Staatstheater Mainz: DER SPIELPLAN 2023/24

Staatstheater Mainz: DER SPIELPLAN 2023/24 ~ Jörg Vorhaben, Honne Dohrmann, Markus Müller, Sonja Westerbeck, Hermann Bäumer ~ © Andreas Etter

In einer Pressekonferenz haben Intendant Markus Müller, Generalmusikdirektor Hermann Bäumer, die Chefdramaturgin der Oper Sonja Westerbeck, der Chefdramaturg im Schauspiel Jörg Vorhaben sowie Tanzdirektor Honne Dohrmann heute das Programm der kommenden Saison am Staatstheater Mainz vorgestellt.

Romeo und Julia als ständige Wiederholung einer tragischen Täuschung, Carmen als spannungsgeladener Tanz um eine Säule, Die Piraten in Rollregalen auf hoher See, Die Schöne und das Biest als therapeutische Sitzung, Der zerbrochne Krug als Vorlage für Männerposen. Wie bockig ist Antigone und in welchem Takt schlägt ein Mysterious Heart? Follow me! Oder ist das alles Quatsch?

Die Jahresvorschau eines Theaters ist eine Sammlung an Verheißungen. Für das Jahresheft des Staatstheater Mainz haben die Ensemblemitglieder einige Stücke der kommenden Theatersaison schon einmal angespielt. Nicht mehr als eine Minute hatten sie dafür und 20 Minuten Vorbereitungszeit. Sie wussten die jeweiligen Titel vorher nicht und es sind auch nicht unbedingt die Produktionen, in denen sie selbst besetzt sind, zum Teil bewegen sie sich gar nicht in ihrer eigenen Sparte. In leeren unbekannten Räumen, ohne weitere Hilfsmittel, keine Bühne, keine Kostüme, keine Requisiten, keine Regie. Was die Sänger*innen, Tänzer*innen, Schauspieler*innen daraus gemacht haben, kann man sich ansehen, wenn man mit der Staatstheater Mainz Move App auf die Fotos im Heft geht – oder auf der Homepage des Theaters (staatstheater-mainz.com).

Staatstheater Mainz: DER SPIELPLAN 2023/24
Sonja Westerbeck, Hermann Bäume, Markus Müller © Andreas Etter

Die leeren Raume sind Teil des Kurfürstlichen Schlosses und gehörten lange Jahre zum ehemaligen Römisch-Germanischen Zentralmuseum. Sie sind also gar nicht wirklich leer, sondern leergeräumt, was ein großer Unterschied ist. Tatsächlich sind sie gefüllt mit Erinnerungen, kulturellen Einschreibungen. Ein ausgeräumter Raum ist eine plötzlich entstandene Leerstelle, ein Provisorium. Theater passt ganz gut da hinein – wie in die „Filiale“ im ehemaligen Karstadt Gebäude und das Leibniz-Zentrum fur Archaologie – denn es kommt mit leichtem Gepäck und nicht, um zu bleiben: „Übergangsorte erzählen immer Vergangenheit und Zukunft zugleich, bilden ein Spannungsfeld zwischen dem Nicht mehr und dem Noch nicht“, betont Markus Muller, „alle Theaterbühnen, also natürlich auch unsere Spielstätten im Haus am Gutenbergplatz, sind Zwischenreiche, die immer wieder leergeräumt und neu gefüllt werden. Jeden Tag bauen wir hier eine Welt ab und eine neue wieder auf, Königreiche machen Platz für elende Hütten, abstrakte Raume weichen Wohnzimmermöbeln, die Komödie tritt an die Stelle der Tragödie, Theater reist durch alle Dimensionen – an nur einem Ort!“ Damit eröffnet das Theater auch einen Reflexionsraum darüber, dass es tabula rasa nicht wirklich gibt: Wir können nicht alles wegwischen, es bleiben Spuren, die sich überlagern. Bühnenbilder abgespielter Produktionen sind eingelagert, aber die Geschichten, die gespielt wurden, sind noch da, in unseren Erinnerungen, an diesem Ort. Gleichzeitig lässt sich der Vorgang, einen Raum leerzuräumen, um ihn neu zu füllen, wunderbar symbolisch lesen. Denn nur, wenn ich etwas einreise (oder eben leerräume), um es dann mit meinen eigenen Gedanken, Erkenntnissen, Ideen wiederaufzubauen (zu füllen), gehört es ganz mir. Dann habe ich ganz im Sinne der Aufklärung gewagt, selbst zu denken und zu entwerfen, anstatt Gegebenes einfach zu übernehmen. Natürlich ist klar, dass wir bestimmt sind von Erfahrungen, Vorurteilen, Sozialisation und vielem mehr – das Theater kann dem kreativ begegnen, mit Entwürfen, Ideen, Projektionen. Alles nur Spiel und Behauptung, Scheitern möglich und erlaubt.

