Das Thema Essen ist allgegenwärtig. Sei es von den eigenen täglichen Bedürfnissen her oder durch Werbung und TV-Sendungen. Das Autoren- und Regieduo Nele Stuhler und Jan Koslowski haben sich schon mehrfach damit auseinandergesetzt und nutzten es als Aufhänger für gesellschaftliche Diskurse. In 2018 nahmen sie bei Der alte Schinken das Bürgertum aufs Korn, 2019 bei 1994 Futuro al dente ging es gar um die Zukunft der Menschheit. Mit Der kleine Snack beendeten sie jetzt erfolgreich ihre Frankfurter Essens-Trilogie.
Fünf Darsteller:innen verhandeln dabei mit überbordender Energie und viel zugespielter Unterhaltungsmusik äußerst spaßig das Thema Ernährung in vielen Facetten. Als Besonderheit wird zudem sehr schön ein Kanon über „Essen und Trinken“ gesungen.
Der Snack, der Happen für zwischendurch, gibt den Anlass, über grundsätzliche Themen zu reflektieren. Wie über Ausbeutung, Ernährungstrenda, Monokultur, Kreislaufwirtschaft, Ressourcen und Tierwohl. Aber auch darüber, dass beispielsweise das alte System der Schwemmkanalisation, bei der ja kostbares Trinkwasser zum Spülen verwendet wird, dringend neu überdacht werden muss und über die soziale Funktion von gemeinsamen Mahlzeiten.
Schauspiel Frankfurt
Rizo (Christoph Pütthoff), Sugar (Lotte Schubert), Palmela (Heidi Ecks), Fabian (Mark Tumba)
Foto: Robert Schittko
Nach einem schwungvollen tänzerischen Auftakt von einem Obst-Ensemble mit Kirsche, Mandarine und Zitrone auf den Häuptern, Choreografie: Brigitte Cuvelier) steht zunächst, durchaus irritierend, das Wort „Scheiße“ im Raum. Schnell wird klar, dass dies mit dem Ende der Nahrungsaufnahme zusammenhängt. Schließlich muss dass, was oben reinkommt, unten auch wieder rauskommen, also mehr oder weniger. Eine gesunde Darmflora ist essenziell wichtig. Veganer haben übrigens ob der vielen Ballaststoffe besonders viel Stuhl.
Die ernsten Themen sind kunstvoll in eine humorvolle Rahmenhandlung eingebunden, die einer zeitgemäßen Boulevardkomödie gleicht. Ein schwules und ein lesbisches Pärchen und eine graziöse Geschäftsfrau treffen aufeinander, ein geplantes Event droht in einer fürchterlichen Katastrophe zu enden, doch am Ende herrscht so etwas wie Eintracht. In der Überdrehtheit erinnert es an Claudias Bauer Inszenierung von Der diskrete Charme der Bourgeoisie.
Schauspiel Frankfurt
Corny (Anna Kubin), Rizo (Christoph Pütthoff), Fabian (Mark Tumba), Palmela (Heidi Ecks), Sugar (Lotte Schubert)
Foto: Robert Schittko
Anna Kubin hat als leicht angespannte und verführerische Geschäftsfrau und Trend-Food-Expertin Cornelia Corny Kraft-Heinz das Zepter in der Hand. Rationaler ist die Expertin für die Abbildung von Geflügel in Renaissancegemälden Palmela Olió de Palma der mit viel trockenem Humor aufwartenden Heidi Ecks. Lotte Schubert gibt deren sich sorgende Lebenspartnerin Sugar Sieglinde Ferrero. Christoph Pütthoff tänzelt und umgarnt als gerissener Rizo Richard Demeter Duckman, Mark Tumba gibt seinen sehr gelöst wirkenden und einnehmenden Freund und skrupellosen Start-up Investor Fabian de Blé.
Schauspiel Frankfurt
Ensemble
Foto: Robert Schittko
Die Bühne von Chasper Bertschinger ist ein Mix aus Zirkuszelt, überdimensionaler Produktverpackung und dem „Space“, einer Küchenstudioeventlocation („Concept-Store“). Zu Beginn ist sie von zweifarbigen Lamellenvorhängen verhangen. Während das Publikum Platz nimmt, lugt immer wieder eine Maus mit Kochmütze aus einer Lamelle neugierig hervor. Später sind Livebilder der Essen suchenden Köche aus dem Kühlschrank auf zwei Monitoren zu sehen. Die bunten Kostüme von Svenja Gassen spiegeln nicht zuletzt mit ihren Food-Prints die Essensthematik wider.
In gut 100 pausenlosen Minuten wird ein Feuerwerk an Gags und kleinen Geschichten darüber erzählt, dass der Mensch ist, was er isst. Vom Premierenpublikum großer Jubel am Ende.
Markus Gründig, Dezember 22
Der kleine Snack
Von: Nele Stuhler und Jan Koslowski
Premiere/Uraufführung: Donnerstag, 22. Dezember 22 (Kammerspiele)
Regie: Nele Stuhler, Jan Koslowski
Bühne: Chasper Bertschinger
Kostüme: Svenja Gassen
Choreografie: Brigitte Cuvelier
Dramaturgie: Lukas Schmelmer
Besetzung:
Palmela Olió de Palma: Heidi Ecks
Cornelia Corny Kraft-Heinz: Anna Kubin
Sugar Sieglinde Ferrero: Lotte Schubert
Rizo Richard Demeter Duckman: Christoph Pütthoff
Fabian de Blé (Weizsäcker de Blé): Mark Tumba
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