

Die Welt der Schönen und Reichen zieht seit jeher an. So ist es kein Wunder, dass F. Scott Fitzgeralds 1925 erschienener Roman Der große Gatsby bis heute einen gewissen Zauber verbreitet. Geht es darin doch um das schillernde Leben von superreichen New Yorkern im goldenen Jazz-Zeitalter. Dabei kennen die meisten eher nur den Titel dieser tragischen Liebesgeschichte und allenfalls eine der Verfilmungen. Wie die von Jack Clyton aus 1974 mit Robert Redford und Mia Farrow oder Baz Luhrmanns aus 2013 mit Leonardo DiCaprio und Tobey Maquire.
Das Schauspiel Frankfurt zeigt jetzt im Schauspielhaus eine besondere Bühnenbearbeitung des Romans von Iga Gańczarczyk. Die Regie führt Ewelina Marciniak. Sie stellte sich in Frankfurt/M 2023 mit Das Tove-Projekt vor.
Gerissenes Geschwisterpaar
Das Besondere dieser Fassung ist, dass die Romanfiguren George und Myrtle Wilson durch ein Geschwisterpaar ersetzt wurden. Es arbeitet als Bedienstete bei der Familie Buchanan bzw. bei Gatsby. Das hat den Nebeneffekt, dass die Autowerkstatt von Georg Wilson im Aschental als Handlungsort entfällt. Gleichzeitig rücken mit den sonst wenig beachteten Bediensteten diejenigen in den Vordergrund, die im Gegensatz zur High Society real arbeiten und sich tagein tagaus abschuften. Das untermauert Fritzgeralds sozialkritische Intension. Denn er zeigt schonungslos eine Welt, die den Wert eines Menschen nur nach dem Wert seines Besitzes beurteilt.

Schauspiel Frankfurt
Jordan Baker (Linda Pöppel), Nick Carraway (Isaak Dentler), Tom Buchanan (Arash Nayebbandi), Daisy Buchanan (Sarah Grunert), Jay Gatsby (Christoph Bornmüller)
Foto: Arno Declaire
Eine Überraschung gibt es zum Schluss der (leider) pausenlosen zweistündigen Aufführung. Im Gegensatz zur Figur des Wilson im Roman, sind die Geschwister nicht perspektivlos. Sie haben von Anfang an einen gerissenen Plan und suchen auf Kosten anderer ihren Weg nach oben. Dabei nehmen sie genauso wenig Rücksicht auf Gesetz und Ordnung, wie es ihnen ihre wohlhabenden Vorgesetzten vorleben.
Auf Nebenrollen, wie die des jüdischen Geschäftsmann Meyer Wolfshiem, wurde verzichtet.

Schauspiel Frankfurt
Bursche (Stefan Graf), Daisy II (Heidi Ecks)
Foto: Arno Declaire
Schonungslos nüchterne Szenerie
Ebenso wurde auf eine naturalistische Nachbildung der palastartigen Villa von Gatsby und dem Landhaus der Buchanans (im West und East Egg von Long Island) verzichtet.
Schonungslos nüchtern mutet die Bühne von Grzegorz Layer und Ewelina Marciniak an. Schon beim Betreten des Saals ist sie weit geöffnet. Im Hintergrund spenden zwölf Neonröhren kaltes Licht. Auf der Bühne befinden sich Objekte, die Orte lediglich vage andeuten. Wie ein Gerüst für ein (Hoch-) Haus oder ein Teppich für ein Wohnzimmer. Im Hintergrund sorgt eine breite Lamellenwand für Atmosphäre und gewendet mit einem Landschaftsbild für eine Verortung an einer Küste.
Stimmungen werden visuell durch eine ausgefeilte Ausleuchtung (Licht: Aleksandr Prowaliński) und musikalisch durch eine Liveband (Tim Roth, Martin Standke, Yuriy Sych) geschaffen. Dazu gibt es viele Gesangseinlagen (Musik: Waclaw Zimpel). Für Auflockerungen sorgen nicht zuletzt verschiedene Tanzszenen (Choreografie: Agnieszka Kryst). Hierbei kommen die auf die Charleston-Zeit verweisenden Kostüme von Julia Kornacka besonders zur Geltung.

Schauspiel Frankfurt
Nick Carraway (Isaak Dentler), Daisy Buchanan (Sarah Grunert), Mädchen (Nina Wolf), Tom Buchanan (Arash Nayebbandi), Jordan Baker (Linda Pöppel)
Foto: Arno Declaire
Bodenständiger Gatsby
Den unnachgiebig seine Träume verfolgenden Jay Gatsby gibt Christoph Bornmüller als bodenständigen Verfechter des American Dream. Die naiv gezeichnete Figur der Daisy Buchanan („Meine Tochter soll einmal dumm und hübsch sein“) gibt es hier als Double. Neben der meist fidelen Daisy der Sarah Grunert gibt es mit Heidi Ecks noch eine Daisy II, ein älteres Alter Ego, das nüchtern Bilanz zieht. Lässig verkörpert Arash Nayebbandi den reichen Erben Tom Buchanan. Isaak Dentler ist der zurückhaltende „Erzähler“ Nick Carraway. Für Esprit sorgt Linda Pöppel als Golfspielerin und It-Girl Jordan Baker, die wie keine andere für die Freiheit der Frauen eintritt.
Nina Wolf ist die Haushälterin („Mädchen“), die auch einer Affäre mit ihrem Boss nicht abgeneigt ist, solange es ihr einen Vorteil bringt.
Zur Beerdigung von Gatsby erscheint sein Vater Henry Gatz, ehrenhaft gegeben von Matthias Redlhammer. Stefan Graf obliegt es bereits vor dem eigentlichen Beginn mit seiner markanten Stimme zum Publikum zu sprechen und auf Besonderheiten der Inszenierung hinzuweisen. Als der forsche Bursche verfolgt eisern seine hehren Absichten.
Am Ende der besuchten zweiten Vorstellung intensiver Beifall.
Markus Gründig, Oktober 24
Der große Gatsby
Roman von: F. Scott Fitzgerald (1896 – 1940)
Für die Bühne bearbeitet von: Iga Gańczarczyk
Deutsch von: Andreas Volk unter Verwendung der Romanübersetzung von Bettina Abarbanell
Premiere: 25. Oktober 24 (Schauspielhaus)
Besuchte Vorstellung: 28. Oktober 24
Regie: Ewelina Marciniak
Bühne: Grzegorz Layer, Ewelina Marciniak
Kostüme: Julia Kornacka
Musik: Waclaw Zimpel
Choreographie: Agnieszka Kryst
Dramaturgie: Iga Gańczarczyk, Eivind Haugland
Licht: Aleksandr Prowaliński
Besetzung:
Jay Gatsby: Christoph Bornmüller
Nick Carraway: Isaak Dentler
Daisy Buchanan: Sarah Grunert
Tom Buchanan: Arash Nayebbandi
Jordan Baker: Linda Pöppel
Daisy II: Heidi Ecks
Mädchen: Nina Wolf
Bursche: Stefan Graf
Henry Gatz: Matthias Redlhammer
Live-Musik: Tim Roth, Martin Standke, Yuriy Sych
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