Der leere Raum, der sich so schon als Symbol und als Möglichkeit lesen lässt, bleibt im wirklichen Leben oft eine Utopie, so schnell wird er besetzt. Von dem, der am schnellsten handelt oder am lautesten schreit. Es geht um Macht – und Definitionshoheit ist Macht. Der herrschaftsfreie Diskurs nach Habermas ist eine schöne Vorstellung, aber gibt es ihn? Was es auf jeden Fall gibt, ist die Möglichkeit, Kompetenzen zu entwickeln, machtschaffende und machtstabilisierende Diskursmechanismen zu erkennen. „Und dabei“, so Markus Müller, „kann das Theater mit seinen ,Was-wäre-wenn-Strategien‘ hilfreich sein. Denn wer Zeichen entziffern, Motive frei legen und Figuren empathisch folgen kann, ist gewappnet gegen Deutungsdiktate. Theater wäre damit ein Angebot, Leerstellen als Bühne zu nutzen, um uns in Geschichten auszuprobieren.“

Und: Man konnte die Leerstellen und Unwagbarkeiten des Lebens wie die Darsteller*innen mit Humor nehmen, denn die kurzen Filme und das Spiel überhaupt haben eines gemeinsam – das Lachen, das zugleich Ausdruck der leisen Verzweiflung vor einer unlösbaren Aufgabe und die höchste Form menschlicher Autonomie ist: Unabhängig. Unangreifbar. Befreiend.

Natürlich geht es in den Stoffen der nächsten Saison um viel mehr, als sich in einer Minute darstellen lasst – wenn Regie, Dramaturgie, Bühne, Kostüm und alle Gewerke gemeinsam die Ideen, die am Anfang eines Spielplans stehen, sukzessive in Bühnenwirklichkeit übersetzen, mit allen Mitteln des Theaters.


MUSIKTHEATER

Hinter einer dicken Schicht aus Patina, Folklore und Femme-fatale-Deutung steht eine sehr pure, sehr ehrliche Geschichte von Freiheit und Überleben: Mit Carmen wird im Großen Haus die Opernsaison 2023/24 eröffnet. George Bizets unsterbliche Partitur ist jenseits aller Ohrwürmer sehr direkt und farbenreich in ihrem Ton, die Figuren sind greifbar und drastisch in ihren Konflikten und die Schauplätze metaphorisch aufgeladen – viel Stoff also für ein packendes Musiktheater, das Luise Kauz inszenieren wird, die erstmals in Mainz arbeitet, die musikalische Leitung liegt bei Daniel Montane.

