Liebeswirren im Landesmuseum Mainz mit Nicola Porporas »L´Angelica«

L´Angelica ~ Staatstheater Mainz ~ Angelica (Nadja Stefanoff), Statisterie ~ © Andreas Etter

Nach dem großen Erfolg mit der Komödie Eine Sommernacht im Jahr 2021 als Open-Air-Veranstaltung im Innenhof des Landesmuseums Mainz, gibt es diesen Sommer eine Fortsetzung. Neben der bereits abgespielten romantischen Komödie Shakespeare in Love und einer Opernnacht mit Picknick (22. und 23. Juli 23) zeigt das Staatstheater Mainz an ausgewählten Tagen noch bis zum 21. Juli 23 Nicola Porporas heitere Serenata L’Angelica.

Porpora ging als herausragender Gesangslehrer und Komponist in die Musikgeschichte ein. Durch ihn wurde Carlo Broschi (Künstlername: Farinelli) berühmt. Er debütierte im Alter von fünfzehn Jahren in L’Angelica mit der Rolle des Tirsi. Im Rahmen der Internationalen Maifestspiele Wiesbaden war kürzlich Porporas Melodrama Polifemo zu sehen (in einer Produktion der Salzburger Festspiele in Zusammenarbeit mit Parnassus Arts Productions). Das Libretto stammt aus Pietro Metastasios gleichnamiger „festa teatrale“, die auf Versen aus Ludovico Ariostos Orlando furioso und Matteo Maria Boiardos Orlando innamorato basiert.

L´Angelica
Staatstheater Mainz
Tirsi (Barbara Massaro), Licori (Gaia Petrone), Orlando (Karina Repova)
© Andreas Etter

Koproduktion mit dem Festival della Valle d’Itria

L’Angelica ist eine Koproduktion zwischen dem Staatstheater Mainz und dem Festival della Valle d’Itria aus der süditalienischen Gemeinde Martina Franca in der Provinz Tarent (Apulien). Dort feierte die Inszenierung des Regisseurs, Bühnen- und Kostümbildners Gianluca Falaschi bereits in 2021 Premiere.
Seine bunten und lebhaften Kostüme sorgten am Staatstheater Mainz bereits für Aufsehen (in 2015 bei Perelà und 2017 bei Armide. Herrlich bunt und vom Barock sind auch seine Kostüme für L’Angelica. Sie verweben karnevalistische Elemente aus der Zeit Porporas mit der vom Mainzer Karneval.

Mit aus Italien angereist ist das auf historischen Instrumenten spielende Barockensemble La Lira di Orfeo (aus Lodi) und die Sängerinnen Barbara Massaro und Gaia Petrone, die hier ihr Debüt in Mainz geben. Die drei anderen Partien sind mit Sängerinnen des Mainzer Ensembles besetzt. Ergänzt wird das fröhliche szenische Spiel von elf Statisten:innen als die Vielfalt feierndes Volk.

L´Angelica
Staatstheater Mainz
Licori (Gaia Petrone)
© Andreas Etter

Große Kostümparty

Für die Aufführungsserie im Innenhof des Landesmuseum Mainz hat Gianluca Falaschi die Inszenierung weiterentwickelt und etwas gestrafft. So wurde die Figur des alten Vaters Titiro gestrichen. Es ist die einzige klassische Männerrolle der Serenata. Sie wurde 1720 erstmals für die Feierlichkeiten zum Geburtstag der Kaiserin Elisabeth-Christine (der Gemahlin Karls VI.) gegeben. Schon bei der Uraufführung wurden die anderen Männerpartien von einem Kastraten bzw. einem Altisten gesungen. Apropos Serenata. Diese hat im Vergleich zu den Barock-Opern den Vorteil, dass sie mit weniger ausufernden Arien aufwartet, kompakter ist und sich somit bestens für einen lauen Sommerabend eignet. Das Spiel mit den Geschlechtern ist bei dieser L’Angelica Programm. Und so manch ein Besucher stellte in der Pause erstaunt fest „ach, er ist auch eine Frau“. Dabei geben sich die drei Männerfiguren unterschiedlich. Der schwer verliebte Orlando (mit rotem gelockten Haar) etwas weltentrückte, der sarazenische Soldat Medoro mit staatsmännischer Attitüde und leger der Schäfer Tirsi.

