Facetten der »Salome« am Staatstheater Mainz

Salome ~ Staatstheater Mainz ~ Salome (Daniela Köhler), Salome (Danique de Bont) ~ © Andreas Etter

Richard Strauss´ frühe Opern Salome und Elektra zählen zum Kernrepertoire deutscher Opernhäuser und sind beim Publikum ungebrochen beliebt. Nach Matthias Fontheims Salome-Inszenierung von 2010 ist jetzt eine neue Sicht auf Salome am Staatstheater Mainz zu sehen.

Dabei verfolgt Regisseur Alexander Nerlich, der in Mainz im November Webers Freischütz neu inszenierte, einen besonderen Ansatz. Die zur Entstehungszeit der Oper und deren Vorlage (Oscar Wilds gleichnamiges Drama) als skandalöseste weibliche Figur geltende Salome ist für ihn keine eindimensionale Femme fatale. Sie ist vielmehr eine facettenreiche junge Frau. Kindhafte, verspielte Züge zeichnen sie aus, dazu aber auch geheimnisvolle, gewaltsame und verwegene. Und sie hat eine Vergangenheit, die sie geprägt hat (ihr Vater wurde von seinem Bruder ermordet, der nun ihr Stiefvater ist und ihr unsittlich nacheifert).

Salome
Staatstheater Mainz
Salome (Danique de Bont), Narraboth (Myungin Lee)
© Andreas Etter

Salome als Triade

Um diese vielen unterschiedlichen Seiten zu zeigen, gibt es sie multiple, in dreifacher Form. Neben der Sopranistin Daniela Köhler ist mit Ina Meyer eine kindhafte, träumerische Version und mit der Tänzerin Danique de Bont eine monsterhafte Salome, die angreift und verführt, beteiligt.
Wobei alle drei Salomes dunkle Seiten haben. So trägt die Kindhafte einen Totenkopf anstelle einer Puppe mit sich. Einer Möwe reißt sie die Flügel ab und setzt sie dem Totenkopf an. Die große Flexibilität ihres Körpers und ihre Agilität zeigt Danique de Bont intensiv. Und auch Daniela Köhler bringt sich körperlich stark ein (Choreografie: Jasmin Wretemark-Hauck). Dabei singt sie die anspruchsvolle Partie mit Bravour. Nie wirkt sie überspitzt oder unnatürlich.

Niina Keitel gibt Salomes Unheil ahnende und Schuld beladene Mutter Herodias mit vornehmer Attitüde (die, trotz aller Widerworte, dann selbst auch Jochanaans abgetrennten Kopf küsst). Gleiches gilt auch für den Salome verfallenen Hauptmann Narraboth des Myungin Lee. Den von Salome besessenen Tetrarchen Herodes zeigt Tenor Alexander Spemann eindringlich, stimmstark und differenziert. Schon aus den Tiefen des Kerkers heraus hörend, gefällt die kraftvolle, abgerundete Stimme von Bassbariton Derrick Ballard als autoritär auftretender Prophet Jochanaan. Stimmlich ist er eine Wucht.

Geleitet vom GMD Hermann Bäumer spielt dabei das Philharmonische Staatsorchester Mainz Strauss´ expressive Klangwelten und seine exotische Harmonik überaus farbenreich und expressiv: Ein hervorragendes musikalisches Erlebnis.

Salome
Staatstheater Mainz
Jochanaan (Derrick Ballard), Salome (Daniela Köhler), Salome (Danique de Bont)
© Andreas Etter

Schwarz, Weiß und Rot

Farben scheut diese Inszenierung nicht. Die vier Juden tragen Anzüge in gelb, blau und grau. Beherrschend sind aber Schwarz, Weiß und Rot. Schwarz für die dunkle Seite im Menschen, das Böse, Verächtliche. Weiß für die Reinheit Jochanaans, für das Gute und Ehrenwerte im Menschen. Rot für die Liebe und die Wollust, aber auch für Blut, Schuld und Verbrechen. Das alles wird multipel stimmig in Bühnen- und Kostümbild zur Schau gebracht. Ist das Herrscherpaar nahezu vollständig in einem kräftigen rot gekleidet, tragen die drei Salomes weiße Kleidchen auf schwarzen Langarmshirts und Leggins (die an Dienstkleidung von Zimmermädchen anmutet; Kostüme: Zana Bosnjak).

Salome
Staatstheater Mainz
Salome (Danique de Bont, Ina Meyer, Daniela Köhler), Opernensemble
© Andreas Etter

Auch szenisch wird viel geboten. Dabei ist das von einem schmalen weißen Rahmen eingefasste Bühnenbild von Wolfgang Menardi ort- und zeitlos. Zunächst ist die Front eines Hausidylls zu sehen. Obwohl es wie ein Puppenhaus aussieht, wirkt es rot angestrahlt mystisch und unheimlich. Später deutet die Rückseite einzelne Räume im Herodes´ Residenz an. Für die Szenen im Kerker und auf der Terrasse fährt ein Vorhang herab und verwandelt die Szenerie in einen abstrakten Raum. Seitlich positionierte Mülltonnen und -säcke stehen für einen Bezug zur Moderne aber auch zur angesammelten Schuld in Herodes Haus. Schwebte 2010 Jochanaan aus der Höhe herab, fährt er jetzt in einer kleinen Aufzugsbox aus dem Bühnenboden empor. In und auf dieser befinden sich zum großen Schlussbild auch die drei Salomes.

Am Ende des rund 100-minütigen Einakters gab es bei der Premiere großen Beifall und einige Standing Ovations für alle Beteiligte.

Markus Gründig, Juni 23


Salome

Oper in einem Akt
Von: Richard Strauss
Uraufführung: 9. Dezember 1905 (Dresden, Königliches Opernhaus)

Premiere am Staatstheater Mainz: Freitag, 2. Juni 23 (Großes Haus)

Musikalische Leitung: Hermann Bäumer
Inszenierung: Alexander Nerlich
Bühne: Wolfgang Menardi
Choreografie: Jasmin Wretemark-Hauck
Kostüme: Zana Bosnjak
Licht: Frederik Wollek
Dramaturgie: Christin Hagemann

Besetzung:

Herodes: Alexander Spemann
Herodias: Niina Keitel
Salome: Daniela Köhler
Jochanaan: Derrick Ballard
Narraboth: Myungin Lee
Ein Page der Herodias: Verena Tönjes
1. Jude: Mark Watson Williams
2. Jude: Scott Ingham
3. Jude: Agustin Sanchez Arellano
4. Jude: Patrick Hörner
5. Jude, Cappadocier: Gregor Loebel
1. Nazarener: Stephan Bootz
2. Nazarener: Won Choi
1. Soldat: Seok-Gill Choi
2. Soldat: Doğuş Güney
Ein Sklave: Collin André Schöning
Salome Tänzerin: Danique de Bont
Salome (Kind): Ina Meyer *

Statisterie des Staatstheater Mainz
Philharmonisches Staatsorchester


* Statisterie

staatstheater-mainz.com