Fesselnd: »Solaris« am Schauspiel Frankfurt

Solaris ~ Schauspiel Frankfurt ~ Ensemble ~ Foto: Thomas Aurin

Nicht zuletzt dank seiner drei Verfilmungen ist Stanisław Lems Roman Solaris auch heute noch vielen ein Begriff. Dabei dürften nur wenige den 1961 erschienenen Roman gelesen haben. Sich des Science-Fiction-Genres bedienend, geht Lem darin mit einem philosophischen Ansatz der Frage nach, ob es die Möglichkeit einer Kommunikation zwischen Menschen und fremden Intelligenzen geben kann. Der Roman ist relativ handlungsarm, die philosophischen und wissenschaftlichen Auseinandersetzungen dafür umso ausführlicher.

Fulminante Umsetzung

Für das Schauspiel Frankfurt hat der Schauspieler, Regisseur und Musiker Christian Friedel jetzt eine kompakte Bühnenfassung des Romans erstellt und selber inszeniert. Das Ergebnis ist fulminant! Er zeigt die rätselhaften Geschehnisse auf der Raumstation als spektakuläre, multimediale Großperformance in großen Bildern in unterhaltsamen, pausenlosen zwei Stunden. Allein das aus luftiger Höhe Ankommen von Chris auf der Station ist ein in Erinnerung bleibender Moment.

Solaris
Schauspiel Frankfurt
unten: Chris (Lotte Schubert, Anna Kubin, Miguel Klein Medina), oben: Harey (Annie Nowak, Christoph Bornmüller, Torsten Flassig)
Foto: Thomas Aurin

Es kommt viel Technik zum Einsatz, wie Laserstrahlen und Videoprojektionen abstrakter und konkreter Art (Video: Clemens Walter). Aber auch viel Musik. Diese stammt von Christian Friedels Band Woods of Birnam. Die zuvor eingespielten Sounds geben den Puls des Plasma-Ozeans wider, der den Planeten umschließt. Zu Beginn werden die Sounds noch von Max Mahlert am Schlagzeug unterlegt. Zwischendurch gibt es solistisch oder gemeinsam gesungene sanfte Songs (zusätzliche Lyrics: Robert Gwisdek). Sie bilden einen angenehmen Kontrast zu den harten Beats. Apropos hart. Hart sind auch oftmals die Wechsel zwischen einzelnen Szenen.

Gallertartiger Ozean

Bespielt wird die große Hauptbühne. Teilweise wird sie komplett in den Boden versenkt, um dann mit Nebel und Laserstrahlen den gallertartigen Ozean des Planeten Solaris zu imaginieren (Licht: Marcel Heyde). Mit wenigen Bühnenaufbauten und zahlreichen LED-Streifen (gerade und gebogen) werden plastische Bilder der Raumstation mit ihren labyrinthischen Gängen und kühlen Räumen gekonnt angedeutet. Das Verlorensein angesichts einer nicht fassbaren Größe kommt dabei gut zum Ausdruck (Bühne: Fabian Wendling).

Genderfluide Mehrfachbesetzung

Im Mittelpunkt des Romans steht der/die Psycholog:in und Wissenschaftler:in Chris Kelvin. Er/Sie kommt auf die Station, um ungeklärte Vorfälle zu untersuchen. Dabei gerät er/sie selbst in den Sog des Unerklärbaren. Regisseur Christian Friedel stellt die Spiegelungen menschlichen Seins angesichts großer Unbekannter in den Mittelpunkt.

Die beiden Hauptfiguren Chris und seine ehemalige Freundin Harey gibt es in genderfluider Besetzung gleich mehrfach (Chris Kelvin: Miguel Klein Medina, Anna Kubin, Lotte Schubert, Michael Schütz; Harey: Christoph Bornmüller, Torsten Flassig, Annie Nowak). Das klappt erstaunlich gut, zumal über die Kleidung eine eindeutige Zuordnung jederzeit möglich ist (Kostüme: Ellen Hofmann). Gleichzeitig gewinnt die Inszenierung durch die Vervielfältigungen an Lebendigkeit und Schwung, denn sie bewegen sich abwechslungsreich (Choreografie: Valentí Rocamora i Torà) und sprechen in vielen Nuancen. So ist das Stück eine großartige Ensembleleistung. Dazu zählen auch der Biologe Sartorius des Stefan Graf, der Kybernetiker Snaut des Arash Nayebbandi und die jüngst verstorbene Stationsleiterin Gibarian der Anabel Möbius.

Am Ende der besuchten und fast ausgebuchten zweiten Vorstellung großer und begeisterter Beifall.

Markus Gründig, April 25


Solaris

Nach: Stanisław Lem (1921 – 2006)
Aus dem Polnischen von: Irmtraud Zimmermann-Göllheim
Für die Bühne bearbeitet von: Christian Friedel

Premiere am Schauspiel Frankfurt: 26. April 25 (Schauspielhaus)
Besuchte Vorstellung: 28. April 25

Regie: Christian Friedel
Bühne: Fabian Wendling
Kostüme: Ellen Hofmann
Musik: Woods of Birnam
Zusätzliche Lyrics: Robert Gwisdek
Video: Clemens Walter
Choreografie: Valentí Rocamora i Torà
Dramaturgie: Lukas Schmelmer
Licht: Marcel Heyde

Besetzung:

Chris Kelvin: Miguel Klein Medina, Anna Kubin, Lotte Schubert, Michael Schütz
Harey: Christoph Bornmüller, Torsten Flassig, Annie Nowak
Sartorius: Stefan Graf
Gibarian: Anabel Möbius
Snaut: Arash Nayebbandi
Polytheria: Ensemble
Live-Musik: Max Mahlert

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