Eine besondere Würdigung für eine herausragende schauspielerische Leistung: Birgit Minichmayr hat am gestrigen Samstagabend im Bensheimer Parktheater den Gertrud-Eysoldt-Ring verliehen bekommen. Die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung gilt als einer der bedeutendsten Theaterpreise im deutschsprachigen Raum und wird seit 1986 von der Stadt Bensheim und der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste vergeben.
Birgit Minichmayr überzeugte die Jury, bestehend aus Karin Henkel, André Jung und Jossi Wieler (Vorsitz), mit ihrem Auftritt am Burgtheater Wien in „Heldenplatz“ von Thomas Bernhard in der Inszenierung von Frank Castorf.

(Bild: Gregor Ott/GVO Media)
In ihren politischen Dankesworten befasste sich Birgit Minichmayr mit der für sie dringenden Frage, „was Theater wirklich kann und ob es die Welt da draußen positiv beeinflusst“. Sie erinnerte an ihre Anfänge als junge Schauspielerin, die sie unter anderem mit der Dramaturgin, Regisseurin und Intendantin Bettina Hering zusammenführten. Die Schweizerin hatte zuvor die Ehre, die Laudatio auf die Eysoldt-Preisträgerin und langjährige Weggefährtin zu halten.
Kurt-Hübner-Regiepreis an Ran Chai Bar-zvi
Der mit 5.000 Euro dotierte Kurt-Hübner-Regiepreis, der seit 1991 ebenfalls von der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste verliehen wird, ging am Samstag an den jungen Regisseur und Bühnenbildner Ran Chai Bar-zvi. Ausgezeichnet wurde er für die Inszenierung von „Blutbuch“ nach dem Roman von Kim de l’Horizon am Staatstheater Hannover. Als er dieses Werk das erste Mal las, hatte er das Gefühl, „da schreibt eine Fremde mein Leben“. Mit dem Stück wolle er insbesondere „die Hand reichen“. Die Bedeutung des Verbindenden auf der Bühne spiegelte sich auch in seinen Dankesworten. „Dieser Preis gehört mir nicht allein“, betonte er in seiner sympathischen, emotionalen Rede.
Jurorin Almut Wagner, stellvertretende Intendantin und Chefdramaturgin am Residenztheater in München und Mitglied im Vorstand des Internationalen Theaterinstituts, hatte den Preisträger ausgewählt und hielt im Parktheater die Laudatio auf Ran Chai Bar-zvi.
Bensheimer Bürgermeisterin Christine Klein:
Die Bensheimer Bürgermeisterin Christine Klein betonte in ihrer mit viel Beifall bedachten Rede, dass mit Birgit Minichmayr und Ran Chai Bar-zvi zwei außergewöhnliche Künstlerpersönlichkeiten geehrt werden, „die für ein Theater stehen, das nicht bequem, sondern wahrhaftig ist“. Ihre Kunst zeige, dass Theater kein bloßer Rückzugsort, sondern ein Ort der Erkenntnis sei – ein Raum, in dem sich Menschen und Gesellschaft spiegeln.
Gerade in Zeiten, in denen Demokratie und Dialog unter Druck geraten, ist Theater wichtiger denn je. „Es ist ein Ort, an dem wir Menschlichkeit üben – wo wir zweifeln, widersprechen, mitfühlen, lachen und weinen dürfen, ohne Angst und ohne Zensur“, erläuterte sie. Theater erinnere daran, wie fragil Freiheit sei – und wie kostbar.
Zugleich unterstrich Christine Klein, dass Bensheim ein Ort bleiben wolle, an dem Kultur nicht nur geduldet, sondern aktiv gestaltet werde. „Kultur, Musik und Theater haben in unserer Stadt einen besonderen Stellenwert – getragen von großem ehrenamtlichem Engagement und einem Publikum, das mit Begeisterung teilnimmt.“
Mit dem Gertrud-Eysoldt-Ring und dem Kurt-Hübner-Regiepreis, so hob sie hervor, würden zwei Künstler geehrt, „die Brücken schlagen – zwischen Text und Gegenwart, zwischen Kulturen, Sprachen und Menschen“. Theater und Kunst seien „der Kitt, der eine Gesellschaft zusammenhält“. Denn eine Stadt ohne Kunst, Kultur und Theater ist nur eine Ansammlung von Häusern – „mit ihnen aber wird sie zu einem Zuhause“.
