Richard Wagners »Tristan und Isolde« neu inszeniert am Staatstheater Wiesbaden

Tristan und Isolde ~ Staatstheater Wiesbaden ~ Isolde (Barbara Haveman), Tristan (Marco Jentzsch) ~ Foto: Karl Monika Forster

Fast alle große Wagner-Opern hat Regisseur Uwe Eric Laufenberg bereits inszeniert, sei es bei den Bayreuther Festspielen, an der Oper Köln, dem Landestheater Linz oder am Staatstheater Wiesbaden. Nun setzte er erstmals Tristan und Isolde um. Ursprünglich sollte diese Inszenierung bereits die Internationalen Maifestspiele 2020 eröffnen. Sie war also schon seit Langem geplant und nahezu fertig vorbereitet.

Besonnene und poetische Umsetzung

Laufenbergs bisherige Inszenierungen von Wagnern-Opern sind stets außergewöhnlich, haben imposante Bühnenbilder und bieten meist Bezüge zur Gegenwart. Auch wenn er seinem Stil grundsätzlich treu geblieben ist, seine Umsetzung von Tristan und Isolde ist doch anders als erwartet: Wie entschleunigt, besonnen und wunderbar poetisch. Erneut arbeitete er mit dem Bühnenbildner Rolf Glittenberg zusammen. Statt konkreter Orte für Gemächer und Gärten besteht die Bühne für alle drei Aufzüge (wie Wagner die Akte bezeichnete) aus einer großen Leinwand im Hintergrund und wenig Mobiliar. Sie wirkt eher karg als überbordend.

Tristan und Isolde
Staatstheater Wiesbaden
Brangäne (Khatuna Mikaberidze)
Foto: Karl Monika Forster

Im ersten Aufzug gibt es lediglich drei Kleiderstangen mit zahlreichen Kleidersäcken und ein paar Koffern. Im zweiten eine Landschaft von Plateaus die Betten andeuten und im dritten ein Krankenbett und einen Kreis aus Steinen (der sich als Abgang in das Totenreich entpuppt). Natürlich gibt es auch hier Videoprojektionen. Sie erfolgen dezent und gehen nahtlos in die Ausleuchtung der großen Rückwand über. Es sind konkrete Bilder vom Meer und Wolken, abstraktere von einer gewebeartigen Netzstruktur, die nach und nach in einen Feuerstrahl übergeht und von zwei unterschiedlichen Liebespaaren. Gleich zu Beginn wird eine vom Krieg zerstörte Stadt gezeigt. Später Bilder von Kämpfen im Schützengraben und von tätlichen Auseinandersetzungen in einer Stadt. Die Bilder stehen nie im Vordergrund, sind meist nur blass im Hintergrund zu sehen und wecken Assoziationen, wo Wagners Kunstsprache nur allzu blumig und künstlich ist (Video: Gérard Naziri).

Tristan und Isolde
Staatstheater Wiesbaden
König Marke (Young Doo Park
Foto: Karl Monika Forster

Viel entscheidender für die Grundstimmung ist die dezente Ausleuchtung von Andreas Frank. Die Szenerie wird stets in eine traumhafte Atmosphäre verwandelt. Am deutlichsten zeigt sich das beim Kuss zwischen Tristan und Isolde am Ende des ersten Aufzugs mit einem kräftigen Violett, der Farbe für Transzendenz und Übersinnlichkeit. Die Entrücktheit der beiden Hauptfiguren entfaltet hier ihren Höhepunkt. Schön, dass das ja eher geistige Liebesspiel der beiden hier im zweiten Aufzug mit vier nahezu textilfrei gekleideten Tanzpaaren szenisch bereichert wird.
Eine gewisse Zeitlosigkeit vermitteln die Kostüme von Andrea Schmidt-Futterer an, teilweise spielen sie auch die Historie an, wie die Kettenhemden von Kurwenal und Tristan. Mächtig strahlt der Mantel von König Marke in einem kräftigen Königsblau und voluminös ist der Umhang des Hirten.