Zwei Werke widmen sich dem düstersten Kapitel deutscher Geschichte und der Konfrontation mit der Vergangenheit. Mit der Oper Die Passagierin hat der polnisch-jüdische Komponist Mieczysław Weinberg eines der wichtigsten Werke des 21. Jahrhunderts geschrieben. Es ist ein in Musik gefasstes Mahnmal gegen das Verschleiern und Vergessen von Schuld und Opfern, die durch die Gräueltaten des Dritten Reiches ihr Leben im Konzentrationslager verloren haben. Die gleichermaßen berührende wie drastische Inszenierung von Nadja Loschky ist eine Kooperation mit der Oper Graz und wird nun, musikalisch geleitet von Hermann Bäumer, erstmals in Mainz gezeigt – die Titelpartie singt und spielt Nadja Stefanoff. In enger Verbindung dazu steht das Thema des Widerstands: Udo Zimmermanns Oper Weiße Rose fasst die beklemmende Stimmung des Geschwisterpaares Hans und Sophie Scholl wenige Stunden vor ihrer Hinrichtung in musikalisch wie textlich höchster Expressivitat ein – Maximilian Eisenacher inszeniert die Kammeroper auf U17, die musikalische Leitung liegt bei Paul Johannes Kirschner. Beide Produktionen werden von einem differenzierten Rahmenprogramm, Gesprächen und Lesungen begleitet.

Die rasanten Entwicklungen rund um Künstliche Intelligenz regieren die Feuilletons, bewegen und verwirren uns alle und gehören zu den großen Zukunftsthemen. Und so dreht sich auch in der Jugendoper humanoid von Leonard Evers alles um die technisch ausgereifteste Version des künstlichen Menschen. Kann man sich seinen Lieblingsmenschen als Android nachbauen? Wann ist eine Maschine menschlich? Im Kleinen Haus wird diesen Fragen in einer fantasievollen Klangsprache nachgegangen. Selbst der größte Opernfan fangt klein an und zu Beginn sollte ein erstes unmittelbares Erlebnis in Sachen Musik und Theater stehen: Diese elementare Erfahrung mit Musik, Sprache und Theaterzauber können die kleinsten Zuschauer*innen in der kommenden Spielzeit mit der Stückentwicklung Tschirp! machen und so einen spielerischen Einstieg in die große Welt der Oper finden.

Spielerisch-leichtfüßig ist auch das Stichwort für Die Piraten von Penzance des britischen Künstler-Duos Gilbert & Sullivan. Aus der englischen Operette nicht mehr wegzudenken, haben sie tatsächlich ihr Debüt in Mainz: Nie zuvor durften die Piraten hier an Land gehen. K.D. Schmidt inszeniert diese heiter-rasante Operette mit Seegang – am Pult halt Samuel Hogarth allen Stürmen stand.

Der Opernmonolog der finnischen Komponistin Kaija Saariaho Emilie stellt eine historische Frauenfigur in den Mittelpunkt: Emilie du Chatelet war eine französische Physikerin und Mathematikerin und eng verbunden mit Newton. Immo Karaman setzt dieses musikalische Kammerspiel als Deutsche Erstaufführung in Szene und Hermann Bäumer sorgt für die musikalische Umsetzung der feinsinnigen Partitur einer der bedeutendsten Komponistinnen dieser Zeit.

Zum anstehenden Peter Cornelius-Jubiläum wird in einer konzertanten Uraufführung das Werk Gunlöd zum Klingen gebracht. Eigentlich eine Nebenfigur in der Edda-Sage, wird Gunlod hier zur Hauptfigur, die sich im Spannungsfeld zweier Männer, ihrem Vater Suttung und Odin, behaupten muss, die musikalische Leitung hat Hermann Bäumer inne.

Zwei kraftvolle Werke komplettieren den Spielplan: Giuseppe Verdis Otello und Richard Strauss‘ Rosenkavalier, mit denen sich auch erstmals zwei neue Regieteams in Mainz vorstellen. Die Regisseurin Victoria Stevens zeichnet Otello als traumatisierten Kriegsheimkehrer. Er wird zum Opfer einer dramatischen Intrige, verliert das Vertrauen in Verbündete und geht, sich selbst überlassen, zu Grunde. Die musikalische Leitung von Hermann Bäumer und die von Antonello Palombi verkörperte Titelpartie empfehlen sich als musikalischer Höhepunkt der Saison. Richard Strauss‘ Meisterwerk Der Rosenkavalier ist eine lebendige Rokoko-Fantasie: Alter Adel – Neues Geld, diesem Gegensatzpaar der einstürzenden K&KMonarchie nimmt sich der österreichische Regisseur Georg Schmiedleitner mit Kraft und Herzblut an und entlarvt dabei gemeinsam mit dem musikalischen Leiter Daniel Montane so manche von Zuckerguss überdeckte Gesellschaftskritik.

