Oper Frankfurt verbindet Pergolesis kontrastierende Werke »La Serva Padrona» und »Stabat mater« zu einem eindringlichen Opernabend

Stabat mater ~ Oper Frankfurt ~ v.l.n.r. Sopran (Monika Buczkowska), Mezzosopran (Kelsey Lauritano) und Vespone (Frank Albrecht) ~ © Barbara Aumüller (szenenfoto.de)
kulturfreak Bewertung: 4 von 5

Ein langes Leben war Giovanni Battista Pergolesi nicht gegeben. Er starb 1736 im Alter von nur 26 Jahren (vermutlich an Tuberkulose). Als Komponist, vor allem von Opern und geistlichen Werken, war er sehr erfolgreich. Sein Intermezzo La Serva Padrona (Die Magd als Herrin) war nicht nur ein großer Erfolg an der Pariser Opéra comique, es gilt auch als erstes Repertoirestück im Musiktheaterbereich. Pergolesis letztes Werk Stabat mater, die Vertonung des gleichnamigen mittelalterlichen Gedichts, wird noch heute regelmäßig in Kirchen konzertant gegeben und machte ihn unsterblich. Die Oper Frankfurt hat jetzt beide Werke zu einem Opernabend zusammengefasst. Ursprünglich war Jacques Offenbachs Opéra-bouffe Die Banditen an dieser Stelle vorgesehen, doch mit der anhaltenden Corona-Krise musste umgeplant werden. Das Inszenierungsteam blieb dabei unverändert.

La serva padrona
Oper Frankfurt
v.l.n.r. Uberto (Gordon Bintner), Vespone (Frank Albrecht) und Serpina (Simone Osborne)
© Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de

Die kontrastierenden Werke, von denen das Stabat mater noch nicht einmal für eine szenische Aufführung komponiert wurde, hat Regisseurin Katharina Thoma eindringlich umgesetzt.
Das nur äußerst selten gespielte Intermezzo La serva padrona erzählt die Geschichte einer Haushälterin, die für einen wirtschaftlichen Aufstieg unbedingt ihren reichen und tölpelhaften Dienstherrn heiraten will. Ein beliebter Stoff, ähnlich zu Georg Friedrich Telemanns Pimpinone oder Die ungleiche Heirat, das letzte Woche am Staatstheater Mainz Premiere feierte. Ganz so heiter ist Katharina Thomas Deutung nicht. Als Verbindung zum geistlichen Stabat mater lässt sie es in einem Pfarrhaus spielen. Zum aus der Oper Il Flaminio entlehnten Schlussduett zieht Uberto, der hier ein katholischer Priester ist, die Konsequenz aus seinem Zölibatsbruch und kleidet sich weltlich.
Die Bühne von Etienne Pluss deutet nüchtern und punktuell mit einem Bett, Suppentopf, Gebetsstuhl und Harmonium verschiedene Räume mit hölzernen Möbeln innerhalb eines großen Raumes an. Die kalte Ausleuchtung entspricht dem nüchternen Blick (Licht: Olaf Winter). Dennoch gibt es zahlreiche Situationskomik. Ein Triptychon fällt nicht nur immer wieder in die Schräge, zwischenzeitlich verwandelt sich dessen Mittelbild, zum Schrecken von Priester Uberto, auch in das Antlitz von Serpina. Über deren Kopf schwebt im Laufe des Abends, einem Heiligenschein gleich, eine Deckenlampe. In diesem unterkühlten Pfarrhaus ist die Serpina der kanadischen Sopranistin Simone Osborne ein Energiebündel, die mit allen Mitteln der Verführungskunst und eisern ihr Ziel verfolgt, Herrin im Haus zu werden. Schon im Vorspiel steckt sie keck ihre Füße aus dem Bett, um sodann mit einer Übelkeitsattacke ihre Schwangerschaft und ihr bereits bestehendes intimes Verhältnis zu Uberto anzudeuten. Diesen verkörpert nicht als alten Greis, sondern sehr vital, Bassbariton Gordon Bintner mit markanter warmtönender Stimme. Osborne und Bintner sind auch im realen Leben ein Paar.
Dritter im Bunde ist der Diener Vespone. Eine stumme Rolle, die der Schauspieler Frank Albrecht mit hintersinnigem Humor gestaltet.

