

Zum 125-jährigen Jubiläum von Giacomo Puccinis Oper Tosca zeigt das Staatstheater Wiesbaden eine Neuinszenierung dieses Klassikers. Im Einführungsgespräch am Tag der Premiere wurde sie gar als die Oper aller Opern bezeichnet. Keine Frage, sie ist populär und zieht auch Menschen an, die sonst eher selten ein Opernhaus besuchen.
Für die Regie der aktuellen Neuinszenierung wurde José Cortés verpflichtet. Er stammt von der Karibik-Insel Puerto Rico (ein Außengebiet der Vereinigten Staaten) und lebt seit vielen Jahren in Berlin. Deshalb spricht er auch fließend Deutsch. Tosca ist seine erste Arbeit für das Staatstheater Wiesbaden.
Facetten der Opernsängerin Floria Tosca und weitere Frauen
Abseits traditioneller Bilder über die Titelfigur versucht Cortés bei seiner Umsetzung, diese aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Dabei bleibt sie stets die um ihre Freiheit kämpfende starke Frau, die einen Mord begeht. Doch Cortés zeigt auch andere Facetten von ihr. Dafür gibt es im Verlauf der Aufführung insgesamt drei Toscas. Neben der singenden treten noch zwei stumme hinzu. Eine repräsentiert die gläubige, sittsame, die andere die nach persönlicher Freiheit strebende, aufgeschlossene Seite. So bekommt die Titelheldin ein prägnanteres Profil und ihr Handeln erscheint noch plausibler.

Staatstheater Wiesbaden
Mario Cavaradossi (Otar Jorjikia), Floria Tosca (Sinéad Campbell Wallace)
Foto: Maximilian Borchardt
Zudem wurden weibliche Figuren szenisch eingebunden, die es sonst nicht zu sehen gibt. So gibt es gleich zu Beginn eine intime Begegnung zwischen Cavaradossi und der Marchesa Attavanti (Angelottis Schwester), die deutlich macht, dass Toscas Eifersucht durchaus begründet ist. Präsent ist auch Königin Maria Karolina, sie befiehlt Scarpia, den ausgebrochenen Angelotti zu finden und zeigt damit auf, dass der Polizeichef (Scarpia) auch nur Teil eines größeren Ganzen ist (Statisterie des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden). Damit wird auch ein Bezug zur Dramenvorlage von Victorien Sardou genommen.
Schlussbilder bestechen
Beim Bühnenbild von Manuuel La Casta bestechen vor allem die jeweiligen Schlussbilder der einzelnen Akte. Der Grundraum ist stets karg gehalten. Im 1. Akt wird die Kirche Sant’Andrea della Valle mit Säulen angedeutet. Derer gibt es bis zu elf Stück. In unterschiedlicher Anzahl und Position gebracht, bilden sie verschiedene Bereiche der Kirche. Schon wenn das Publikum den Saal betritt, ist die Bühne offen. Eine kleine Gruppe Gläubiger nimmt an einem Gottesdienst (inklusive Eucharistie-Feier) teil. Am Ende vom ersten Akt gibt es eine große Prozession. Hier beeindruckt allein die Masse an Personen.
Für Scarpias Räume im Palazzo Farnese kommen ebenfalls Säulen zum Einsatz, allerdings sind es weniger und ohne „Putz“. Sie bestehen aus blanken Alustangen. Ein sich unheilvoll verdunkelnder Himmelsausschnitt auf der Rückwand setzt am Ende vom zweiten Akt einen markanten Schlusspunkt.
Das Gefängnis in der Engelsburg gleicht einem großen und weiten Trümmerfeld (eines ehemaligen Palazzos). Die Raumweite wird auch von einer großflächigen Himmelprojektion gespiegelt. Diese verfärbt sich, je nach Stimmung, ins unheilvolle Dunkel oder zum leidenschaftlich Rot hin.

Staatstheater Wiesbaden
Baron Scarpia (Massimo Cavalletti), Sciarrone: James Young
Foto: Maximilian Borchardt
Italienische Stimmen
Schon in der Ankündigung für diesen Opernthriller wird mit „großen italienischen Stimmen“ geworben. Dies ist nicht übertrieben. Allen voran vermittelt die irische Sopranistin Sinéad Campbell Wallace die Titelfigur darstellerisch und stimmlich stark (mit stets schön differenzierten Klangfarben, natürlich auch bei „Vissi d’arte“). Anfangs trägt die Operndiva Tosca einen Strahlenkranz, scheinbar um ihren Kultstatus zu untermauern. Von schlichter Eleganz hingegen ist später ein blaues Kleid mit offenem Rücken (Kostüme: Linda Rodenheber).
Der georgische Tenor Otar Jorjikia ist ein wendiger Mario Cavaradossi mit schönem Schmelz in der Stimme (wie bei „Recondita armonia“; nicht ganz so gelungen dann „E lucevan le stelle“). Den finster gesinnten Polizeichef Baron Scarpia verkörpert der italienische Bariton Massimo Cavalletti mit szenischer und stimmlicher Autorität. Sehr präsent ist der Messner des Bass Fabian-Jakob Balkhausen. Ausbrecher Cesare Angelotti irrt zwischen den Säulen in der Kirche umher (Bass Jonathan Macker).
Der nur im ersten Akt vorkommende Chor (Chor des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden, Extrachor des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden, Jugendkantorei der Evangelischen Singakademie Wiesbaden; Einstudierung Albert Horne) bringt sich klang-stark ein. Wie auch Gastdirigent Chin-Chao Lin das Hessische Staatsorchester Wiesbaden gerne groß auffahren lässt.
Am Ende des solide umgesetzten Melodramas mit italienischen Stimmen, intensiver Beifall und Standing Ovations.
Bei den Internationalen Maifestspielen werden am 27. Mai 25 neben Sinéad Campbell Wallace als Tosca, Stefano La Colla als Cavaradossi und Lucio Gallo als Scarpia, zu erleben sein.
Markus Gründig, März 25
Tosca
Oper in drei Akten
Von: Giacomo Puccini
Libretto: Giuseppe Giacosa und Luigi Illica (nach dem Drama von Victorien Sardou)
Uraufführung: 14. Januar 1900 (Rom, Teatro Costanzi)
Premiere am Staatstheater Wiesbaden: 15. März 25 (Großes Haus)
Musikalische Leitung: Chin-Chao Lin / Albert Horne
Inszenierung: José Cortés
Bühnenbild: Manuel La Casta
Kostüme: Linda Rodenheber
Licht/Video: Martin Siemann
Licht: Marcel Hahn
Chor: Albert Horne
Kinder- und Jugendchor: Niklas Sikner
Dramaturgie: Yvonne Gebauer, Balthazar Bender
Besetzung:
Floria Tosca: Sinéad Campbell Wallace
Mario Cavaradossi: Otar Jorjikia / Stefano La Colla
Baron Scarpia: Massimo Cavalletti / Lucio Gallo
Cesare Angelotti: Jonathan Macker
Der Messner: Fabian-Jakob Balkhausen
Spoletta: Jochen Elbert
Sciarrone: James Young
Ein Schließer: Wooseok Shim
Ein Hirt: Sarah Yang
Chor: Chor des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden, Extrachor des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden, Jugendkantorei der Evangelischen Singakademie Wiesbaden
Orchester: Hessisches Staatsorchester Wiesbaden
Statisterie: Statisterie des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden
staatstheater-wiesbaden.de