Weiter auf dem Spielplan bleiben Hänsel und Gretel, Le Villi/Pagliacci (Der Bajazzo), Peter Pan, Salome und Klangjäger. Wieder aufgenommen wird Things have changed – Bob Dylan is not there.


SCHAUSPIEL

Wie gewohnt ist das Programm des Schauspiels am umfangreichsten: 15 Premieren (darunter vier Koproduktionen) und ein Projekt im Stadtraum stehen auf dem Spielplan der kommenden Saison. Außerdem werden aufgrund der hohen Nachfrage und anhaltenden Beliebtheit 16 Produktionen wiederaufgenommen, darunter Der kleine Horrorladen, Anna Karenina, Fast genial ebenso wie ältere Stücke wie Sophia, der Tod und ich und Krabat.

Bei den Neuproduktionen ist die Anzahl der Klassiker und modernen Klassiker mit Stoffen wie Woyzeck, Wer hat Angst vor Virginia Woolf?, Romeo und Julia, Der zerbrochne Krug oder Antigone 2023/24 höher als gewohnt – der Blick darauf allerdings ist heutig und meist weiblich: So wird die Regisseurin Mirjam Loibl, die erstmals am Staatstheater Mainz arbeitet, Marie in ihrer Woyzeck-Inszenierung mehr Raum geben, als Büchner ihr zugestanden hat – was sich auch im Titel wiederfindet: Woyzeck | Marie kommt im Kleinen Haus zur Premiere. Kathrin Madler, deren intensive Inszenierung von Der Vorfall allen unter die Haut ging, widmet sich Heinrich von Kleists Der zerbrochne Krug, Rimini Protokoll wird sich zusammen mit Theater Hora (eine Theatergruppe mit Menschen mit Behinderung) die Frage stellen, wie man Bertolt Brechts Der kaukasische Kreidekreis aus einer besonderen Perspektive aufführen kann und Anna Gschnitzer, Autorin von Einfache Leute, schreibt eine neue Fassung von Antigone nach Sophokles und fragt sich und uns, was eigentlich zivilen Ungehorsam definiert: Wie bewegt sich Antigone zwischen Spaltung und gesellschaftlicher Solidarität und was bedeutet es, alleine zu einer Heldin des Widerstands zu werden, wenn doch politisches Handeln eigentlich eine kollektive Verbindung voraussetzt – eine Frage, die aktueller kaum sein könnte. Alexander Nerlich wird hier die Regie übernehmen.

Privater, aber nicht weniger existenziell klingt diese Frage bei Romeo und Julia: „Would you die tonight for love?“ Jan Friedrich, der mit Glaube Liebe Hoffnung und Der Menschenfeind im Kleinen Haus bereits zwei beeindruckende Produktionen am Staatstheater Mainz inszeniert hat, wird mit Shakespeares vermutlich berühmtesten Stuck jetzt ins Große Haus wechseln. Neben den bekannteren Stoffen stehen vier Uraufführungen und eine Deutschsprachige Erstaufführung auf dem vielfältigen Schauspielprogramm und der Beginn der Spielzeit wird geprägt von zwei Arbeiten, die sich mit dem Beginn des Lebens beschäftigen: Nachdem Jan Neumann in seiner Stückentwicklung Sensemann & Söhne dem Tod die Bühne bereitete, geht es in Kurz & Nackig nun um die Geburt und um alles, was mit dieser zu tun hat. The Beginning von Bert und Nasi thematisiert noch grundsätzlicher den Anfang ganz allgemein, etwa, wenn man auch im fortgeschrittenen Alter von 65 Jahren noch mit dem Tanzen anfangen kann. Ebru Tartıki Borchers inszeniert die Deutschsprachige Erstaufführung von James Fritz‘ schonungslosem Sozialdrama Parliament Square. Dieses stellt – auf einer elementaren thematischen Ebene durchaus in Verwandtschaft zu Antigone – die Frage, was man aufgeben wurde, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Die Freunde? Die Familie? Oder sogar das Leben?

