

Dem Opern-Nachwuchs mehr als eine Chance geben, ist das Ziel des 2008 gegründeten Opernstudios der Oper Frankfurt. Ausgebildete Sänger:innen haben hier nicht nur die Möglichkeit, erste Erfahrungen auf einer großen Bühne zu machen. Das in sie gesteckte Vertrauen seitens des Hauses und der Förderer schließt selbst die Übernahme von Hauptrollen nicht aus. So war vor wenigen Tagen der mexikanisch-spanische Tenor Abraham Bretón als Herzog von Mantua in Verdis Rigoletto zu erleben. Seit vielen Jahren ist das Frankfurter Opernstudio ein Sprungbrett für junge Talente.
Nun fand im Holzfoyer der Oper Frankfurt die erste Soiree des Opernstudios in der Spielzeit 2024/25 statt. Innerhalb von 70 Minuten präsentierten sechs der sieben Stipendiaten:innen ein abwechslungsreiches Programm. Das stand dieses Mal unter keinem speziellen Motto. Abseits dessen handelte fast jeder Vortrag vom Thema Liebe. Am Klavier begleiteten den Abend Felice Venanzoni und Angela Rutigliano gewissenhaft.
Zwar neuer Stipendiat aber bei diesem Abend nicht beteiligt: Der māorische Bass Morgan-Andrew King. Er wird sich bei der nächsten Soiree vorstellen und zuvor bereits ab Dezember bei der Neuproduktion von Verdis Macbeth zu erleben sein.
Debüt von Julia Stuart
Die amerikanische Sopranistin Julia Stuart gab an diesem Abend ihr Debüt bei einer Soiree des Opernstudios. Die Absolventin der renommierten Juilliard School in New York ist seit dieser Spielzeit neue Stipendiatin. Sie begann mit dem Rezitativ „Ei, parte… senti… ah no!“ und der Arie „Per pietà, ben mio, perdona“ der Fiordiligi aus Mozarts Cosi fan tutte. Keine leichte Aufgabe. Sie wirkte mit ihrer geschmeidigen und vollklingenden Stimme konzentriert. Gestalterisch wird sie, wie es ihre Mitstipendiaten:innen taten, sicher von Mal zu Mal zulegen. Mut bewies sie mit dem arios vorgetragenen Liedklassiker „Zueignung“ (Richard Strauss), es war zugleich ein kleiner Härtetest hinsichtlich der deutschen Sprache. Schließlich trug sie noch die berühmte Arie der Wally „Ebben? Ne andró lontana“ aus La Wally von Alfredo Catalani gefühlvoll vor.
Idil Kutay stellte sich einer besonderen Herausforderung
Mit Franz Schuberts populärem Lied „Gretchen am Spinnrade“ („Meine Ruh ist hin“) stellte sich die Sopranistin Idil Kutay einer besonderen Herausforderung. Sie trug es mit viel Leidenschaft wie ein kleines Drama vor.
Gustave Charpentiers Oper Louise, eine Hommage an die Stadt Paris und Montmartre, war in Frankfurt noch nie zu erleben. Hieraus präsentierte Kutay die Arie „Depuis le jour“ des Arbeitermädchens Louise, die in einen Bohémien verliebt ist. Ergänzend dazu die Arie Liù „Tu che di gel sei cinta“ der unglücklich verliebten Sklavin aus Puccinis Turandot. Kutay hatte schon im Laufe ihrer ersten Saison deutlich an Selbstsicherheit gewonnen. An diesem Abend strahlte sie mit ihrer frischen Sopranstimme überaus einnehmend.
Stimmgewaltige Männerstimmen
Tenor Andrew Kim, der bei der letzten Soiree der Spielzeit 23/24 nicht teilnehmen konnte, eröffnete den Abend einfühlsam mit der berühmten Arie des Tamino „Dies´ Bildnis ist bezaubernd schön“ aus Mozarts Zauberflöte. Sein volles Potential zeigte er mit der ergreifenden Arie „Asile héréditaire“ des Verschwörers Arnold aus Rossinis Oper Guillaume Tell.
Auch der Bariton Sakhiwe Mkosana trug eine Arie aus einer Oper vor, die in Frankfurt noch nie zu sehen war: „Gemea di tetro carcere … Se ancorm´è dato stringerti“ des Enrico, dem Herzog von Chevreuse aus Donizettis tragischer Oper Maria di Rohan.
Zuletzt 2007 konzertant in der Alten Oper zu erleben war Giorandos Oper Andrea Chénier. Mit der Arie „Nemico della patria“ des Dieners Carlo Gérard fiel Mkosana die Ehre zu, den Abend zu beenden. Beide Arien gestaltete er ausdrucksstark und locker, wie aus dem Handgelenk geschüttelt.
Mit bordeauxroten Mokassins zum schwarzen Anzug gab Tenor Abraham Bretón schon optisch ein Statement an Nonchalance. Einnehmend gestaltete er die Arien „Quanto è bella, quanto é cara“ (aus Donizettis L’elisir d’amore) und „Recondita armonia“ (aus Puccinis Tosca).
Mit ihren unterschiedlichen Klangfarben erwies sich das Herrentrio als überaus durchschlagskräftig und stimmgewaltig.
Cláudia Ribas geht auf Richard Wagner zu
Die Dienstälteste in dieser Runde war die portugiesische Mezzosopranistin Cláudia Ribas. Ein Wechsel ins Ensemble ist bei ihr eigentlich längst überfällig (leider sind die Stellen dort limitiert). Anfang des Monats räumte sie beim Finale der 57. Ausgabe des Internationalen Gesangswettbewerbs im niederländischen ’s-Hertogenbosch (Hauptstadt der Provinz Noord-Brabant) ordentlich ab: Sie gewann nicht nur den Grand Prix der Stadt ’s-Hertogenbosch, sondern auch den ANED-Publikumspreis, den Wagner-Preis und den Junior-Jury-Preis!
Hier gab sie zunächst souverän die Arie des Sesto „Parto, parto, ma tu ben mios“ aus Mozarts La clemenza di Tito. Später wagte sie sich gar an Wagners Götterdämmerung (wahrlich kein Standardwerk für junge Stimmen). Die Arie der Waltraute „Höre mit Sinn, was ich dir sage“ aus dem ersten Aufzug bot sie mit viel Würde dar.
Als Zugabe für den intensiven Beifall seitens des Publikums gab es einen gemeinschaftlich vorgetragenen Klassiker: Die Torero-Arie aus Bizets Carmen („Votre toast, je peux vous le rendre “), unter Federführung von Matador Sakhiwe Mkosana und mit Andrew Kim als spontanem Stier.
Markus Gründig, Oktober 24