Viel Heiterkeit bei Jacques Offenbachs »Die Banditen« an der Oper Frankfurt

Die Banditen ~ Oper Frankfurt ~ v.l.n.r. Falsacappa ( Gerard Schneider), Fiorella (Elizabeth Reiter), Pietro (Yves Saelens) und Fragoletto (Kelsey Lauritano) ~ © Barbara Aumüller (szenenfoto.de)

Nicht zuletzt „für einen dramaturgisch plausiblen, innovativen und abwechslungsreichen Spielplan“ (Opernwelt) wurde die Oper Frankfurt mehrfach als „Opernhaus des Jahres“ ausgezeichnet. Allein in der aktuellen Spielzeit 2023/2024 werden allein im Opernhaus Neuproduktionen von so unterschiedlichen Komponisten wie Händel, Halévy, Ligeti, Mozart, Wagner, Verdi und Zemlinsky gegeben. Die ohnehin große Bandbreite wurde jetzt mit Jacques Offenbachs Die Banditen um das Genre Operette erweitert.

Mit einem ausgeprägten Gespür für das Burleske reflektierten Offenbachs Werke auch die gesellschaftlichen Schwächen seiner Zeit. Einen frühen großen Erfolg hatte der in Köln geborene Musiker und Komponist mit Orphée aux enferrs (Orpheus in der Unterwelt) im Jahr 1858. Elf Jahre danach feierte die Opéra-bouffe Die Banditen ihre Uraufführung. Auch sie war zunächst sehr erfolgreich. Warum, das ist nun an der Oper Frankfurt zu erleben. Als ein mit viel Schwung rasant umgesetzter Spaß mit großem Ensembleaufgebot. Hierfür wurde publikumsfreundlich von Regisseurin Katharina Thoma extra eine neue deutsche Fassung erstellt.

Die Banditen
Oper Frankfurt
Pipa (Cláudia Ribas; auf der Rutsche) und Ensemble (oben)
© Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de

Dezente Bezüge zur Gegenwart

Katharina Thoma inszenierte an der Oper Frankfurt zuletzt Stabat Mater/La serva padrona, davor Tristan & Isolde und Martha). Bei ihrer Umsetzung von Die Banditen verzichtete sie weitestgehend auf Bezüge zur Gegenwart.
Die Geschichte einer liebenswert gezeichneten Räuberbande, die versucht einen mega Coup zu landen, zeigt sie nah am Original. Eine gute Handvoll Regieeinfälle weisen von der Handlungszeit 18. Jahrhundert ins Heute. Dazu zählt, dass der Jungbauer Fragoletto hier zeitgemäß ein Biobauer ist, dass über eine Autobrücke Kraftfahrzeuge entlangrasen und dass auf einer EU-Flagge ein Stern entfernt wurde (Brexit).

Die Banditen
Oper Frankfurt
Der Prinz von Mantua (Peter Marsh) und Die Marquise (Cláudia Ribas; mit rotem Haar) sowie Ensemble
© Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de

Bühne im Stil der italienischen Landschaftsmalerei

Die Bühne von Etienne Pluss ist im ersten Akt der italienischen Landschaftsmalerei nachempfunden. Sie zeigt unterhalb einer großen Autobrücke ein Waldidyll, wie es der angedachten norditalienischen Lombardei bei Mantua im 18. Jahrhundert entspricht. Für die Wirtshausszene im 2. Akt werden die Brückenpfeiler kurzerhand mit einer Holzvertäfelung umkleidet und eine Türanlage hereingeschoben. Der Saal im Palast des Fürsten von Braganza im 3 Akt besticht durch einen großen Hintergrundprospekt. Für Amüsement im Publikum sorgt die auf einem Tableaux hereinfahrende spanische Hofgesellschaft, die einem Himmelbett entsteigenden italienischen Hofdamen und die stets zu spät kommende fürstliche Polizei. Clou der Inszenierung ist eine Rutsche, über die Spanier und Italiener kurzerhand in den Keller gesperrt werden.
Zeigen sich die Banditen in dicken Mänteln, erfreut insbesondere die spanische Hofgesellschaft mit ihren aufwändig gestalteten Trachten (Kostüme: Irina Bartels).

