Ensemble Resonanz und Schauspieler Charly Hübners Séance zwischen Franz Schubert und Nick Cave »mercy seat- Winterreise«

© resonanzraum records, Hamburg

Viele namhafte Sänger haben Franz Schuberts Liedzyklus Winterreise aufgenommen. Das Angebot an Einspielungen ist enorm und ob der unterschiedlichen Stimmen und Interpretationen überaus vielseitig. Manche Künstler reizt es, die Winterreise mit einer ganz eigenen Intension zu begegnen. So fragten sich zum Jahresbeginn der Arrangeur Marcel Daemgen und Sänger Oliver Augst bei ihrer in Koproduktion von Deutschlandfunk und dem Label HOMEfamily erfolgten radikalen Einspielung, wie dieses Werk klänge, wäre es heute geschrieben worden.
Einen anderen Ansatz als eine klassische Liedinterpretation verfolgt auch die Einspielung „mercy seat- Winterreise“ des Hamburger Ensemble Resonanz und des Schauspielers Charly Hübner (u. a. bekannt als Fernsehkommissar der Rostocker Polizeiruf-110-Folgen des NDR). Sie erschien Anfang Oktober 20 und geht auf ein Projekt der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern von 2018 zurück. In unregelmäßigen Abständen wird das Programm auch als Live-Event dargeboten. So war es bereits schon in der Elbphilharmonie Hamburg, im Prinzregententheater München und bei den Niedersächsischen Musiktagen Hannover zu erleben.

Charly Hübner bietet nach eigener Aussage eine „hybrid krude“ Perspektive auf Schuberts Liederzyklus Winterreise. Beigemischt wurden drei Songs des Rockpoeten Nick Cave und ein Auszug aus dem melancholischen Adagietto von Gutsav Mahlers 5. Sinfonie. Zehn Lieder des Zyklus wurden nicht berücksichtigt. Die Figur des einsamen Wanderers ist hier mit der Nick Cave’schen Täterfigur aus dem Song „The Mercy Seat“ verbunden. In dieser Erzählung sucht ein Getriebener Einsamkeit und Freiheit, spricht vom Scheitern und vom Tod und bekennt sich schließlich auf dem elektrischen Stuhl („The Mercy Seat“) zu seiner Schuld.

Charly Hübner interpretiert die Lieder abseits kunstgesanglicher Praxis, ganz vom Text heraus: teilweise sanft flehend und ruhig flüsternd, meist aber derb und die tiefe Verzweiflung auch lautstark vokal ausdrückend. Der Wanderer ist für ihn auch ein Täter.

Die musikalische Bandbreite ist in der Bearbeitung des Komponisten Tobias Schwencke groß und faszinierend vielseitig. Dazu sind drei ausgezeichnete Jazzmusiker beteiligt: Der finnische Gitarrenvirtuosen Kalle Kalima, der portugiesische Kontrabassist Carlos Bica und der deutsche Schlagzeuger Max Andrzejewski. Abgerundet werden die Bearbeitungen von Schubert und Cave mit Auszügen aus dem Roman „Das fahle Pferd“ von Boris Sawinkow.

Die etwas andere Sicht auf diesen Klassiker, laut Christian Tschirner (Leitender Dramaturg an der Schaubühne Berlin) ein Seelentrip in die frostigen Randbezirke menschlicher Existenz, ist für Crossover-Fans eine spannende Ergänzung zu den bestehenden Einspielungen. Das 32-Seiten umfassende CD-Booklet enthält die Songtexte und Fotos von der Aufnahme aus der Friedrich-Ebert-Halle Hamburg.

Markus Gründig, Oktober 20


mercy seat- Winterreise

Eine Séance zwischen Franz Schubert und Nick Cave
Ensemble Resonanz & Charly Hübner
Bearbeitung: Tobias Schwencke

resonanzraum records, Hamburg

Album Trackliste:

01. The Mercy Seat (Nick Cave)
02. Gute Nacht (Franz Schubet)
03. Die Wetterfahne
04. Im Dorfe
05. Linneboom
06. Gefror’ne Thränen
07. Erstarrung
08. Auf dem Fluße
09. Rückblick
10. Sweetheart Come (Nick Cave)
11. Irrlicht (Franz Schubert)
12. Adagietto aus der 5. Sinfonie (Gustav Mahler)
13. Einsamkeit (Franz Schubert)
14. Where the Wild Roses grow (Nick Cave)
15. Die Krähe (Franz Schubert)
16. Das Wirtshaus
17. Der Wegweiser
18. Die Nebensonnen
19 The Mercy Seat (Nick Cave)

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