Shakespeares »Der Sturm« mit Uwe Eric Laufenberg am Staatstheater Wiesbaden

Der Sturm ~ Staatstheater Wiesbaden ~ Prospero (Uwe Eric Laufenberg), Ariel (Maria Wördemann) ~ Foto: Karl und Monika Forster
kulturfreak Bewertung: 4 von 5

Über „Zehn Jahre Wiesbaden“ resümiert Intendant Uwe Eric Laufenberg im Vorwort der Saisonbroschüre 2023/2024. Es ist seine letzte Spielzeit am Staatstheater Wiesbaden. Im Mittelpunkt stehen deshalb nicht nur letzte Worte, sondern auch letzte Werke. Der umtriebige und vielseitige Laufenberg bleibt sich auch in seiner finalen Spielzeit treu und betätigt sich nicht nur als Intendant, sondern auch als Regisseur und Schauspieler. Drei große letzte Werke inszeniert er im Großen Haus: Shakespeares Der Sturm, Mozarts Zauberflöte (Premiere 3. Dezember 23) und Verdis Falstaff (Eröffnungspremiere der Internationalen Maifestspiele 24). Sie sind in einem Grundraum von Rolf Glittenberg zu einer Trilogie verbunden. In Der Sturm übernimmt Laufenberg zudem die Rolle des Prospero.

Während das Publikum den Zuschauerraum betritt, sitzt Prospero mit dem Rücken zum Publikum bereits vor einem die Bühne verdeckenden Gazevorhang auf einem Regiestuhl. Die Zahl 1616, das Todesjahr von William Shakespeare, prangt auf beiden Seiten der Sitzlehne. Nach einem bewusst doppeldeutig auslegbaren Prolog Prosperos und dem über die linke Prozessiumsloge Zutreten von Tochter Mirnda (Klara Wördemann), eröffnet er, einen dunklen Umhang tragend, seinen ersten großen Zauber. Ein schweres Unwetter bringt das nah vorbei segelnde Schiff mit dem König von Neapel (seinem Bruder) zum Stranden. Hierfür gibt es eine packende und aufwendige Videoanimation zu sehen (Video: Gérard Naziri). Parallel dazu agieren und schreien im Hintergrund Seeleute. Eine dramatische Passage aus Wagenrs Holländer-Ouvertüre untermalt das Unwetter musikalisch.

Der Sturm
Staatstheater Wiesbaden
Ferdinand (Lukas Schrenk), Mirinda (Klara Wördemann)
Foto: Karl und Monika Forster

Sodann findet die weitere Handlung im sich noch nicht so ganz erschließenden hellen Grundraum von Rolf Glittenberg statt. Mehrdeutig wirkt er wie ein großer Saal oder wie ein öffentlicher Platz vor einem Prachtbau. Ein großer Bogen öffnet die Sicht auf eine Strandlandschaft (und für weitere Videoanimationen, wie von geifernden Kampfhunden). Im Hintergrund ein Stapel Klappstühle, dazu Weidenbölle unterschiedlicher Größe als Verweis auf die Natur und ein Grammophon. Im Teil vor der Pause geht es relativ klassisch zu. Heftig dann allerdings ein Erschießungskommando durch Köche, als ein Verweis auf den Kolonialismus zur Zeit Shakespeares. Brutal wirkende Atemmasken und Sturmgewehre tragend, geht es auf den König und seine Gefolgsleute los.
Der Teil nach der Pause ist insgesamt abwechslungsreicher und noch deftiger. Beim Possenspiel im vierten Akt trägt das Ensemble kurze Texte u. a. von Georg Büchner, Heiner Müller und Anton Tschechow vor. In beiden Teilen gibt es optische Überraschungen (vom Schnürboden herabschwebend oder auf Tischen hereingeschoben) und Musikeinspielungen (Musik: Felix Kroll).

Der Sturm
Staatstheater Wiesbaden
Caliban (Matze Vogel), Stephano (Philipp Steinheuser), Trinculo (Paul Simon)
Foto: Karl und Monika Forster

Uwe Eris Laufenbergs Prospero ist ein besonnener und großer Macher, der auch gerne von der Seite oder im Hintergrund beobachtet und dann wortgewaltig gezielt eingreift. Die Zwillingsschwestern Maria und Klara Wördemann agieren elegant verführerisch und lebhaft als Miranda und als Ariel. Ihre optische Angleichung in Form von Frisur und chicen Frack (Kostüme: Marianne Glittenberg), sorgt des öfteren für eine leichte Verwirrung, wer den nun gerade wer ist. Eine starke Präsenz zeigt der von fast allen geschundene, wilde und missgestaltete Sklave Caliban des Matze Vogel (nur mit einem Lendenschutz bekleidet). Gemeinsam mit dem trinkfreudigen Butler Stephano (Philipp Steinheuser) und dem Clown Trinculo (Paul Simon) bildet er ein Trio, dass für die heiteren Momente des knapp dreistündigen Abends (inklusive einer Pause) sorgt. Ob seiner Natürlichkeit nimmt der Königssohn (und Prosperos Schwiegersohn in spe), Ferdinand (Lukas Schrenk) für sich ein.
Rollengerecht wirken König Alonso (Benjamin Krämer-Jenster) und seine Gefolgsleute, der Königsbruder Sebastian (Christian Klischat), der unrechtmäßige Herzog Antonio (Michael Birnbaum) und der ehrenhafte alte Kanzler Gonzalo (Uwe Kraus).
Die an sich hohe Textverständlichkeit kommt mitunter ins Straucheln, das große Haus ist schließlich in erster Linie für das Musiktheater und weniger für das Schauspiel konzipiert.

Ganz klassisch beendet auch hier ein Prolog Prosperos das Stück. Doch Laufenberg wäre nicht Laufenberg, wenn er nicht auch hier bewusst doppeldeutig spricht und indirekt auf die Verhältnisse „an diesem Ort“ den er nun verlässt, eingeht.

Viel Applaus für alle Beteiligte.

Markus Gründig, Oktober 2023


Der Sturm

(The Tempest)
Komödie in fünf Akten

Von: William Shakespeare
Erste gesicherte Aufführung: 1. November 1611 (London, bei Hofe)

Premiere am Staatstheater Wiesbaden: 7. Oktober 23 (Großes Haus)

Inszenierung: Uwe Eric Laufenberg
Bühne: Rolf Glittenberg
Kostüme: Marianne Glittenberg
Mitarbeit Regie: Florian Mahlberg
Video: Gérard Naziri
Musik: Felix Kroll
Licht: Oliver Porst
Dramaturgie: Anika Bárdos

Besetzung:

Alonso: Benjamin Krämer-Jenster
Sebastian: Christian Klischat
Prospero: Uwe Eric Laufenberg
Antonio: Michael Birnbaum
Ferdinand: Lukas Schrenk
Gonzalo: Uwe Kraus
Caliban: Matze Vogel
Trinculo: Paul Simon
Stephano: Philipp Steinheuser
Miranda: Maria Wördemann, Klara Wördemann
Ariel: Klara Wördemann, Maria Wördemann

staatstheater-wiesbaden.de