Das Hessische Staatsballett startet mit Sharon Eyals »Corps de Walk«

Corps de Walk ~ Hessisches Staatsballett ~ Ensemble ~ Foto: Sinah Osner

Sharon Eyal ist derzeit eine der gefragtesten Choreografinnen. Die Tanzschöpferin kam 1990 als Tänzerin zu Ohad Naharins Batsheva Dance Company (Tel Aviv). 2009 begann sie für andere Tanzkompanien auf der ganzen Welt Stücke zu kreieren. Gemeinsam mit Ihrem Lebenspartner Gai Behar gründete 2013 ihre eigene Kompanie L-E-V („Lev“, hebräische = „Herz“).

Eine Erfolgsgeschichte schrieb ihr für tanzmainz geschaffenes Stück Soul Chain, dass seit Oktober 2017 ein Dauerhit am Staatstheater Mainz ist. Es gab bereits über 100 Aufführungen und weltweite Gastspiele (Wiederaufnahme in Mainz am 14.09.25).

Bereits im Jahr 2011 hatte bei der norwegischen Natonalkompanie für zeitgenössischen Tanz Carte Blanche Sharon Eyals Stück Corps de Walk Premiere. Zu dieser Zeit war Bruno Heynderickx Direktor der Kompanie. Inzwischen ist er Ballettdirektor des Hessischen Staatsballetts. Und genau mit diesem zeigt er jetzt Corps de Walk (zunächst am Staatstheater Wiesbaden, ab November am Staatstheater Darmstadt).

Von Körpern und vom Gehen

Sharon Eyal hat eine unverwechselbare choreografische Handschrift. Sie erzählt keine Geschichten, sie vermittelt Emotionen und lässt das Geschehen erspüren.

Corps de Walk
Hessisches Staatsballett
Ensemble
Foto: Sinah Osner

Der Titel „Corps de Walk“ verweist zunächst auf das Coprs de ballet, die Gruppe der Tänzer neben den Solisten. Mit „Walk“, dem Gehen, stellt Ayal eine Grundform der menschlichen Bewegung ins Zentrum, aus der heraus sich alle weiteren entwickeln. Dort, wo alles strikt geregelt ist, gilt es sich von Zwängen zu befreien, ohne den Kontakt zum Kern zu verlieren. Das kann gut auf das persönliche Leben übertragen werden. Dabei steht es frei, den Abend als ironische Anspielung auf das synchrone Tanzen beim klassischen Ballett, als Anspielung auf Militarismus oder eine abstrakte Protestbewegung zu verstehen.

Vielseitige geometrische Formationen

Eine aus sechs Tänzerinnen und sechs Tänzer bestehende Gruppe steht zu Beginn und am Ende als runde Einheit im Dunkeln. Während der einstündigen Aufführung werden mit höchster Akkuratesse vielseitige geometrische Formationen gestaltet. Die Gruppe teilt sich auf in kleinere Ensembles, schwärmt auseinander. Sie finden aber auch immer wieder zur großen Einheit zusammen. Alles in einem enormen Tempo. Es gibt viele Bewegungen, die wiederholt werden und doch stets neu wirken. Individuelle Ausbrüche mit kleinen oder großen Gesten einzelner Tänzer:innen sind elementarer Bestandteil der Gesamtchoreografie.

Corps de Walk
Hessisches Staatsballett
Ensemble
Foto: Sinah Osner

Fast die ganze Zeit über sind alle auf der Bühne, es gibt nur kurze Abtritte. Die komplexe Gruppenchoreogafie studierte die multidisziplinären Tanzkünstlerin Olivia Ancona mit dem Hessischen Staatsballett ein. Der Gruppencharakter wird durch die einheitlichen Kostüme, sehr eng anliegende hautfarbene Bodysuits/Ganzkörperanzüge, und identische Frisuren unterstützt (Kostüme: Sharon Eyal und Gai Behar). Von den vorderen Sitzreihen aus besonders gut zu erkennen sind zudem die Kontaktlinsen, die alle Tänzer:innen tragen.

Eine dezente Ausleuchtung von maximal acht Scheinwerfern aus der Obermaschinerie setzt die fesselnde Performance mit ihren zugespitzten Bewegungen der androgynen Gruppe effektvoll in Szene (Licht: Alon Cohen).

Auch wenn das Frühwerk von ihr insgesamt noch nicht so homogen und zugespitzt ist: Wer bereits Soul Chain oder ein anderes Werk von Eyal gesehen hat, wird viele Stilelemente schon in Corps de Walk erkennen. Eine gewisse Inhomogenität spiegelt auch die Musik von Technokünstler Gai Behar und dem DJ Ori Lichtik wider, bei der synthetische und elektronische Klänge dominieren.

Für den sehenswerten Auftakt des Hessischen Staatsballetts gab es bei der Premiere lang anhaltenden Beifall und Standing Ovations.

Markus Gründig, September 25


Corps de Walk

Choreografie & Kostüme: Sharon Eyal und Gai Behar
Musik: Ori Lichtik
Licht: Alon Cohen
Assistenz Licht: Henry Rehberg
Einstudierung: Olivia Ancona
Uraufführung: 2011 (Studio Bergen, Norwegen)

Die Premieren beim Hessischen Staatsballett:

  • Premiere Staatstheater Wiesbaden: Samstag, 6. September 25(Großes Haus)
  • Premiere Staatstheater Darmstadt: Samstag, 15. November 25 (Großes Haus)

Originalbesetzung für die Wiedereinstudierung am Hessischen Staatsballett:
Enzo Boffa, Daniela Castro Hechavarría, Ramon John, Sayaka Kado, Masayoshi Katori, Bridget Lee, Milica Mućibabić, Marcos Novais, Anthony Michael Pucci, Marie Ramet, Vanessa Shield, Benjamin Wilson

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