Interview mit Jörg Pohl zur Verleihung des Gertrud-Eysoldt-Ring

Jörg Pohl (Foto: Christian Knörr, Theater Basel)

Jörg Pohl spielt ein „Spiel im Spiel mit einer Theaterbesessenheit, die alle Grenzen sprengt, die ästhetischen wie auch die moralischen“: So würdigt die Jury des Gertrud-Eysoldt-Rings den Schauspieler am Theater Basel. Für seine Doppelrolle in „Molière – der eingebildete Tote“ von Nona Fernández, ein Werk nach Molière in der Inszenierung von Antú Romero Nunes, erhält Pohl nun am Samstag, 23. März, um 18 Uhr im Bensheimer Parktheater den renommierten Theaterpreis.

Im Interview mit der Stadt Bensheim erzählt Jörg Pohl unter anderem, wo er den entscheidenden Anruf von Akademie-Präsident Hans-Jürgen Drescher entgegengenommen hat – und in welcher Rolle er als nächstes auf der Bühne steht.


Herr Pohl, herzlichen Glückwunsch zum Gertrud-Eysoldt-Ring. Wo hat Sie damals denn die gute Nachricht erreicht?

Jörg Pohl: Ich war gerade in Berlin, um meine Freundin zu besuchen. Meine Kollegin Anja Dirks rief mich morgens an, ich solle mich „mal bei Herrn Drescher melden“, es gehe um etwas Wichtiges. Daraufhin habe ich natürlich erstmal nicht umgehend angerufen, sondern bin spazieren gegangen, es war schließlich einer der raren Sonnentage in der Hauptstadt. Am Zoo habe ich dann beim Präsidenten der Akademie angerufen und mich außerordentlich gefreut.

Kennen Sie Bensheim und die Bergstraße bereits – oder wird Ihr Besuch am 23. März eine Premiere?

Pohl: Es wird eine Premiere. Aber die bleiben ja meist im Gedächtnis.

Der Gertrud-Eysoldt-Ring gilt als einer der renommiertesten Theaterpreise im deutschsprachigen Raum: Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung ganz persönlich?

Pohl: Ich fühle mich sehr geehrt, damit in einer Reihe von Schauspielerinnen und Schauspielern gestellt zu werden, die ich sehr schätze und bewundere.

Sie verkörpern die Rolle von Molière, der wiederum die Figur Argan in dessen eigenem Stück „Der eingebildete Kranke“ spielt. Wie bereitet man sich auf eine solche Doppelrolle vor? Was bedeutet es, eine solche Doppelrolle zu spielen – beziehungsweise was sind die besonderen Herausforderungen?

Pohl: Ich denke eigentlich nie über Rollen, Figuren, Biografien und so weiter nach. Das ist für mich Zeitverschwendung. Ich suche nach Situationen, Spielanlässen und Vorgängen. Was kann ich spielen, wie – und nicht warum. Für das Warum sind Regie und Publikum zuständig. Die setzen das zusammen für sich. Ich kann auch nicht, wie das einige Kolleginnen und Kollegen beherrschen, mehrere Dinge gleichzeitig darstellen oder gar mehrere psychologische Schichten übereinanderstapeln. Mich interessiert Psychologie überhaupt nicht. Ich spiele immer nur eine Sache in einem Moment. Ich kann aber ganz schnell verschiedene Gedanken, Haltungen oder Vorgänge aneinanderreihen. Ich bin eher Nadeldrucker als Pinsel.

In der Begründung der Gertrud-Eysoldt-Jury heißt es, dass Sie sich „mit vollem Körpereinsatz lustvoll bis zur Erschöpfung verausgaben“. Wie empfinden Sie selbst Ihr Spiel? Sind Sie nach den Aufführungen „lustvoll erschöpft“ von der Bühne gegangen?

Pohl: Durchaus, ja. Manchmal auch nicht. Es gibt ja auch Vorstellungen, die in die Hose gehen.

In „Die Ilias / Achilles – ein Stück mit Fersen“ stehen Sie ab Freitag als griechischer Sagenheld Odysseus auf der Bühne. Wie nähert man sich einer antiken Figur (neu), über die bereits viel geschrieben wurde?

Pohl: Indem man die Figur dort aufsucht, wo sie nicht vermutet wird. Jenseits der mythischen Gewissheiten. An den Rändern der Geschichte. Ich spiele Odysseus nach jetzigem Probenstand als gealterten Fitnesstrainer aus den Niederlanden, der mit Haarausfall und einer Schwäche für Rum-Cola zu kämpfen hat.


Weitere Informationen:

Der Gertrud-Eysoldt-Ring gilt als einer der bedeutendsten Theaterpreise im deutschsprachigen Raum und wird seit 1986 jährlich in Bensheim vergeben. Mit der Vergabe des Gertrud-Eysoldt-Rings, einem mit 10 000 Euro dotierten Ehrenring, würdigen die Stadt Bensheim und die Deutsche Akademie der Darstellenden Künste eine schauspielerische Leistung an einer deutschsprachigen Bühne.

Erste Preisträgerin war Doris Schade, ihr folgten große Schauspielerinnen und Schauspieler wie Klaus Maria Brandauer, Cornelia Froboess, Corinna Harfouch, Nina Hoss, Ulrich Mühe, Ulrich Matthes und Tobias Moretti. Der Gertrud-Eysoldt-Ring geht auf ein Vermächtnis des Journalisten und Theaterkritikers Wilhelm Ringelband zurück, der bis zu seinem Tod in Bensheim lebte und in seinem Testament einen Schauspielerpreis mit dem Namen von Gertrud Eysoldt verfügte.

Der mit 5000 Euro dotierte Kurt-Hübner-Regiepreis, der seit 1991 ebenfalls von der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste in Bensheim verliehen wird, geht am Samstag an den jungen Regisseur und Autor Wilke Weermann. Ausgezeichnet wird er für die Inszenierung seines Stücks „Unheim“, das er als Auftragswerk für das Schauspiel Frankfurt geschrieben hat.

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