Telemanns Intermezzo giocoso »Pimpinone« als zeitgemäße Beziehungskomödie am Staatstheater Mainz

Pimpinone oder Die ungleiche Heirat Staatstheater Mainz Pimpinone (Derrick Ballard), Vespetta (Alexandra Samouilidou) © Andreas Etter

Georg Philipp Telemanns Œuvre ist immens. Neben Kammermusik, Kantaten, Lieder, Oratorien, Serenaden, Suiten und Passionen schrieb er auch circa 25 Opern. Zu Ihnen zählt das Intermezzo giocoso (lustiges Zwischenspiel) Pimpinone oder Die ungleiche Heirat. Es wurde zur Auflockerung von Händels Tamerlano 1725 in Hamburg uraufgeführt. Vor zehn Jahren war das Werk als Kinderoper am Staatstheater Mainz in der damaligen Spielstätte TiC zu sehen. Auch die Oper Frankfurt zeigte die Geschichte um eine Haushaltshilfe, die sich einen vermögenden alten Ehemann schnappt, 2010 im Bockenheimer Depot.

Pimpinone oder Die ungleiche Heirat
Staatstheater Mainz
Vespetta (Alexandra Samouilidou)
© Andreas Etter

Hoher Unterhaltungswert und mit Jazzimprovisationen ausgestaltet

K.D. Schmidt, seit der Spielzeit 2014/15 leitender Regisseur am Staatstheater Mainz, zeigt die knapp drei Jahrhunderte alte Posse abseits jeglicher Klischees als zeitgemäße Beziehungskomödie, ernst, niveauvoll, pointiert und mit hohem Unterhaltungswert. Möglich wurde dies vor allem durch die Einfügung von zahlreichen Zwischentönen (zudem wurden manche Wiederholungen gestrichen bzw. gekürzt). So werden die Pausen zwischen den drei Teilen mit soften Jazzimprovisationen ausgestaltet und es ertönen zwei Popsongs. Die ausgestalteten Pausen bieten die Gelegenheit, tiefer hinter die Fassade der an sich eher eindimensional gezeichneten Figuren Pipinone und Vespetta zu blicken. Beide sind einsam, unvollkommen und voller Sehnsucht, die sie selber gar nicht benennen können. Pimpinone ist hier kein alter dummer Greis, sondern ein zurückgezogen lebender Sonderling mittleren Alters. Vespetta eine selbstbewusste junge Frau, die ihren weichen Kern hinter einer starken Fassade verbirgt. Dreizehn Mitglieder des Philharmonischen Staatsorchesters Mainz spielen unter der Leitung von Kapellmeister Samuel Hogarth im hinteren Bereich der Bühne. Sie sind dabei nah am Geschehen (Pimpinone interveniert öfters bei Hogarth, der nicht nur am Klavier die Improvisationen spielt, sondern auch die Rezitative am Cembalo begleitet). Die Synthese zwischen Telemanns farbenreicher Musik und den Jazzimprovisationen ist sehr gut gelungen und gibt dem Werk einen großen Mehrwert.

Pimpinone oder Die ungleiche Heirat
Staatstheater Mainz
Vespetta (Alexandra Samouilidou), Pimpinone (Derrick Ballard)
© Andreas Etter

Harmonierendes Paar Vespetta und Pimpinone


Matthias Werners offene Bühne zeigt das Zimmer eines resignierten Einzelgängers. Fünf unterschiedliche Sessel stehen wild verteilt im Raum, dazu gibt es eine Handvoll Wohnzimmerlampen. An den (imaginären) Wänden hängen düstere Bilder, die seine Weltverachtung widerspiegeln (wie Caravaggios Bild der alttestamentarischen Judith, die den Tyrannen Holofernes ermordet). Vespetta zeigt auf, was ein frischer Geist bewirken kann: Mit einer runden Aufstellung der Sessel wirkt der Raum gleich viel harmonischer.

Der Bassbariton Derrik Ballard gibt den eigensinnigen und reichen Müßiggänger Pimpinone charmant und trumpft mit durchdringenden Tönen auf. Die Koloratursopranistin Alexandra Samouilidou glänzt als Haushaltshilfe Vespetta, die zunächst selbstbewusste und rebellische Attitüden zeigt. Diese spiegeln sich auch in ihrem vorwiegend schwarzen Kleidungsstil (Boots, davon der rechte mit roten Schnürsenkeln und Bomberjacke auf Schottenhemd; Kostüme: Lina Maria Stein) wider. Obwohl sie sich einerseits abschirmt, liebt sie es, zu kokettieren und beim Reinemachen doppeldeutige Bewegungen auszuführen. Zusammen bilden die beiden ein Paar, das auch optisch gut harmoniert.

Die lebensnah erzählte und sich stets zuspitzende Geschichte, die nach einem furiosen Wettkampf dann doch noch glücklich im gemeinsamen Himmelbett endet, kam beim Premierenpublikum hervorragend an. Es bedankte sich mit stürmischem und lang anhaltendem Applaus für dieses modern und mit Tiefgang erzählte heitere Intermezzo.

Markus Gründig, Oktober 20


Pimpinone oder Die ungleiche Heirat

Intermezzo giocoso

Von: Georg Philipp Telemann

Uraufführung: 27. September 1725 (Hamburg, Theater am Gänsemarkt)

Premiere am Staatstheater Mainz: 18. Oktober 20 (Kleines Haus)

Musikalische Leitung: Samuel Hogarth
Inszenierung: K.D. Schmidt
Bühne: Matthias Werner
Kostüme: Lina Maria Stein
Licht: Frank Sobotta
Dramaturgie: Elena Garcia Fernandez

Besetzung:

Vespetta: Alexandra Samouilidou
Pimpinone: Derrick Ballard

Philharmonisches Staatsorchester Mainz

staatstheater-mainz.de