Klassiker »Wer hat Angst vor Virginia Woolf?« am Theater Willy Praml

Wer hat Angst vor Virginia Woolf? ~ Theater Willy Praml ~ Florian Appelius, Jakob Gail ~ Foto: Seweryn Zelazny
kulturfreak Bewertung: 4 von 5

Am 5. Oktober ist es soweit, auf RTL startet die sechste Staffel Das Sommerhaus der Stars – Kampf der Promipaare. Bei diesen Beziehungshärtetests wird am Ende „DAS Promipaar 2021“ gekürt und manches Paar wird danach vielleicht getrennte Wege gehen, so wie es in der Vergangenheit dem einen oder anderen Paar gegangen ist. Neben diversen Aufgaben („Challenges“) kommt es durch das Zusammenleben auf engem Raum unweigerlich zu großen Streitereien, der Zuschauer kann voyeuristisch von der Couch aus zuschauen. Auch George und Martha in Edward Albees Welterfolg Wer hat Angst vor Virginia Woolf? streiten viel. Sie liefern sich fiese Sticheleien aus Prinzip und machen sich gegenseitig fertig. Auch hier schaut das Publikum immer wieder gerne zu, vielleicht auch nur, um zu erkennen, dass die eigenen Probleme vielleicht gar nicht so schlimm sind.

Wer hat Angst vor Virginia Woolf?
Theater Willy Praml
Hannah Bröder, Jakob Gail, Birgit Heuser, Florian Appelius
Foto: Seweryn Zelazny

Das Drama ist jetzt am Theater Willy Praml zu erleben, in einer Inszenierung von Michael Weber. Ursprünglich sollte das Stück dort bereits am 20. März 2020 Premiere feiern. Doch der erste Lockdown in der Geschichte der Bundesrepublik machte dies unmöglich.
Durch die Beschränkung auf wenige Figuren und auf eine Handlungszeit von nur einer Nacht ist das Stück eher ein Kammerspiel, weshalb bei vielen Inszenierungen auch die große Bühne verkleinert wird. Es in der überdimensional tiefen Bühne der Naxoshalle zu inszenieren, ist ein großes Wagnis.
Einziger Handlungsort ist das Wohnzimmer im Haus des Akademikerpaars George und Martha. Hier in Form der kompletten Halle, weitestgehend ohne Einrichtung (der Biologieprofessor Nick fragt dafür mehrfach nach der Couch, diese kommt erst am frühen Morgen ins Spiel). Auf dem Boden ist ein Meer von roten Kunststoffbechern akkurat aufgereiht (Bühne: Michael Weber). Schließlich wird bei George und Martha viel, sehr viel, getrunken (Wasser dabei nur in Form von Eis zu Whiskey). Zudem werden die Becher für gestandene Trinker zu einer Herausforderung beim Durchschreiten der Wohnung. Wo die junge Putzi noch leichtfüßig durch die Becherreihen hüpfen kann, hat der reife George seine Last damit. Auf einer großen Leinwand im hinteren Bereich ist eine große Glocke projiziert, das Bild wird beim Läuten (begleitet von einem kräftigen Klang) beweglich und später multipliziert, als wäre die Türglocke (Außenwelt, Realität) eine Bedrohung (Projektion/ Glocken: Thea van Woland).

Wer hat Angst vor Virginia Woolf?
Theater Willy Praml
Hannah Bröder, Jakob Gail, Birgit Heuser, Florian Appelius
Foto: Seweryn Zelazny

Verwendet wird eine zeitgemäße Übersetzung, bei der man sich ab und an fragt, ob hier auch kleinere Fremdtexte eingefügt wurden. Im Zentrum der Aufführung steht der Zyniker George, der den hohen Ansprüchen seiner Frau Martha keinesfalls gerecht wird. Mit Jackett und Hemd macht er optisch einen seriösen Eindruck, eigentlich. Aber als Hose trägt er eine Schlafanzughose mit Micknouse-Motiven. Insgesamt wird dadurch sein freigeistiger Charakter betont (Kostüme: Paula Kern). Jakob Gail brilliert als tragisch-komischer Hausherr, der mit viel Energie und Lust sein teuflisches Spiel betreibt. Seine sechs Jahre ältere Frau Martha zeigt jung wirkend Birgit Heuser (mit langen brünett-rötlichen Haaren) mit gleicher Freude an der Vernichtung des anderen. Nicht zu vergessen ist ihre tiefe Verachtung für George als Ehemann, Mensch und Hochschullehrer. Den zielstrebig seine Karriere vorantreibenden Biologieprofessor Nick, der von Georges und Marthas Spiel in die Enge getrieben wird, gibt sehr präsent Florian Appelius. Hannah Bröders Putzi entspricht ganz dem klassischen Rollenbild der gutgläubigen Predigertochter. Zusätzlich ist in einer stummen Rolle der imaginäre Sohn von George und Martha beteiligt (Muawia Harb), ein mahnendes Bild aus deren fehl gelaufenem Leben.
Gespielt und gesungen (der Titelsong von Ann Ronell und Frank Churchill mit dem Silly Symphony Orechstra aus dem Jahr 1934) wird inklusive einer kurzen Pause drei Stunden, am Ende großer, lang anhaltender Applaus.

Markus Gründig, September 21

Theaternachlese im Haus am Dom: Mo., 4. Oktober 21 (19.30 Uhr; Eintritt frei)


Wer hat Angst vor Virginia Woolf?

(Who’s Afroid of Virginia Woolfe?)

Drama in drei Akten

Von: Edward Albee
Uraufführung: 13. Oktober 1962 (New York, Billy Rose Theater)
Deutschsprachige Erstaufführung: 13. Oktober 1963 (Berlin, Schillertheater)

Premiere am Theater Willy Praml: 10. September 21 (Naxoshalle Frankfurt)
(ursprünglich geplant für den 20. März 2020)

Regie, Bühne: Michael Weber
Kostüme: Paula Kern
Lichtdesign: Simon Möllendorf, Nils Wildegans
Licht: Johannes Schmidt
Ton: Nils Wildegans
Projektion/ Glocken: Thea van Woland
Soundbearbeitung: Gregor Praml
Regieassistenz: Muawia Harb
Werkstätten: Marcus Morgenstern, Nils Wildegans

Darsteller*innen:

Florian Appelius
Hannah Bröder
Jakob Gail
Birgit Heuser
Muawia Harb (ehemaliger Nationalspieler der syrischen Rugby-Mannschaft)

theater-willypraml.de