Die Banditen
Oper Frankfurt
vorne sitzend v.l.n.r. Falsacappa (Gerard Schneider), Fiorella (Elizabeth Reiter), Fragoletto (Kelsey Lauritano) und Pietro (Yves Saelens) sowie links stehend Barbavano (Jarrett Porter) und rechts stehend Domino (Michael McCown) neben Carmagnola (Jonathan Abernethy) mit Ensemble
© Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de

Charmante Melodien

Das turbulente Geschehen auf der Bühne wird von Karsten Januschke am Pult des Frankfurter Opern und Museumsorchesters musikalisch gespiegelt. Offenbachs charmante Melodien kommen dabei effektvoll zur Geltung. Eine zu beschwingte Umsetzung wird gekonnt vermieden.

Das sängerische Aufgebot ist immens. 22 Solisten und der Chor der Oper Frankfurt (Einstudierung: Tilman Michael) sind bei dieser Ensembleproduktion beteiligt. Die Grenzen zwischen Solisten und Chor werden oft aufgehoben. Katharina Thoma ist es sehr gut gelungen, die Massen stets zügig auf- und abtreten zu lassen.

Der österreichisch-australische Tenor Gerard Schneider gibt einen energiegeladenen Räuberhauptmann Falsacappa. Als seine kecke Tochter Fiorella nimmt Sopranistin Elizabeth Reiter stark für sich ein (eine vor Vorstellungsbeginn verkündete erkältungsbedingte Indisposition war ihr dann nicht anzumerken). Ein großes Maß an Vitalität zeigt die japanisch-amerikanische Mezzosopranistin Kelsey Lauritano als der Biobauer und Banditenneuling Fragoletto (hier als Hosenrolle). Tenor Peter Marsh gibt frohen Mutes den heiratswilligen Herzog von Mantua. Würdevoll, trotz Unpässlichkeit beim Laufen, zeigte der mexikanisch-spanische Tenor Abraham Bretón als Graf von Gloria-Cassis. Als stolze Prinzessin von Granada gefällt Sopranistin Juanita Lascarro. Am Ende gibt es ein Wiedersehen mit Peter Broder, als den Frauen verfallender Schatzmeister Antonio. Und die Erkenntnis, dass die Banditen fast ehrbarer sind, als die, die sie bestehlen wollen.

Die Freude auf der Bühne, einmal auch eine heitere Opéra-bouffe spielen zu können, überträgt sich auf das Publikum. Bei der besuchten zweiten Vorstellung gab es viel Zwischen- und einen lang anhaltenden Schlussapplaus.

Markus Gründig, Februar 24


Die Banditen

(Les brigands)
Opéra-bouffe in drei Akten

Von: Jacques Offenbach (1819–1880)
Text: Henri Meilhac und Ludovic Halévy

Uraufführung: 10. Dezember 1869, (Paris, Théâtre des Variétés)

Premiere / Frankfurter Erstaufführung: 28. Januar 24
Besuchte Vorstellung: 1. Februar 24

Musikalische Leitung: Karsten Januschke
Inszenierung: Katharina Thoma
Bühnenbild: Etienne Pluss
Kostüme: Irina Bartels
Choreografie: Katharina Wiedenhofer
Licht: Olaf Winter
Chor: Tilman Michael
Dramaturgie: Konrad Kuhn

Besetzung:

Räuber

Falsacappa: Gerard Schneider
Pietro, sein Stellvertreter: Yves Saelens
Carmagnola: Jonathan Abernethy
Domino: Michael McCown
Barbavano: Jarrett Porter°
Fiorella, Tochter Falsacappas: Elizabeth Reiter
Fragoletto, ein junger Bauer: Kelsey Lauritano

Wirtsleute

Pipo: Kudaibergen Abildin
Pipa, seine Frau / Die Marquise: Cláudia Ribas°
Pipetta, seine Tochter / Die Herzogin: Ekin Su Paker

Mantuaner

Der Herzog von Mantua: Peter Marsh
Baron von Campotasso: Theo Lebow
Der Kapitän der Carabinieri: Magnús Baldvinsson
Antonio, Schatzmeister: Peter Bronder

Spanier

Graf von Gloria-Cassis: Abraham Bretón°
Die Prinzessin von Granada: Juanita Lascarro
Adolfo von Valladolid, ihr Page: Tianji Lin
Der Hofmeister: Pilgoo Kang

Bäuerinnen

Fiametta: Eui Kyung Kim
Zerlina: Konstanze Schlaud
Bianca: Julia Mattheis
Cicinella: Hyemi Rusch-Jung

° Mitglied des Opernstudios

Chor der Oper Frankfurt
Frankfurter Opern- und Museumsorchester

oper-frankfurt.de

1 Trackback / Pingback

  1. DIE SONNTAG-PRESSE 4. Februar 2024 - Klassik begeistert

Comments are closed.