»The Vanishing Room« am English Theatre Frankfurt uraufgeführt

The Vanishing Room ~ English Theatre Frankfurt ~ Ensemble ~ Foto: Birgit Hupfeld
kulturfreak Bewertung: 4 von 5

Trotz unveränderter Sachlage zur Mietproblematik um seine Spielstätte eröffnete das English Theatre Frankfurt jetzt die neue Spielzeit. Sie steht unter dem Motto „Beware of the Underdog“ („Hüte dich vor dem Außenseiter“) und bietet im Abendprogramm vier Stücke, die es zu entdecken gilt. Zu Beginn steht gleich eine Besonderheit. Mit The Vanishing Room von Olivia Hirst und David Byrne zeigt das English Theatre Frankfurt erstmals in seiner 40-jährigen Geschichte eine Uraufführung. Dabei handelt es sich um eine Gemeinschaftsproduktion von English Theater Frankfurt, dem New Diorama Theatre London und dem New Yorker 59E59 Theatre (in denen das Stück 2024 gespielt wird).

Hirst und Byrne sind keine Unbekannten. Olivia Hirst war vergangenes Jahr bei Secret Life of Humans zu erleben, das Stück stammte von David Byrne, das er auch selbst inszenierte.

The Vanishing Room
English Theatre Frankfurt
Ensemble
Foto: Birgit Hupfeld

Geheimnisvolle Zeitreise von 1824 bis zur Gegenwart

Spielte das letzte Stück Now and then an nur einem Abend, so bietet das anspruchsvolle The Vanishing Room eine geheimnisvolle Zeitreise von 1824 bis in die Gegenwart. Denn es geht um die verborgenen Machenschaften in einem britischer Gentlemen´s Club. In ihm geschehen von seiner Eröffnung (Opening Night) bis ins Heute mysteriöse Dinge. Teilweise beruhen diese auf realen Ereignissen. So werden die autobiografischen Manuskripte des Dichters und Dandys Lord Byron, einem der bekanntesten Vertreter der Schwarzen Romantik, verbrannt. Später werden wichtige Unterlagen vernichtet, die Fehlverhalten und Verbrechen des britischen Empires dokumentieren („Operation Legacy“). Die meist aus der höheren Gesellschaftsschicht stammenden Mitglieder tuscheln, schmieden Komplotte und sind stets bestrebt, ihre Macht auszubauen. Selbst ein Mord passiert in diesem seriös wirkenden Club. Erzählt wird nicht streng chronologisch, vielmehr gibt es in der knapp dreistündigen Aufführung (inklusiv Pause) zahlreiche Zeitsprünge. Zur leichteren Erkennbarkeit werden dafür Jahreszahlen auf die Rückwand projiziert, ebenso vereinzelt Nahaufnahmen des Geschehens (Video Designer: Zakk Hein). Das Einheitsbühnenbild von Anna Reid (auch die historisch anmutenden Kostüme) zeigt bei insgesamt geringer Ausleuchtung einen Saal im exklusiven Club mit vertäfelten Wänden, einem großen, teilbaren Tisch und ein Bett.

The Vanishing Room
English Theatre Frankfurt
Ensemble
Foto: Birgit Hupfeld

Exzentrischer Peter Clements

Im Mittelpunkt steht die Figur des selbstbewussten Verlegers John Murray, den es hier, den Zeitsprüngen angepasst, über die Generationen hinweg gibt (John Murray I – VI). Peter Clements spielt ihn mit großer Eindringlichkeit. Sein schauspielerisches Talent zeigt Clements besonders als exzentrischer Charlie, der den Diener Daniel ermutigt, immer schwerwiegendere Indiskretionen zu begehen. Wie die Figur des John Murray ist auch die Figur des scheinbar des nicht Lesen und Schreibens mächtigen Dieners Daniel eine Konstante (mit vornehmer Zurückhaltung: Anant Varman). Die weiteren Darsteller:innen sind in mehrfachen Rollen zu erleben Katy Brittain (vertrauensvolle Köchin Rosa, Lord Byrons auf ihr Ansehen bedachte Halbschwester und Geliebte Augusta Leigh), Christopher Ettridge (ehrwürdiger Clubsekretär McGrath, Gründungsmitglied Henry Lutrell, McLeod), Jonny Khan (eifersüchtiger Kammerdiener Billy, Lord Byrons Vertrauter Thomas Moore, Staatssekretär für die Kolonien Alistair Crookes) und Annabel Smith (Gehilfin Jessica, Ehefrau Anne Byron, Ärztin).

Am Ende der besuchten zweiten Vorstellung gab es für den Ausflug in die Geschichte und Praktiken eines ehrwürdigen britischen Gesellschaftsclubs viel freundlichen Applaus.

Markus Gründig, September 23


Vanishing Room

A time-bending epic by Olivia Hirst and David Byrne

Premiere/Uraufführung am English Theatre Frankfurt: 16. September 23
Besuchte Vorstellung: 17. September 23

Spielzeit bis: 29. Oktober 23

Co-writer and director: David Byrne
Co-writer: Olivia Hirst
Associate Director: Sayeedah Supersad
Set & Costume Designer: Anna Reid
Lighting Designer: Charlie Morgan Jones
Original Music and Sound Design: Yaiza Varona
Video Designer: Zakk Hein
Dramaturgie: Sally Cowling

Besetzung:

Rosa, Augusta Leigh: Katy Brittain
John Murray, Charlie: Peter Clements
McGrath, Henry Lutrell, McLeod: Christopher Ettridge
Billy, Thomas Moore, Alistair Crookes: Jonny Khan
Jessica, Anne Byron, Doctor: Annabel Smith
Daniel: Anant Varman

english-theatre.de