Rasante Komödie »Mondlicht und Magnolien« beim Bad Vilbeler Sommer

Mondlicht und Magnolien ~ Bad Vilbeler Theatersommer 2020 ~ Ensemble ~ © Eugen Sommer
kulturfreak Bewertung: 4 von 5

Während Ende 1938 in Europa die Zeichen auf einen bevorstehenden Krieg standen, machte sich in Hollywood der aus einer jüdischen Familie stammende 34-jährige David O. Selznick auf den Weg, Filmgeschichte zu schreiben. Zu diesem Zeitpunkt besaß er bereits seit zwei Jahren sein eigenes Filmstudio. Zuvor produzierte er u. a. für RKO Pictures den Film King Kong und die weiße Frau und für Metro-Goldwyn-Mayer, der Firma seines Schwiegervaters Louis B. Mayer, eine Verfilmung von Anna Karenina mit Greta Garbo in der Titelrolle. Nicht zuletzt um sich gegenüber seinem Schwiegervater zu beweisen, hatte er eine Vision: Die Verfilmung von Margaret Mitchells umfangreicher Südstaatensaga Vom Winde verweht. Der 1936 in einer Erstauflage von 10.000 Exemplaren erschienene Roman erreichte nach sechs Monaten bereits eine Auflage von einer Million. Scarlett O’Hara, die Hauptfigur des Romans, wird darin als nicht eigentlich schön, egozentrisch, gefühlskalt und geschäftstüchtig beschrieben. Dennoch konnten sich scheinbar viele mit der kämpferischen Figur identifizieren. Und wenn so viele schon das Buch mit seinen 1037 Seiten Umfang, das noch nicht einmal ein Happy End aufweist, gelesen haben, dann lässt sich mit einer Verfilmung ein Hit landen und richtig Kohle machen, so David O. Selznick.

Ron Hutchinsons 2005 in New York uraufgeführte Komödie Mondlicht und Magnolien setzt wenige Tage nach Drehbeginn von Vom Winde verweht an. Schnell zeichnete sich ab, dass aus dem vorliegenden Drehbuch kein Hit werden würde. Regisseur und Drehbuchautor wurden kurzerhand gefeuert. Damit die teuren Dreharbeiten fortgesetzt werden können, müssen ein neues Drehbuch und ein neuer Regisseur her (was damals tatsächlch passierte). Die sind zwar schnell gefunden. Der neue Regisseur ist sehr begabt, aber ein riesiges Arschloch und der Drehbuchautor kennt Mitchells Bestseller nicht.

Mondlicht und Magnolien
Bad Vilbeler Thetersommer 2020
Ben Hecht (Hendrik Vogt), Victor Fleming (Sebastian Zumpe), David O. Selznick (Steffen Weixler)

© Eugen Sommer

Mondlicht und Magnolien ist nach Ladies Night das zweite Stück, das im Bad Vilbeler Sommer 2020 als Ersatz für die auf 2021 verschobenen Burgfestspiele kurzfristig realisiert wurde. Die Vorstellungen im Hof der Wasserburg können rund 200 Zuschauer besuchen, also weniger als ein Drittel wie üblich. Sie haben deutlich mehr Platz zur Verfügung als bei einem regulären Spielbetrieb. Die beliebte Gastronomie steht im Innen- und Außenbereich bereit.

Die Umsetzung der kurzweiligen Geschichte, gespielt wird in zwei Teilen a´ 50 Minuten und einer Pause, gelang Regisseur Ulrich Cyran trotz kurzer Probezeit sehr gut. In Bad Vilbel hat er auch schon selber auf der Bühne gestandenen. Rasante Dialoge, Spielwitz, kleine Raufereien und Grundfragen des gesellschaftlichen Lebens werden gekonnt miteinander verwoben, wie auch eine Brücke zur Gegenwart geschlagen wird (Desinfektion der Bühne zu Beginn und zum Ende). Eine Kenntnis des Films mit seiner vertrackten Handlung ist hilfreich, aber nicht zwingend nötig. Schließlich spielen im Stück der Produzent und der Regisseur dem Drehbuchautor Schlüsselszenen vor, damit dieser schnell die passenden Filmdialoge schreiben kann. Dabei hat Steffen Weixler als David O. Selznick die umfangreichste Rolle. Als fast schon manisch angetriebener Visionär, der zugleich die eigenwillige Scarlett O’Hara vorspielt. Sebastian Zumpe ist der hitzköpfige Regisseur Victor Fleming, der auch das schwarze Sklavenmädchen Prissy oder die gebärende Melanie vorspielt. Dem ahnungslosen Autor und ehemaligen Zeitungsfuzzi Ben Hecht gibt Hendrik Vogt ein besonnenes Profil. In seinem Widerstand die Akzeptanz der Sklaverei von Mitchells Roman zu übernehmen und seinem Vorschlag, die Figur der Scarlett als Rassistin dazustellen, gewinnt das Stück an Tiefe und erfährt einen weiteren aktuellen Bezug . Demgegenüber steht die attraktive Assistentin Miss Poppenghul der Janice Rudelsberger in erster Linie als Bild für den Blick der Männer auf die Frauen Ende der 1940er Jahre (also reduziert als Objekte der Begierde).
Gespielt wird in Selznicks großzügigem Büro, mitsamt Couchgarnitur, Bücherwandregal und Filmposter von A Star Is Born und King Kong. Dessen eingerahmte große weiße Rückwand imaginiert einen Filmleinwand, zu Hollywood trefflich (Ausstattung: Dorothea Mines).

Am Ende lang anhaltender begeisterter Applaus.

Markus Gründig, August 20


Mondlicht und Magnolien

(Moonlight and Magnolias)

Uraufführung: 3. März 2005 (New York, Manhattan Theatre Club)
Deutschsprachige Erstaufführung: 7. Februar 2007 (Berlin, Renaissance Theater)
Übersetzer: Katharina Abt und Daniel Karasek

Premiere beim Bad Vilbeler Theatersommer: 1. August 20

Regie: Ulrich Cyran
Ausstattung: Dorothea Mines

Besetzung:

Produzent David O. Selznick: Steffen Weixler
Autor Ben Hecht: Hendrik Vogt
Regisseur Victor Fleming: Sebastian Zumpe
Assistentin Miss Poppenghul: Janice Rudelsberger

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