und das Biest. Deus ex machina gleich erscheint pompös Uwe Zerwer im goldenen Gewand als der reiche, tot geglaubte Vater Anselme und nimmt mit seinem Großmut eine Gegenposition zu Harpagon ein. Dazu gibt es eine heitere Ensemble-Tanzeinlage mit viel Goldkonfetti (Choreografie: Matija Ferlin und Magdalena Reiter). Max Böttcher und Yannick Sturm runden als Harpagons Angestellte das Geschehen mit pantomimischen Einlagen treffend ab.

Bei dem pointiert dargebotenen, leicht gekürztem und rund 2 Stunden dauernden Spiel (leider ohne Pause) werden die grundsätzlichen Fragen zu Gelderwerb und Profitstreben amüsant und kurzweilig aufgefächert.

Markus Gründig, September 23


Der Geizige

(L’Avare ou l’École du mensonge)

Komödie
Von: Molière
Uraufführung: 9. September 1668 (Paris, Théâtre du Palais Royal)

Premiere am Schauspiel Frankfurt: 21. September 23 (Schauspielhaus)

Regie: Mateja Koležnik
Bühne: Olaf Altmann
Kostüme: Ana Savić-Gecan
Komposition und musikalische Einrichtung: Bert Wrede
Choreografie: Matija Ferlin, Magdalena Reiter
Licht: Marcel Heyde
Dramaturgie: Sabrina Zwach

Besetzung:

Harpagon (Vater von Élise und Cléante): Peter Schröder
Cléante (Sohn von Harpagon): Torsten Flassig
Élise, Tochter von Harpagon): Sarah Grunert
Valère (Sohn von Anselme): Jannik Mühlenweg
Mariane (Tochter von Anselme): Tanja Merlin Graf
Anselme (der reiche tot geglaubte Vater): Uwe Zerwer
Frosine (Gelegenheitsmacherin, Kupplerin): Katharina Linder
Jaques (Koch und Fahrer bei Harpagon): Andreas Vögler
La Flèche (Cléantes Hausangestellter): Wolfgang Vogler
Der Kommissar: Michael Schütz
Brindavoine (Harpagons Angestellter): Max Böttcher
La Merluche (Harpagons Angestellter): Yannick Sturm

Statistinnen: Diana Birmann, Lara Seeger

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