L´Angelica
Staatstheater Mainz
Orlando (Karina Repova)
© Andreas Etter

Die Geschehnisse um die chinesische Prinzessin Angelica und den fränkischen Ritter Orlando hat Gianluca Falaschi nicht groß verlegt. Die große Festtagstafel auf der Bühne im Innenhof des Landesmuseums Mainz könnte durchaus auch in einem Garten eines Landhauses in der Nähe von Paris zur Zeit Karls des Großen stehen. Luftballons, Wackelpudding und Trinkgefäße im Stil einer goldenen Ananas schaffen lose Bezüge zur Gegenwart. Im Vordergrund der als großen Kostümparty angelegten Inszenierung steht ein Spiel um Liebe, der Sehnsucht nach Liebe und der Vortäuschung von Interesse (passend dafür wird ein überdimensionales menschliches Herz auf einer Torte präsentiert).

L´Angelica
Staatstheater Mainz
Medoro (Julietta Aleksanyan)
© Andreas Etter

Verführung mit Stimmen

Insbesondere im zweiten Teil der mit Pause gerade einmal zweistündigen Aufführung, hat jede Figur Gelegenheit, das Publikum mit ihrer Stimme zu verführen. Und das tun alle gleichermaßen. Bei der Premierenvorstellung erhielten alle nach jeder solistischen Nummer kräftigen Zwischenapplaus .
Mit der Sopranistin Nadja Stefanoff ist die Titelfigur großzügig besetzt. Sie verleiht der Prinzessin Glanz und Größe. Ob seiner Unbeholfenheit in Liebesdingen, nimmt der unsterblich in Angelica verliebte Orlando der Mezzosopranistin Karina Repova sehr für sich ein. Eher rational ist der gewissenhafte Medoro der Sopranistin Julietta Aleksanyan. Als nicht ganz zu Unrecht misstrauischer Tirsi (die einst von Farinelli verkörperte Figur) begeistert Sopranistin Barbara Massaro. Sie, wie auch die Mezzosopranistin Gaia Petrone als attraktive und strebsame Licori, gaben diese Partien bereits 2021.

Am Pult des Barockensembles La Lira di Orfeo sorgt Felice Venanzoni für einen perlenden musikalischen Eindruck. Er ist nicht nur Dirigent, sondern auch Solorepetitor an der Oper Frankfurt und dort für die musikalische Einstudierung und die künstlerische Ausbildung des Opernstudios verantwortlich. Bei L´Angelica sind besonders die beiden Barock-Oboen und die beiden Barock-Hörner schön herauszuhören.

Auch am Ende sehr viel Applaus für alle Beteiligte.

Markus Gründig, Juli 23


L’ Angelica

Serenata

Von: Nicola Antonio Porpora (1720)
Uraufführung: 4. September 1720 (Neapel, Palast von Antonio Caracciolo, Prinz von Torella)

Premiere am Staatstheater Mainz: 13. Juli 23 (Innenhof Landesmuseum Mainz)
Koproduktion mit dem Festival della Valle d’Itria
Premiere in Martina Franca: 30. Juli 21 (Innenhof vom Palazzo Ducale)

Musikalische Leitung: Felice Venanzoni
Inszenierung, Bühne, Kostüme: Gianluca Falaschi
Licht: Ulrich Schneider
Dramaturgie: Elena Garcia Fernandez

Besetzung:

Angelica: Nadja Stefanoff
Medoro: Julietta Aleksanyan
Orlando: Karina Repova
Tirsi: Barbara Massaro
Licori: Gaia Petrone

Statisterie des Staatstheater Mainz
Orchester: La Lira di Orfeo


staatstheater-mainz.com