

Als Auftaktveranstaltung zur Reihe Montags im English Theatre Frankfurt präsentierte das English Theatre Frankfurt @ Zoo jetzt einen außergewöhnlichen musikalischen Abend. Es war zugleich eine um eine Woche verspätete Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau, in dem über 1. Millionen Menschen getötet worden waren. Die Goethe-Preisträgerin und Sängerin Sabine Fischmann und der Pianist Markus Neumeyer präsentierten ihre Fassung des Musicals Lola Blau als einen Abend gegen das Vergessen. Das Stück schrieb der österreichische Musiker und Kabarettist Georg Kreisler (1922 – 2011). Seine schwarzhumorig-grotesken Lieder haben Kultcharakter.
Die Lola Blau-Fassung von Fischmann und Neumeyer beinhaltet nicht sämtliche Songs des Stücks. Dafür haben sie die Story mit Aufnahmen der Schoah-Überlebenden Aviva Goldschmidt und Eva Szepesi zu einer unter die Haut gehenden Geschichte verwoben. Die beiden erzählen darin Auszüge aus ihren bewegenden Biografien. Bei der Vorstellung im English Theatre @ Zoo waren sie sogar persönlich im Publikum anwesend. Zu Beginn richtete der Frankfurter Oberbürgermeister Mike Josef dankende Worte an die beiden Zeitzeuginnen und ermahnende an das Publikum.
Eva Szepesi, 1932 in Budapest geboren, floh zunächst in die Slowakei. Als Zwölfjährige kam sie in das Konzentrationslager Auschwitz. Bei der Befreiung am 27. Januar 1945 konnte sie sich nicht bewegen, das Lächeln eines russischen Soldaten zumindest aber erwidern (und dankbar Schnee als Speise aufnehmen).
Aviva Goldschmidt,1938 in Boryslaw (damals Polen, heute Ukraine) geboren, lebte als Kind in ständiger Angst, entdeckt zu werden. Die ermahnenden Worte ihrer Mutter, „Du darfst nicht weinen, Du darfst nicht lachen, Du darfst nicht sprechen, Du musst ganz still sein!“, wirken bei ihr bis heute nach.
Lola Blau handelt von der fiktiven Geschichte der jungen jüdischen Sängerin gleichen Namens. Kurz vor Antritt eines Engagements am Landestheater Linz wird die unpolitische Sängerin 1938 mit der rigiden NS-Politik konfrontiert und muss das Land verlassen (wegen des Anschlusses Österreichs an Nazi-Deutschland). Nach Stationen in der Schweiz und den USA kehrt sie nach Kriegsende desillusioniert und der Liebe wegen nach Wien zurück. Doch auch dort ist nicht alles eitel Sonnenschein. Dass trotz aller schrecklichen Geschehnisse so weitergemacht wird wie bisher, treibt sie um.
Überaus virtuos gestaltet Sabine Fischmann den 90-minütigen Abend. Dabei schlüpft sie, jeweils mit dem passenden Dialekt, auch in weitere Rollen. Wie in die der wienerischen Vermieterin in der Pension Aida, eines schweizerischen Postbeamten oder eines ewig Gestrigen. Das macht sie mit viel Gestik und Mimik. Mit „Die Wahrheit vertragen sie nicht“ spricht sie in erster Linie die im Saal anwesenden Frauen an. Um sich dann selbst als große Dame („Der zweitälteste Frauenberuf“) zu präsentieren. Einziger englischsprachiger Beitrag ist der in einem New Yorker Club gegebene Song „Sex Is A Wonderful Habit“. Sehr menschliche Züge zeigte Fischmann mit “Ich habe dich zu vergessen vergessen“. Während der eingespielten Zeitzeugnisse von Aviva Goldschmidt und Eva Szepesi spielt sie zudem dezent auf einer Melodica.
Der auf dem Zwischendeck des Ozeandampfers spielende Song auf Jiddisch wurde von Eva Szepesi eingespielt, die gerne Sängerin oder Schauspielerin geworden wäre.
Virtuos begleitete Pianist Markus Neumeyer den Abend am Klavier.
Am Ende intensiver Beifall und Standing Ovations für diese intensive, unterhaltsame und eindringliche Darbietung gegen Antisemitismus und reale Ausgrenzung, die an Aktualität nichts eingebüßt hat. „Aber sie [Lola Blau] muss einsehen, dass es nichts nützt, nur einen kleinen bescheidenen Platz an der Sonne erhaschen zu wollen. Jeder Mensch muss vor allem versuchen, die Hindernisse, die die Sonne verstellen, für sich und seine Mitmenschen aus dem Weg zu räumen.“ (Georg Kreisler)
Aus dem Publikum traten sodann Aviva Goldschmidt und Eva Szepesi auf die Bühne. Aviva Goldschmidt bedankte sich bei allen Beteiligten und erinnerte eindringlich daran, das Geschehene niemals zu vergessen und aktuelle Geschehnisse nicht einfach hinzunehmen.
Nicht nur eine große gelbe Schleife auf der linken Bühnenseite gemahnte an die restlichen Geiseln der Hamas, auch die Präsidentin von WIZO Deutschland, Nicole Faktor, erinnerte an sie. Der Abend war eine Zusammenarbeit mit WIZO Frankfurt (Women´s International Zionist´s Organization). Dies ist eine internationale Frauenorganisation, die hilfsbedürftige Menschen in Israel, unabhängig von Herkunft oder Religion, unterstützt und stärkt. Der Erlös des Abends floss dem Prof. Heuss Campus im WIZO-Jugenddorf Hadassim zu.
Markus Gründig, Februar 25