Jakub Józef Orliński rührt das Publikum bei einem Liederabend an der Oper Frankfurt

Liederabend Jakub Józef Orliński (Countertenor) und Michał Biel (Klavier) ~ Oper Frankfurt, 3. September 19 ~ Michał Biel, Jakub Józef Orliński (© Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de)

Die Liederabendserie der Spielzeit 2019/20 an der Oper Frankfurt eröffnete mit dem jungen polnischen Countertenor Jakub Józef Orliński ein Sänger, der vielen noch von seiner dynamischen Verkörperung des Rinaldo in Händels gleichnamiger Oper in Erinnerung ist. Im Bockenheimer Depot gab er im September 2017 sein Frankfurt-Debüt (die Produktion wurde Anfang dieses Jahres, erneut mit ihm in der Titelrolle, wiederaufgenommen). Schon damals sorgte seine Rolleninterpretation für überregionales Aufsehen.

Im Oktober 2018 erschien beim Label Erato (Warner Music Group)sein erstes Soloalbum „Anima Sacra“, mit geistlichen Liedern spätbarocker Komponisten der neapolitanischen Schule. Das mit dem Ensemble Il Pomo d’Oro eingespielte Album enthielt gleich acht Weltersteinspielungen. Für dieses Album erhält er im Oktober den OPUS Klassik (Kategorie „Solistische Einspielung Gesang ~ Oper“). Sein zweites Album (mit weltlicher Musik) ist bereits eingespielt und wird noch in diesem Jahr erscheinen. Zuletzt begeisterte Orlinski das Frankfurter Publikum als treuer Unulfo in Händels Rodelinda und gerade beendete er seine Verpflichtung als Rinaldo bei den diesjährigen Glyndebourne Festspielen, bevor er als Nächstes als König Cyrus in Händels Oratorium Belshazzar an der Oper Zürich, und nach einer Konzerttour, ab Februar 2020 in der Titelrolle von Tolomeo, Re d‘ Egitto bei den Händel-Festspielen am Badischen Staatstheater Karlsruhe zu erleben sein wird.

Die Oper Frankfurt war bei seinem Liederabend außerordentlich gut besucht (selbst der 3. Rang musste geöffnet werden). Ein so volles Haus gibt es nur bei den allerwenigsten Liederabenden. Entsprechend hoch waren die Erwartungen an den fleißigen Instagram-Blogger und Breakdancer, die er, ganz gelassen wirkend, souverän erfüllte, ja überbot. Im ersten Teil präsentierte er Arien des Barocks und im Teil nach der Pause Lieder polnischer Komponisten aus dem 20. Jahrhundert.


Liederabend Jakub Józef Orliński (Countertenor) und Michał Biel (Klavier)
Oper Frankfurt, 3. September 19
Michał Biel, Jakub Józef Orliński
© Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de

Sein Feingefühl für Stimmungen und Nuancen zeigte er ganz besonders bei den Barockarien. Schon mit den Anfangstakten aus der Händel-Arie „Voi, che udite il mio lamento“ (Ariodante) zeigte er sein Selbstbewusstsein, seine Souveränität und die Freude am Singen. Gleichzeitig gab er sich wunderbar den Gefühlswelten dieser Klage hin, schien gewissermaßen in ihr zu baden, ohne unnatürlich oder übertrieben zu wirken. Sein Trumpf ist seine Natürlichkeit und seine Lockerheit, was sich in seiner flexiblen Stimme widerspiegelt. Nach einem kurzen „Guten Abend“ empfahl er dann auch erst einmal dem Publikum, sich ganz entspannt zurückzulehnen und das Nachfolgende zu genießen. Auch bei den nachfolgenden fünf Arien über Liebe und Liebesleid zog er das Publikum mit seiner samtweichen Stimme in seinen Bann. Betörend und mit viel Charme bot er Giuseppe Maris Orlandinis „Che m’ami ti prega“ dar, mit einem verschmitzten Lächeln Luca Antonia Predieris „Dovrian quest ´occhi piangere“. In diesem Metier liegt seine Stärke.

Für einen gewissen Stimmungswechsel sorgte der zweite Teil mit Liedern aus seiner polnischen Heimat (bei denen er nun Liednoten lässig in den Händen hielt). Karol Maciej Szymanowski ist vielen noch von seiner Oper Król Roger in Erinnerung, die im vergangenen Juni erstmals an der Oper Frankfurt gezeigt wurde. Seine impressionistisch geprägten Lieder sind anspruchsvoll und oftmals spannungsgeladen und kraftvoll (wie „Wysta burzycka“ oder „Uwoz mamo“). Apart erklangen vier Liebessonette auf Texte von William Shakespeare von Tadeusz Baird (ursprünglich für einen Bariton geschrieben). Francesco Bartolomeo Contis Barockarie „Odio, vendetta, amore“ schloss dann den Bogen zum Anfang.
Behutsam begleitete ihn Michał Biel am Klavier, die beiden sind seit Langem ein eingespieltes Team und „funktionieren“ ohne Blickkontakt.

Von Orlinskis, mit jugendlicher Nonchalance und gleichzeitiger hoher Professionalität, dargebotenem Programm zeigte sich das Publikum restlos begeistert: lang anhaltender und kräftiger Applaus und Standing Ovations, für die sich Jakub Józef Orliński und Michał Biel mit drei Zugaben bedankten.

Markus Gründig, September 19


Liederabend Jakub Józef Orliński (Countertenor) und Michał Biel (Klavier)
Oper Frankfurt, 3. September 19
Michał Biel, Jakub Józef Orliński
© Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de

Die Zugaben:

Nicola Fago (1677-1745): „Alla gente a Dio diletta“, Arie des Aronne aus dem Oratorium Il Faraone sommerso (1709)
Henry Purcell (1659-1695): “Strike the viol”, Nr. 5 aus der Ode for Queen Mary’s birthday (Come, ye sons of art away / 1694)
Antonio Vivaldi (1678-1741): “Vedrò con mio diletto”, Arie des Anastasio aus der Oper Giustino (1724)