Hermann Hesses autobiografisch geprägter Roman Demian von 1917 brachte ihm den Durchbruch als Autor. Dabei erschien der Roman bis einschließlich seiner dritten Auflage unter dem Pseudonym Emil Sinclaire. Erst ab 1920 machte Hesse seine Autorenschaft öffentlich. Emil Sinclaire ist auch die Hauptfigur im Roman, der die Geschichte seiner Jugend erzählt. Wie in vielen Romanen von Hermann Hesse, geht es auch in ihm um das Thema Selbstfindung und darum, seinen Platz in einer sich radikal verändernden Welt zu finden. Hesses eigene Erfahrungen mit der damals noch jungen Psychoanalyse spielen eine wichtige Rolle, wie auch Symbole und Motive eingearbeitet sind.
In Koproduktion des Stadttheaters Bremerhaven und den Landungsbrücken Frankfurt am Main entstand in der Regie von Kornelius Eich eine szenische Fassung. Diese beschränkt sich ganz auf die Hauptfigur des Emil Sinclaire, verkörpert von Leon Häder. Er studierte Schauspiel an der Frankfurter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst und ist inzwischen Ensemblemitglied am Stadttheater Bremerhaven.
Leon Häder zeigt den Emil Sinclaire während des 75-minütigen Abends als stets Suchenden, Hin- und Hergerissenen, Zweifelnden, Verliebten. Dies überaus empathisch und mit vielen Facetten. Emils Innenwelt und seine Begegnungen mit den sein Leben beeinflussenden Menschen (wie mit dem ihn erpressenden Franz Kromer oder die sein Leben wieder in geordnete Bahn bringende Traumfigur Beatrice) lässt Häder plastisch Wirklichkeit werden. Ganz besonders innig zeigt er die Momente mit seinem Idol (oder auch seinem Alter Ego) Demian und vor allem zu dessen Mutter (der „Frau Eva“). Der Organist Pistorius wurde gestrichen, das Thema eines Gut wie Böse umfassenden Gottes (Abraxas) fehlt aber nicht.
Der allgemeingültige, universelle Charakter Emil Sinclaires wird auch optisch angedeutet. In weiten Teilen trägt er einen dunklen Pullover über einer hellen, fast durchsichtigen Bluse und eine mehrsträngige Perlenkette (Kostümdesign: Marijke Wehrmann). Erst wenn er „heimgekommen ist“, also im Haus bei Demian und seiner Mutter, wird der Pullover abgelegt und Emil zeigt sich gelöster und befreiter.
Der Theatersaal der Landungsbrücken ist Bühne und Publikumssaal gleichermaßen. Denn es gibt keine separierte Bühnenfläche. Das Publikum sitzt in wohl geordneten Reihen längs vor einer Wand. Häder spricht von rundherum und von mittendrin heraus (Bühne: Marvin Ott). Das gesprochene Wort wird dadurch sehr konzentriert wahrgenommen. Die rote Ausleuchtung vermittelt zugleich die angespannte und gefährliche Grundstimmung im Land (Lichtdesign Landungsbrücken: Linus König).
Parallel zur großen Veränderung Emils nach Ablegen seines Pullovers, kann ab diesem Moment das Publikum seinen Sitzplatz verändern und kurzerhand eine neue („Welt-“) Ordnung erstellen.
Der Abend beginnt mit der Erzählung aus dem provisorischen Lazarett und Demians Sterben, also dem eigentlichen Ende nach Ausbruch des ersten Weltkriegs. So ist Emils Erzählung hier ein Rückblick auf seine Jugend mit inneren Konflikten und persönlichen Veränderungen, aber auch die Frage nach etwas Neuem, etwas Besserem.
Für Leon Häder und das Inszenierungsteam gab es am Ende der Premierenvorstellung viel Applaus.
Markus Gründig, Mai 23
Demian
Nach dem Roman von Hermann Hesse (1877 – 1962)
Premiere Landungsbrücken Frankfurt: Freitag, 26. Mai 23
Premiere Stadttheater Bremerhaven: Sonntag, 4. Juni 23
Regie: Kornelius Eich
Bühnenbild: Marvin Ott
Kostümdesign: Marijke Wehrmann
Musik: Thomas Osterhoff
Lichtdesign Landungsbrücken: Linus König
Dramaturgie: Elisabeth Kerschbaumer und Friederike Weidner
Künstlerische Produktionsleitung: Dörthe Krohn
Mit: Leon Häder
Gefördert durch das Kulturamt der Stadt Frankfurt am Main, das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst sowie die Stiftung CITOYEN
Aufführungsrechte: Suhrkamp Verlag AG Berlin.
landungsbruecken.org / stadttheaterbremerhaven.de