Jupiter brüllt – Der lange Weg zum Glücksplanet lautet der klingende Titel eines neuen und auf beste Weise unterhaltsamen Textes der jungen Autorin Annika Henrich. Er handelt von der Frage, wo das Gluck im 21. Jahrhundert zu finden ist, von den Millennials und deren Blick auf Arbeit, Partnerschaft und Eigentumswohnung – Regie fuhrt Ran Chai Bar-zvi.

Das Thema Wirtschaft, das sich motivisch bereits durch mehrere Spielzeiten zieht, wird auch in der neuen Saison fortgesetzt. Nach Für immer die Alpen und Villa Alfons kommt eine Bearbeitung von Rainald Goetz‘ Roman Johann Holtrop uber die Nuller Jahre in Deutschland auf die Bühne – im Mittelpunkt steht ein Vorstandsvorsitzender mit seiner Egomanie und seinem Zynismus, es inszeniert Friederike Heller.

Zwei neue Produktionen und ein Projekt sind im Schauspiel fur junge Zuschauer*innen geplant. Im Großen Haus herrscht Vorfreude auf das Familienstück: Die Schöne und das Biest heißt dieses in der sehr amüsanten Version von Lucy Kirkwood und in einer Inszenierung von Katharina Ramser. Als Uraufführung gibt es für alle ab 10 Jahren Kannawoniwasein zu erleben, ein Stück, das sich als eine Mischung aus Emil und die Detektive und Tschick beschreiben lässt: Die Besucher*innen verfolgen den Road Trip eines Jungen, dessen Rucksack bei einer Bahnfahrt geklaut wird, sowie die Abenteuer, die er infolgedessen erlebt (Regie: Tim Schmutzler). Außerdem geht die Sparte mit einem Projekt in den Mainzer Stadtraum: Das englische Duo Andy Field und Beckie Darlington wird mit Kindern in einem leerstehenden Gebäude in der Stadt ein temporäres Museum der kleinen und unwichtigen Dinge eröffnen.

Fehlen darf natürlich auf keinen Fall eine gute Komödie – und die liegt auch in diesem Jahr wieder in den bewährten Händen von Christian Brey: Woody Allens Hannah und ihre Schwestern erobern das Kleine Haus.


TANZMAINZ

Die Tanzsparte des Staatstheater Mainz hat – neben den umjubelten Auftritten in Mainz – zwei Spielzeiten weltweiter Reisetätigkeit hinter sich und bewegt sich auch 2023/24 weiter zwischen der intensiven Produktion neuer Stücke und internationalen Gastspielen.

Ungebrochen beliebt und energisch nachgefragt, bleiben Soul Chain, Promise und kreuz&quer weiter auf dem Spielplan. Wieder aufgenommen wird die jungst mit dem Deutschen Theaterpreis DER FAUST ausgezeichnete Produktion Sphynx. Bei den Uraufführungen macht den Auftakt in die Tanzsaison eine Arbeit von Moritz Ostruschnjak im Kleinen Haus: Der Münchner Choreograf kommt ursprünglich aus der Sprayerszene und hat sich nach einem langjährigen Engagement als Tänzer bei großen Compagnien zu einem der Hoffnungsträger des Tanzes in Deutschland entwickelt. Seine neue Arbeit in Mainz, Trailer Park, setzt sich mit den sozialen Medien auseinander und zeigt, wie diese unsere Verhaltensweisen und unser Zusammenleben beeinflussen. In einer sehr zeitgemäßen und intensiven Choreografie arbeitet er mit Fundstücken aus dem Internet, die er in seiner ganz eigenen Asthetik zu neuen Bildern zusammensetzt.

