»Monsieur Claude und seine Töchter« bei den Burgfestspielen Bad Vilbel

Monsieur Claude und seine Töchter ~ Burgfestspiele Bad Vilbel ~ Adèle (Maja Grahnert), Abraham (Friedemann Eckert), Isabelle (Alice von Lindenau), Michelle (Virginia Hartmann), Chao (Poki Wong), Abderazak (Steffen Weixler) ~ © Eugen Sommer
kulturfreak Bewertung: 4 von 5

Sie sind erfolgreich in ihrem Job als Banker, Rechtsanwalt und Unternehmer. Und doch tut sich das konservative, in der französischen Kleinstadt Chinon lebende Paar Claude und Marie schwer, sie als Schwiegersöhne für ihre drei Töchter zu akzeptieren. Denn die drei jungen Männer haben gewisse Migrationshintergründe und stehen dem von der Familie praktizierten Katholizismus fern. Die jüngste und vierte Tochter offenbart dann zwar einen formal passenden Schwiegersohn in Spe, mit seiner schwarzen Hautfarbe stellt er aber zunächst das klassische Familienidyll auf die Probe. Das ist in Kürze der Inhalt von Monsieur Claude und seine Töchter.

Monsieur Claude und seine Töchter
Burgfestspiele Bad Vilbel
Marie (Britta Hübel), Claude (Peter Albers)
© Eugen Sommer

Als intelligente Komödie gegen Fremdenhass und Intoleranz kam Philippe de Chauverons und Guy Laurents gleichnamiger Film im Jahr 2016 in die Kinos. Bereits zwei Jahre danach eroberte Stefan Zimmermanns Theaterfassung die Bühnen im deutschsprachigen Raum. Jetzt ist diese erstmals bei den Burgfestspielen Bad Vilbel zu sehen. Das Premierenpublikum zeigte sich begeistert!

Vive la France

Das Team Adelheid Müther (Regie), Kathrin Kegler (Bühne) und Marie-Therese Cramer (Kostüme) arbeitet seit vielen Jahren für die Burgfestspiele (wie für Die Päpstin, Der nackte Wahnsinn oder Mord im Orientexpress). Als optischer Verweis auf Frankreich beherrscht ein großes Bild vom Pariser Eifelturm die Bühne, eine große Bodenplatte in Dreiecksform mit weiteren Bildern, spielt vage an die Glaspyramide im Innenhof des Louvre an. Das Stück ist für sich stark genug und die Darsteller:innen famos genug, sodass es kaum weiterer Elemente bedarf. Diese werden bei Bedarf mit Schwung und Witz auf die Bühne gebracht. Französisches Lebensgefühl vermittelt gleich zu Beginn Andreas Krämer am Akkordeon. Später ist er als Rabbi, Pfarrer und Psychologe zu erleben. Zum Publikumsfan wird er als „Frau Holle“, wenn er mit Schnee die Landschaft verzaubert oder mit seiner Stimme einen Hund oder eine Kettensäge imitiert.

Monsieur Claude und seine Töchter
Burgfestspiele Bad Vilbel
Marie (Britta Hübel), Claude (Peter Albers), Charles (Felix Frenken), André (Jubril Sulaimon), Laura (Fee Zweipfennig)
© Eugen Sommer

Alle stehen unter Strom

Ob Beschneidungsritual (Brit Mila) zwei Wochen nach der Geburt des ersten Enkels, ausgedehntes chinesisches Frühstück mit trockenem Straußenfleisch (Schweinefleisch fällt wegen religiöser Traditionen grundsätzlich aus), Weihnachtsfeier mit drei Truthähnen (halal, koscher und lackiert) oder verhängnisvoller Angelausflug, bei dieser Multikultifamilie wird es nie langweilig. Alle stehen unter Strom und reagieren nur äußerst selten diplomatisch auf spitze Bemerkungen. Frei von Alltagsrassismus ist hier keiner. Klischees und Vorurteile werden mit viel Ironie auf die Spitze getrieben. Das Publikum kann dafür umso mehr lachen und sich in dem einen oder anderen Ressentiment durchaus wiedererkennen.

Vater Claude (trotz harter Zeiten ein Fels in der Brandung: Peter Albers) und Mutter Marie (warmherzig und wild träumend: Britta Hübel) geben ihr bestes für den Familienfrieden. Gesangs- und textsicher präsentieren die ersten drei Schwiegersöhne Abderazak (aufbrausend: Steffen Weixler), Abraham (kämpferisch: Friedemann Eckert) und Chao (noch am diplomatischsten: Poki Wong) die Marseillaise, haben sie auch ihre Wurzeln in Algerien, Israel und China. Nach anfänglichen Bedenken, schließen sie den stets gut gelaunten Sonnenschein Charles (strahlend: Felix Frenken) umso mehr in ihre Herzen.

Die jungen Frauen sind nicht so impulsiv wie ihre Männer, zeigen dennoch Ecken und Kanten. Einen Streitfall hat sie wegen ihm vor Gericht verloren, dafür ihren Traummann gefunden: Isabelle (charmant: Alice von Lindenau). Auf der Arbeit lernte Michelle (liebenswürdig: Virginia Hartmann) ihren Prinzen kennen, Adèle (gewitzt: Maja Grahnert) ihren Chao zeitgemäß über Tinder. Ob ihrer Ängste wegen möglicher Komplikationen kann Laura (jugendlich frisch und bezaubernd: Fee Zweipfennig) sich nur sehr langsam der Familie offenbaren. Mindestens genauso impulsiv und mit Vorurteilen beladen wie Claude ist Charles Vater André (aufbrausend im Boubou-Festgewand: Jubril Sulaimon) und seine Ehefrau Madeleine (mit geschickter Zurückhaltung per aufgezeichnetem Skype-Gespräch: Tamara Wörner ).

Nach einigen Turbulenzen kann dann auch das jüngste Paar noch glücklich heiraten und die Eltern ihre angeschlagene Ehe mit einer Weltreise mit Besuchen in Peking, Tel Aviv, Algier und Abidjan wieder in Ordnung bringen.
Großer Jubelapplaus für alle Beteiligten.

Markus Gründig, Juli 23


Monsieur Claude und seine Töchter

(Qu’est-ce qu’on a fait au Bon Dieu?)

Komödie nach dem gleichnamigen Film von: Philippe de Chauveron und Guy Laurent
Theaterfassung von: Stefan Zimmermann
Uraufführung: 8. September 2016 (Wien, Kammerspiele des Theaters in der Josefstadt)

Premiere bei den Burgfestspielen Bad Vilbel: 8. Juli 23

Regie: Adelheid Müther
Bühne: Kathrin Kegler
Kostüme: Marie-Therese Cramer
Dramaturgie: Ruth Schröfel
Regieassistenz/Abendspielleitung: Olga Lerani
Regiehospitanz: Dieter Hombach

Besetzung:

Claude Verneuil: Peter Albers
Marie Verneuil: Britta Hübel
Isabelle: Alice von Lindenau
Michelle: Virginia Hartmann
Adèle: Maja Grahnert
Laura: Fee Zweipfennig
Abderazak Benassem: Steffen Weixler
Abraham Bénichon: Friedemann Eckert
Chao Ling: Poki Wong
Charles Koffi: Felix Frenken
André Koffi: Jubril Sulaimon
Rabbi, Pfarrer, Psychologe: Andreas Krämer
Madeleine Koffi: Tamara Wörner
Akkordeon: Andreas Krämer

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