Stabat mater
Oper Frankfurt
Sopran (Monika Buczkowska) und Vespone (Frank Albrecht)
© Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de

Nach einer kurzen Pause zum Einstimmen der Instrumente geht der Abend zu Stabat mater über. Dabei handelt es sich um eine Vertonung eines mittelalterlichen Gedichts, das die Gottesmutter in ihrem Schmerz um den Gekreuzigten besingt. Viele Komponisten haben es vertont, doch keiner so hingebungsvoll und anteilnehmend wie Giovanni Battista Pergolesi.
Auf der Bühne erfolgt der Übergang fließend. Die Rückwand wird in den Schnürboden gezogen und ein großer dunkler freier Raum wird sichtbar. Die noch vorhandenen Requisiten verschwinden dezent peu à peu unter Einsatz der Drehscheibe. Ein Vorhang im Hintergrund kann als Andeutung für das Kreuz Christi interpretiert werden. Gestalterisches Element ist der Einsatz der Statisterie: vier Erwachsene und zwei Kinder. Auch Serpina und Uberto sind, nun mit Baby, dabei. Einzelne Miniszenen untermalen die Gebetsverse, die von der Sopranistin Monika Buczkowska und der Mezzosopranistin Kelsey Lauritano andächtig und innig gesungen werden. Beide tragen samtene Kleider und Kopfbedeckungen, die den Körper bis auf das Gesicht umhüllen (Kostüme: Irina Bartels). Gleichwohl ist das gezeigte Geschehen sehr heutig und weltlich. Die Kinder spielen mit einem Ball, eine Prostituierte kümmert sich um eine verletzte Obdachlose, ein Mann sucht Asyl und ein Mann wird von allen gemeinschaftlich zu Grabe geführt. Zum finalen „Amen“ finden sich alle im Halbkreis zusammen, ein schönes Schlussbild.
Mehr wie sonst bietet gerade Stabat Mater die Gelegenheit, intensiv dem Gesang und der rührend-empfindsamen Musik zu lauschen. Zumal die Mitglieder des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters unter der Leitung von Karsten Januschke äußerst feinfühlig spielen.

Ein Werk als Appell an die Menschlichkeit, die niemals aus dem Blickwinkel geraten sollte.

Markus Gründig, Oktober 20


La Serva Padrona / Stabat Mater

Giovanni Battista Pergolesi (1710-1736)

La serva padrona (Die Magd als Herrin)
Intermezzo in zwei Teilen
Text von: Gennarantonio Federico
Uraufführung: 28. August 1733 (Neapel, Teatro San Bartolomeo)

Stabat mater (Die Mutter stand mit Schmerzen)
Katholische Sequenz, Verfasser unbekannt
Uraufführung: 1736 (Neapel)

Premiere an der Oper Frankfurt: 18. Oktober 20
Besuchte Vorstellung: 22. Oktober 20

Musikalische Leitung: Karsten Januschke
Inszenierung: Katharina Thoma
Bühnenbild: Etienne Pluss
Kostüme: Irina Bartels
Licht: Olaf Winter
Dramaturgie: Konrad Kuhn

Besetzung: LA SERVA PADRONA

Serpina: Simone Osborne
Uberto: Gordon Bintner
Vespone: Frank Albrecht

Besetzung: STABAT MATER

Sopran: Monika Buczkowska
Mezzosopran: Kelsey Lauritano

Frankfurter Opern- und Museumsorchester

Continuo
Cembalo und Orgel: Felice Venanzoni
Laute: Toshinori Ozaki
Violoncello: Kazmel Salaheldin

Statisterie und Kinderstatisterie der Oper Frankfurt

oper-frankfurt.de