Eine andere wichtige Protagonistin des Tanzes in Deutschland ist die Hamburgerin Antje Pfundtner. Die Trägerin des renommierten Tabori-Preises setzt sich sowohl in ihren Arbeiten für Erwachsene als auch in den Kreationen für ein junges Publikum mit aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen auseinander. Quatsch, für ein Publikum ab 8 Jahren, spielt auf U17 einerseits mit der Freude an der Anarchie, stellt aber auf der anderen Seite die Frage, wann es damit eigentlich genug ist… Was muss erlaubt sein und wie definieren wir Grenzen?

Ein besonderes Augenmerk gilt in der kommenden Spielzeit der ebenso eigenwilligen wie innovativen Tanzszene Portugals. Der Doppelabend Força im Grosen Haus ist zwei bereits international erfolgreichen Choreograf*innen der jüngeren Generation gewidmet: Tania Carvalho besticht in ihrer Tanzsprache durch die Fähigkeit, große einprägsame Tableaus zu schaffen und ebenso absurde wie poetische Welten zu kreieren – und das alles auf hohem tänzerischen Niveau. Lander Patrick, jungst überaus erfolgreich mit seinem Gastspiel Bate Fado im Rahmen des tanzmainz festival, steht in der Tradition seiner früheren Lehrerin Tania Carvalho – hat aber eine ganz eigene Sprache für sich entdeckt. Mit ebenso kleinen wie hochkomplexen und dynamischen Bewegungen verschafft er seinen Bühnenfiguren eine hohe Individualitat. Mit seiner vierten Kreation für tanzmainz wird Felix Berner im Kleinen Haus erwartet. Nachdem zuletzt Ikarus die jungen Tanzbesucher*innen ab 12 Jahren begeistert hat, widmet sich Felix Berner mit Follow me! nun der Frage, warum wir eigentlich anderen Menschen, Stars, Idolen und Influencern folgen – warum wir nachahmen und kopieren, was uns inspiriert? Durch die hohe Authentizität und empathische Direktheit seiner Kreationen gelingt es Felix Berner immer wieder, das junge Publikum intensiv anzubinden.

Ein Höhepunkt der Spielzeit 2023/24 im Tanz wird naturlich das tanzmainz festival UPDATE #4, das wieder brandneue Choreografien und innovationsfreudige Arbeiten aufstrebender Künstler*innen zeigt. Ein Teil des diesjährigen tanzmainz festival UPDATE wird in Kooperation mit dem Hessischen Staatsballett stattfinden, das an den Standorten in Wiesbaden und Darmstadt zeitgleich Gastgeber von Spring Forward 2024 ist, das alle zwei Jahre in einem anderen Land stattfindet. Spring Forward hat sich zu einer Plattform für die dynamischsten und vielversprechendsten Choreograf*innen entwickelt, um ihre Arbeiten Fachleuten der darstellenden Künste und einem lokalen Publikum vorzustellen.

Selbstverständlich wird tanzmainz auch weiterhin in der Welt unterwegs sein: Nach dem riesigen Erfolg in der laufenden Spielzeit geht es noch einmal mit Soul Chain nach New York, außerdem gibt es unter anderem Gastspiele in Kanada, Israel und Slowenien.


Staatstheater Mainz: DER SPIELPLAN 2023/24
Jörg Vorhaben, Markus Müller, Sonja Westerbeck, Honne Dohrmann, Hermann Bäumer
© Andreas Etter

Das neue Jahresheft 2023/24 leuchtet fuchsiafarben, liegt ab sofort im Staatstheater aus und kann online auf der Website des Theaters digital gelesen und durchgeblattert werden. Dort können sich alle, die Lust haben, auch die oben genannten kurzen Filme ansehen.

staatstheater-mainz.com