Klein dankte abschließend den Förderern und Unterstützern der Verleihung sowie der scheidenden Jury, die mit großem Sachverstand, Leidenschaft und feinem Gespür über Jahre hinweg die Entscheidungen zur Preisvergabe geprägt und damit wesentlich zur Strahlkraft des Gertrud-Eysoldt-Rings beigetragen hat. Ab diesem Jahr bilden Ulrich Matthes (Vorsitz), Juliane Köhler und Caroline Peters die neue Jury.
Staatsministerin Diana Stolz:
Auf die Bedeutung von Kunst und Kultur verwies auch die hessische Staatsministerin Diana Stolz in Vertretung ihres Kabinettskollegen Timon Gremmels (Hessischer Minister für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur). Die Ministerin für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege war an diesem Abend „als Bensheimer Bürgerin“ im Parktheater zu Gast, das für sie eine „unverzichtbare Institution“ ist. „Kultur beginnt vor Ort und bietet uns die Möglichkeit, uns selbst zu entfalten“, so Stolz. Ein Theater in der eigenen Stadt schaffe einen neuen Blick auf die Welt. Die Ministerin würdigte ebenso die Preisträger, „die für jene künstlerische Energie stehen, die […] uns als Menschen wachsen lässt“.
Professor Hans-Jürgen Drescher:
Für die Akademie sprach Präsident Professor Hans-Jürgen Drescher einleitende Worte und macht das Wesen des modernen Theaters sichtbar, das „aus Katastrophen Kunst macht“. In dunklen Zeiten ist das Theater imstande zu zeigen, „dass alles auch ganz anders sein kann“ verbunden mit der Idee einer besseren Welt.
Charmant und unterhaltsam durch die Preisverleihung führte Jo Schück, unter anderem bekannt als Moderator des ZDF-Kulturmagazins aspekte, für den der Auftritt als ehemaliger Abiturient des Alten Kurfürstlichen Gymnasiums in Bensheim ein willkommenes Heimspiel war.
Für den musikalischen Rahmen sorgte der US-amerikanische Musiker, Schauspieler und Theater-Regisseur Daniel Kahn, der dem Abend multilingual und multiinstrumental eine besondere Atmosphäre verlieh.
Mit der Vergabe des Gertrud-Eysoldt-Rings würdigen die Stadt Bensheim und die Deutsche Akademie der Darstellenden Künste eine schauspielerische Leistung an einer deutschsprachigen Bühne. Erste Preisträgerin war Doris Schade, ihr folgten große Schauspielerinnen und Schauspieler wie Klaus Maria Brandauer, Cornelia Froboess, Corinna Harfouch, Nina Hoss, Ulrich Mühe, Ulrich Matthes, Tobias Moretti, Charly Hübner, Lina Beckmann und Sandra Hüller.
Der Preis geht auf ein Vermächtnis des Journalisten und Theaterkritikers Wilhelm Ringelband zurück, der von 1944 bis zu seinem Tod in Bensheim lebte und in seinem Testament einen Schauspielerpreis mit dem Namen von Gertrud Eysoldt verfügte.
Gertrud Eysoldt gilt als erste Feministin des deutschen Theaters. Sie war in Zusammenarbeit mit dem Regisseur Max Reinhardt eine der bedeutendsten Theaterschauspielerinnen im Berlin des frühen 20. Jahrhunderts.
Finanziert wird die Verleihung durch die Ringelband-Stiftung und dank des Engagements von Sponsoren. Als Wilhelm Ringelband 1981 ohne Nachkommen in Bensheim starb, hinterließ er ein Vermögen – und ein Testament mit Auflagen. Schließlich sollte sein Erbe dem Allgemeinwohl dienen.
Die Stadt Bensheim gründete daher 1983 nach dem letzten Willen des Verstorbenen die „Johanna-, Friedrich Wilhelm- und Will-Ringelband-Stiftung“, aus der seitdem die kulturellen und sozialen Testamentsverpflichtungen finanziert werden.
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