Ein Hoch auf die Liebe bei »Wie es euch gefällt« am Schauspiel Frankfurt

Wie es euch gefällt ~ Schauspiel Frankfurt ~ Rosalinde als Ganymed (Sarah Grunert), Orlando (Isaak Dentler) ~ Foto: Thomas Aurin

David Böschs reduziert dargebotene Fassung von William Shakespeares Komödie Wie es euch gefällt am Schauspiel Frankfurt ist ein herzbewegendes und stürmisches Spiel um die Liebe, unabhängig von Geschlecht und sexueller Orientierung. Modern verpackt ist die Inszenierung zugleich überraschend romantisch und verträumt angelegt. Ursprünglich hätte sie bereits am 23. Mai 20 Premiere feiern sollen. Corona-bedingt begannen die Proben dafür am 19. Mai 20, mit Premiere am 11. September 20. Der Untertitel auf dem Deckblatt des Textbuchs bei den Proben lautete dann auch treffend „The Corona Cut“. Die fünf Akte wurden zu kompakten, pausenlosen 105 Minuten komprimiert. Klar, dass dabei zahlreiche Rollen und Szenen zum Opfer fielen. Wie auch im Zuschauerraum nur rund ein Viertel der sonst maximal möglichen Zuschauer Platz nehmen können (160 statt 680). Dafür wird ein Maximum an Sicherheit geboten. Mund-Nasen-Abdeckungen sind im Foyer und im Saal Pflicht, können aber während der Vorstellung abgenommen werden.

Empathiebefreiter Friedrich und geerdeter Orlando

Am Hof des Herzogs Friedrich herrscht eine kalte Atmosphäre, nicht zuletzt, weil dieser seinen Bruder und rechtmäßigen Erben, von dort vertrieben hat. Hier spricht nicht auf einer Ebene miteinander. Und Usurpator Friedrich selbst ist ein arroganter, empathiebefreiter, kühler und ganz auf sein Geschäft besessener Mann (Peter Schröder, auch oberkörperfreier Herzog im Wald). Nicht durch Zufall ist er äußerlich an den 2019 verstorbenen Modedesigner Karl Lagerfeld angelehnt.
Die Außenwelt ist ein weitestgehend leerer Raum. Ein großflächiger verschmierter Schriftzug „Wald“ prangert an der Rückwand als Hinweis für den Handlungsort Ardenner Wald, der ansonsten unspektakulär ist. Es ist ein großer und dunkler Raum mit Sesseln, Stühlen und einem Schminktisch, der durch kreativ aufgehängte Lichterketten dennoch etwas heimelig und verträumt wirkt. Wie im Probentagebuch von Dramaturg Alexander Leiffheidt im Programmheft nachzulesen ist, war der ursprüngliche Bühnenbildentwurf jedoch nicht ganz so karg, wie der jetzt durch den Ausfall der Werkstätten entstandene (Bühne: Patrick Bannwart).

Wie es euch gefällt
Schauspiel Frankfurt
Celia (Agnes Kammerer; Mitte), Rosalinde (Sarah Grunert; dahinter)
Foto: Thomas Aurin

Die höfischen Szenen finden vor einem in altrosa gehaltenen Vorhang statt, wie auch ein Vorspiel des Narren Touchstone (im roten Kleid quasi eine Närrin; Sebstian Reiß, auch Jaques). Er erzählt u. a. in Form einer Blitzrevue acht Episoden des Lebens, danach erfolgt der erste Auftritt Orlandos („Night Hero“ und eifrig Liebesbriefe schreibend: Isaak Dentler). Er führt einen Schubkarren vor sich her, an dem er kurz trainiert. Die darin befindliche mit Heu angereicherte Erde unterstreicht seine bodenständige, geerdete Art, wie auch verdeutlicht wird, dass er keiner vom Hof ist. Der Kampf gegen seinen Widersacher Charles (nicht zimperlich: André Meyer) findet nahezu ohne Körperkontakt statt. Mit dem Auftreten der sehr engen Freundinnen Rosalinde (Sarah Grunert) und Celia (gerne zudem einen Baum darstellend: Agnes Kammerer; neu im Ensemble) erfolgt eine Reminiszenz an die Zeit der Uraufführung, denn sie tragen zunächst breite Reifröcke (Kostüm: Moana Stemberger).

Wie es euch gefällt
Schauspiel Frankfurt
Orlando (Isaak Dentler)
Foto: Thomas Aurin

Herzenswärme übertrumpft äußere Kälte

Verwendet wird eine zeitgemäße Übersetzung von Jürgen Gosch und Angela Schanelec, mit regionalen und aktuellen Bezügen. So gehen die bei Kämpfen schwer Verletzten ins „Heilig Geist“ (das dem Schauspiel Frankfurt nächst gelegene Krankenhaus) und „Untreue des Verliebten ist wie eine Rechnung im Ebbelwei-Expreß“. Der Reiz der Inszenierung ist der Fokus auf die Liebenden, der behutsame Umgang mit dem Thema Liebe und Wahnsinn, das Spiel mit Worten und Gesang und die Hinterfragung der Bedeutung von Liebe in Bezug auf Geschlechterrollen. Unterschiedliche Positionen vertreten hierzu die Schäferin Phöbe (ganz auf Ganymed fixiert; Altine Emini) und der Schäfer Silvius (ganz auf Phöbe fixiert; Michael Schütz).
Neben den immer wieder singenden ProtagonistenInnen gibt es den Live-Musiker Karsten Riedel (auch Amiens). Populäre Liebesschnulzen, von vergangenen Jahrzehnten bis in die Gegenwart, werden kurz vorgetragen und untermalen die vorherrschende liebestrunkene Stimmung. David Bösch hat in Frankfurt bereits mehrfach inszeniert. Am Schauspiel Frankfurt Emilia Galotti, räuber.schuldenreich, The Nation I und II und an der Oper Frankfurt Orlando furioso, Königskinder, Der fliegende Holländer und Il travatore. Wie es euch gefällt ist dabei seine romantischste Inszenierung, die gerade in der aktuellen Zeit gut tut. Am Ende haben zwar nur Rosi (Rosalinde) und Orlando zueinander gefunden, doch immerhin gibt es einen, in den Saal gesprochenen, Kuss zum Schluss.

Markus Gründig, September 20


»Wie es euch gefällt«

(As You Like It)
Komödie in fünf Akten
Von: William Shakespeare

Uraufführung: 1599 (London)
Deutsche Erstaufführung: 24. Februar 1775 (Biberach)

Premiere am Schauspiel Frankfurt: 11. September 20 (Schauspielhaus)
Besuchte Vorstellung: 17. September 20

Regie: David Bösch
Bühne: Patrick Bannwart
Kostüm: Moana Stemberger
Musik: Karsten Riedel
Dramaturgie: Alexander Leiffheidt

Besetzung:

Herzog / Frederik: Peter Schröder
Amiens: Karsten Riedel (auch Live-Musik)
Jacques / Touchstone: Sebastian Reiß
Charles: André Meyer
Orlando: Isaak Dentler
Silvius: Michael Schütz
Rosalinde: Sarah Grunert
Celia: Agnes Kammerer
Phöbe: Altine Emini

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