Tristan und Isolde
Staatstheater Wiesbaden
Tristan (Marco Jentzsch), Ein Hirt (Eric Biegel), Kurvenal (Thomas de Vries), Statisterie
Foto: Karl Monika Forster

Rollendebüts für Tristan und Isolde

Beide Titelrollen erfordern außerordentlich viel an stimmlichem Durchhalte- und Durchsetzungsvermögen. Tenor Marco Jentzsch hat schon früh Wagner gesungen (Stolzing in Die Meistersinger von Nürnberg 2009 an der Oper Köln), den Tristan gibt er hier erstmals. Dabei steigert er sich von Aufzug zu Aufzug und gibt der Figur eine kraftstrotzende, vitale Note. Die niederländische Sopranistin Barbara Haveman gibt eine tief empfindsame, aber dennoch starke Isolde. Auch für sie ein Rollendebüt. Gegen die Klanggewalten des Orchesters haben sich beide noch zu behaupten.

Schon bei der vorherigen Tristan und Isolde Inszenierung von Dietrich Hilsdorf (2009) verkörperte KS Thomas de Vries den Kurwenal. Souverän besticht er mit großer stimmlicher Autorität, wie auch der Bass Young Doo Park als König Marke sehr gut beim Publikum (Schlussapplaus) ankommt. Die gebürtige Georgierin Khatuna Mikaberidze behauptet sich als Brangäne sehr gut. Stimmig fügen sich Tenor Andreas Karasiak (Melot), Bariton Yoontaek Rhim (Ein Steuermann), Tenor Julian Habermann (Stimme eines jungen Seemanns) und vor allem Tenor Erik Biegel (Ein Hirt) ein. Der von Albert Horne einstudierte Chor des Staatstheater Wiesbaden singt versiert aus dem Off. Am Pult des Hessischen Staatsorchesters Wiesbaden sorgt der Wagner-erfahrene Dirigent Michael Güttlert für eine in den Bann ziehende musikalische Umsetzung (auch auf die Gefahr hin, dass die Sänger es schwer haben könnten, dagegen anzukommen). Der Sohn des Trompeters Ludwig Güttler ist seit 2013 Chefdirigent der Finnischen Nationaloper Helsinki und regelmäßiger Gastdirigent des Mariinsky-Theaters St. Petersburg.

Tristan und Isolde
Staatstheater Wiesbaden
Isolde (Barbara Haveman), Tristan (Marco Jentzsch)
Foto: Karl Monika Forster

Für den Schluss hat Uwe Eric Laufenberg eine berührende Lösung gefunden. Vor dem geistigen Auge Isoldes (und des Publikums) erscheint der bereits verstorbene Tristan, lehnt sich an sie und gemeinsam gehen sie ins Licht, in die Ewigkeit.
Am Ende viel Applaus für diese bezaubernde Umsetzung.

Markus Gründig, November 21


Tristan und Isolde

Handlung in drei Aufzügen

Von: Richard Wagner (1813 – 1883)
Libretto: vom Komponisten, nach dem Versroman »Tristan« (um 1210) von Gottfried von Straßburg
Uraufführung: 10. Juni 1865 (München, Nationaltheater)

Premiere am Staatstheater Wiesbaden: 7. November 21 (Großes Haus)

Musikalische Leitung: Michael Güttler
Inszenierung: Uwe Eric Laufenberg
Bühne: Rolf Glittenberg
Kostüme: Andrea Schmidt-Futterer
Chor: Albert Horne
Licht: Andreas Frank
Video: Gérard Naziri
Dramaturgie: Wolfgang Behrens

Besetzung:

Tristan: Marco Jentzsch
Isolde: Barbara Haveman
König: Marke Young Doo Park
Kurwenal: KS Thomas de Vries
Melot: Andreas Karasiak
Brangäne: Khatuna Mikaberidze
Ein Steuermann: Yoontaek Rhim Korea
Stimme eines jungen Seemanns: Julian Habermann
Ein Hirt: Erik Biegel

Tänzer*innen: Jonathan Schmidt, Jessica Sarah Larbig, Mar Sanchez Cisneros, Guillermo De la Chica Lopez, Gabriele Ascani, Sergio Indiveri, Annika Hofmann, Meryem Sahin

Chor & Chorsolisten des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden
Hessisches Staatsorchester Wiesbaden


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