Die Bregenzer Festspiele werden zu Recht mit spektakulären Bühnenbildern und Inszenierungen in Verbindung gebracht. 2019 inszenierte erstmals Philipp Stölzl auf der weltweit größten Seebühne. Gemeinsam mit Heike Vollmer entwickelte er für Verdis Rigoletto die Idee eines überdimensionalen Clownkopfs, einer ebensolchen Hand und eines Heißluftballons als zentrale Bühnenelemente. Der Kopf ist ob seiner lebendigen Ausdrucksweise, seinen Blicken und seiner Wandelbarkeit ein technisches Meisterwerk und optisch ein Knaller. Auch die große Hand (Gildas Schutzraum) weist vielfältige Verwandlungsmöglichkeiten auf. Ein in den Himmel entfliehender Ballon steht mehrfach für den Verlust eines geliebten Menschen. Bei aller technischen Brillanz und optischer Verführung steht dennoch stets die Kunst im Mittelpunkt: Giuseppe Verdis Oper Rigoletto.
Im vergangenen Jahr mussten die Bregenzer Festspiele wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden. Stattdessen gab es in kleineren Formaten zumindest die „Festtage im Festspielhaus“, mit der Uraufführung von Impresario Dotcom von Ľubica Čekovská in der Regie von Lisa Stöppler.
Zum 75. Jubiläum der Bregenzer Festspiele wurde jetzt die umjubelte Rigoletto-Inszenierung von 2019 wiederaufgenommen. Die Zwischenzeit wurde genutzt, um technische Neuerungen zu verwirklichen. So wurde weiter an dem einmaligen Soundsystem (BOA 2.0) gefeilt, ein neues Tonmischpult installiert und zusätzlich unter 30 Sitzreihen 270 Lautsprecher angebracht. Das Ergebnis wird nicht zu Unrecht als „die Entfaltung einer Magie des perfekten Klangs“ bezeichnet. Trotz der großen Entfernung zu den Protagonisten entsteht für jeden Zuschauer ein Hörgefühl von Nähe zu den Protagonisten.
Dieses Jahr gibt die gebürtige Britin Julia Jones ihr Debüt in Bregenz. Es ist das erste Mal, dass eine Frau beim Spiel auf dem See am Pult der Wiener Symphoniker steht. Verdis Gefühlskosmos lässt sie mit großem Fingerspitzengefühl und bewegender Leidenschaft klangstark spielen. Für die anspruchsvolle Titelrolle konnte erneut der gebürtige Bulgare Vladimir Stoyanov gewonnen werden. Mit Passion verkörpert er den sich um seine Tochter sorgenden Hofnarren. Diese verkörpert die russische Sopranistin Ekaterina Sadovnikova. Sie konnte diese Rolle bereits 2019 geben. Selbst in schwindelerregender Höhe ist sie nicht aus der Fassung zu bringen und brilliert mit ihrer geschmeidigen Stimme und mit fantastischen Spitzentönen. Hoch hinaus muss in dieser Inszenierung auch der Herzog von Mantua. Der chinesische Tenor Long Long präsentiert ihn dynamisch und mit schönem Schmelz in der Stimme. Agil sind in dieser Inszenierung nahezu alle, nicht nur die Stuntmen vom Wired Aerial Theatre und die Statisten der Bregenzer Festspiele. Auch der Auftragsmörder Sparafucile des Levente Páll gibt sich szenisch und sängerisch flexibel. Die meisten weiteren Rollen haben dieselbe Besetzung wie bereits 2019. Wegen der Vielzahl an Aufführungen sind die Rollen bis zu dreifach besetzt, am Pult der Wiener Symphoniker steht zusätzlich Daniel Cohen.
Allein die überwältigenden visuellen Eindrücke inmitten der bezaubernden Bodenseeszenerie sind einmalig und sehenswert. Bei der Wiederaufnahmepremiere sorgten zudem am Horizont leuchtende Blitze unfreiwillig für eine Untermauerung der Dramatik. Die hohe sängerische und musikalische Qualität machen einen Vorstellungsbesuch zusätzlich zu einem traumhaften Erlebnis.
Markus Gründig, Juli 21
Unter Beachtung der 3-G-Regeln können in jeder Vorstellung knapp 7.000 ZuschauerInnen (!) dieses Erlebnis teilen.
Rigoletto wird bis zum 22. August gespielt. Daneben gibt es zahlreiche weitere Programmpunkte.
In den Sommern 2022/23 wird Puccinis Madame Butterfly in einer Inszenierung von Andreas Homoki als Spiel auf dem See gezeigt. Der Kartenvorverkauf startet am 4. Oktober 2021.
Rigoletto
Oper in drei Akten
Von: Giuseppe Verdi
Libretto: Francesco Maria Piave nach Victor Hugos Le Roi s’amuse (1832)
Uraufführung: 11. März 1851 (Venedig, Teatro La Fenice)
Wiederaufnahmepremiere der Bregenzer Festspiele: 22. Juli 21 (Seebühne)
Musikalische Leitung: Julia Jones, Daniel Cohen
Inszenierung: Philipp Stölzl
Bühne: Philipp Stölzl, Heike Vollmer
Kostüme: Kathi Maurer
Licht: Georg Veit, Philipp Stölzl
Ton: Alwin Bösch, Gerno Gögele
Stunt- und Bewegungsregie: Wendy Hesketh-Ogilvie
Mitarbeit Regie: Philipp M. Krenn
Chorleitung: Lukáš Vasilek, Benjamin Lack
Dramaturgie: Olaf A. Schmitt
Besetzung:
Der Herzog von Mantua: Long Long, Pavel Petrov, Ovidiu Purcel
Rigoletto: Scott Hendricks, Juan Jesús Rodríguez, Daniel Luis de Vicente, Vladimir Stoyanov
Gilda: Stacey Alleaume, Hila Fahima, Ekaterina Sadovnikova
Sparafucile: Levente Páll, Miklós Sebestyén
Maddalena | Giovanna: Rinat Shaham, Katrin Wundsam
Der Graf von Monterone: Jordan Shanahan, Kostas Smoriginas
Marullo: Ilya Kutyukhin, Wolfgang Stefan Schwaiger
Borsa: Taylan Reinhard, István Horváth
Der Graf Ceprano: Jorge Eleazar, David Oštrek
Die Gräfin: Shira Patchornik, Sarah Yang
Page: Hyunduk Kim, Jongyoung Kim
Bregenzer Festspielchor
Stuntmen Wired Aerial Theatre
Statisten der Bregenzer Festspiele
Prager Philharmonischer Chor
Bühnenmusik in Kooperation mit dem Vorarlberger Landeskonservatorium
Wiener Symphoniker
Die Bregenzer Festspiele 2021 finden von 21. Juli bis 22. August 2021 statt, Tickets und Informationen unter bregenzerfestspiele.com sowie Telefon 0043 5574 4076.